Aus beinahe jeder Bewegung entspringt eine Gegenbewegung. So ist das ganz häufig auch in der Welt der Mode. Während die einen gerade dabei sind, Weiblichkeit à la Saint Laurent aus der Feder Hedi Slimanes zu definieren und sich dabei selbstbestimmt, aber sexy in Miniröcke und Overknees schmeißen, lodert in anderen das lauwarme Feuer des Menocore-Trends, das, ganz gegenteilig, von Understatement, vermeintlichen Granny Bags und Blusen lebt, die manch eine*r vielmehr im Kleiderschrank der etwa 50-jährigen Kunstlehrerin als auf dem Runway vermuten würde. Im Zuge dieser Zeitstil-Ambivalenz driftet es modisch betrachtet auch in vielen anderen Bereichen des Kleiderkosmos mehr auseinander denn je.
Grob betrachtet und dramatisch gesehen bedeutet das zum Beispiel: Entweder du entscheidest dich als findiger Early Adopter dieser Tage dafür, auf den Logomania-Zug aufzuspringen, oder aber du suhlst sich im derzeit modernsten Luxus von allen: In Marken, die kaum jemand kennt und an die nur schwer heranzukommen ist. Heruntergebrochen bedeutet das außerdem: Dekadenz auf beiden Seiten, nur anders verpackt. Auf der einen Seite geht es um sehr teure Baumwollprodukte. Auf der anderen Seite (meist) um mittelerschwingliche Handarbeit. Es geht um Chanel vs. Carel Paris. Oder um Christian Dior vs. Danse Lente. Es geht darum, zu protzen. Entweder mithilfe klassischer Statussymbole oder aber durch den „Ich-bin-ein-Insider-Bonus“. Eine interessante Bewegung, die möglicherweise viel über uns aussagt. Sofern wir uns denn einer von beiden Bewegungen zugehörig betrachten. Ich gebe heute zu: Tendentiell bin ich Team Zwei. Team Indie also, wenn man so will, wie damals schon, als es darum ging, die nächste große Band schon vor allen anderen zu hören. Ein Teufelskreis! Denn was, wenn die Musik richtig gut ist und am Ende (ganz zu recht) allerorts gefeiert wird? Ein Ego-Dämpfer, ach je. Also auf zum nächsten Geheimtipp. Und so weiter und so fort. Ihr seht, Konsum-Wahn bleibt weiterhin auf beiden Seiten vorhanden.
Aber dennoch: In einer Gesellschaft, in der wir an Überangeboten ersaufen und in der alles immer und überall mit nur einem Klick verfügbar ist, scheint es allzu folgerichtig, dass die Definition von Luxus sich mehr und mehr verschiebt. Luxus ist nicht mehr Geld, sondern Zeit, nicht mehr Designerstange, sondern Instagram-Fund, und zwar einer, der (wie etwa Maison Cleo) Begehrlichkeit durch Knappheit weckt, der eben nicht kinderlicht zugänglich ist, der eventuell sogar ein wenig Recherchearbeit kostet. Schön, finden die einen, denn ein zu begrüßender Nebeneffekt ist zweifelsohne die damit häufig verbundene nachhaltigere Produktionsweise der angebotenen Objekte, die vermeintlich im krassen Kontrast zur Massenware stehen. Es ist also kein Wunder, dass wir uns, zumindest hinsichtlich unserer Kleiderschränke, plötzlich wieder wie 16-Jährige fühlen oder fühlen wollen, deren Ziel es vor allem ist „anders“ zu sein, um am Ende ja doch wieder gemeinsam ganz schön gleich zu sein. Aber egal. Kleine Labels könnten schon bald groß werden. Leute, die kein Vitamin B, aber Talent haben, schaffen es plötzlich in die wichtigen Magazine. Und der kommerzielleren, vertikalen Branche tut es außerdem gut. Denn die muss sich fragen: Was haben die, was ich nicht habe? Was muss ich ändern, um weiterbestehen zu können? Vieles, wie wir bereits im vergangenen Jahr feststellten. Oder etwa doch nicht? Denn neben der gerade beschriebenen Entwicklung, die sich wunderbar einreiht die momentan zumindest auf dem Papier existierende Rückbesinnung auf Qualität, auf Familienunternehmen, Fairness und liebevollen Firlefanz statt auf maschinengenormte Seelenlosigkeit, erleben wir zeitgleich ein ganz anderes Comeback: Das der Logos. Aber warum?
Wir könnten es uns einfach machen und behaupten: Weil Logos ästhetisch sind und Grafikdesign hip. Fertig. Ende. Aus. Oder: Logos sind ja so herrlich ironisch! Wie der Hip Hop der 90er etwa. Businness of Fashion begründet die neue Sehnsucht nach Markennamen auf der Brust zudem mit einer großen Portion Nostalgie:
Ein verständlicher, romantischer Grund. An den ich dennoch nicht eindeutig glauben mag. Unser Kollege Leroy Choufan hat mit seinem Artikel „Blame the Hipsters“ zur selben Thematik im Grunde schon alles und noch mehr gesagt. Nur nicht, wie Banane es doch im Grunde ist, für bedrucktes Jersey lächerlich viel Geld zu bezahlen. Ich richte diese Aussage auch an mich. Denn ich weiß, wie hypnotisierend so ein „LOEWE“ auf einem Stofflappen wirken kann. Wie erhaben! Ich habe ja selbst ein solches Shirt, das ich nicht wegwerfen werde. Ich würde es mir nur nie wieder aussuchen. Weil ich, so glaube ich zum jetzigen Zeitpunkt, nicht länger Teil dieser Arroganz sein möchte, der man sich mit dem Kauf eines Luxus-Logo-Produkts, das es so wirklich auch bei jedem vertikalen Unternehmen gibt (nur eben ohne Bling) unterwirft. Jedenfalls sollte man sich mindestens über die Message im Klaren sein, die beim Tragen desselben gesendet wird. Die lautet nämlich ganz simpel: Das hier war teuer und ich kann es mir leisten. Aber vor allen: Das hier ist eigentlich genau das gleiche wie deins. Nur in besser!
All das hat doch, wenn wir ganz ehrlich sind, wenig mit einer Liebe zur Mode, zum Besonderen, zu Qualität oder einer zutiefst vergötterten Designerin zu tun. Sondern vielleicht vielmehr mit der virtuellen Welt, die durch genau solche Codes funktioniert. Logo-Shirts und -Sweater sind nämlich wunderbar Instagram-tauglich. Da sieht man gleich, woran man ist und swiped nicht einfach so vorbei, als Betrachtender. Da zeigt man, was man hat, ohne viel Mühe, als Absender*in. Am Ende wird so einer ganzen Schar Follower ein (unterbewusster) Floh ins Ohr (oder Portemonnaie) gesetzt:
Ich brauche „nur“ Geld (viel, aber nicht so schrecklich viel wie für andere Designer-Teile), um Teil des Clubs sein zu können. Um so sein zu können. Wie die Schönen und Reichen auf ihren Bildern.
Eine Entwicklung, die funktioniert. Ein Trend, der mich traurig macht. Der aber auch gut ist. Weil er uns das Hinterfragen lehrt. Und Selbstreflexion. Am Ende bringt es nämlich nichts, zu schimpfen, über andere. Weil jede*r von uns auf irgend eine Art und Weise Teil dieses Hamsterrads ist, die einen versteckter (siehe Indie! Meno! Cleo!), die anderen ziemlich offensichtlich. Wer der schlingeligelere Schlingel ist, lässt sich, meines Erachtensnach, kaum mehr abwägen. Ich hoffe deshalb, dass wir alle in Zukunft auch modisch betrachtet tun, was unser Herz uns sagt. Ob im gelben Lederschuh des kleinen Brands aus Spanien oder in DIOR. Dazu müssen wir uns womöglich nur viel häufiger eine kleine, aber wichtige Frage stellen:
Ich hab es geahnt. Vor allem nämlich: Viel weniger.