Tel Aviv zu besuchen stand bereits seit ein paar Jahren auf meine Reise-Liste, schließlich geriet ein ganzer Freundeskreis allein beim Erwähnen in große Schwärmereien. Politische Unruhen und ein mulmiges Gefühl machten mir aber jeher einen Strich durch die Rechnung, bis ich im Januar einfach buchte. Völlig aus dem Bauch heraus und in erste Linie aus dem Grund, weil ich Berlin schon immer im schlimmsten Monat aka im Februar den Rücken kehren wollte, um einen wärmeren Ort zu besuchen, der für eine einzige Woche Urlaub nicht zu weit entfernt schien. Und so buchte ich – und spürte fortan ein Ziepen in meiner Bauchgegend, das erst durch Trumps Jerusalem-Entscheidung bekräftigt wurde und sich schließlich durch Israels letzten Einsatz in Syrien in Übelkeit umkehrte. „Himmel, was habe ich bloß getan“, fragte ich mich fortwährend, schließlich wollte ich am Ende gewiss nicht irgendwo zwischen den Fronten stecken und mich schon gar nicht auf eine Seite schlagen. Und so ganz ließ mich dieses beschwerende Gefühl auch den gesamten Urlaub nicht los, den ich bereits ein wenig Tage später gar nicht mehr als Urlaub bezeichnete, sondern als Horizonterweiterungsreise. Eine, die mir wahrscheinlich mehr gegeben hat, als eine Woche auf einer Südseeinsel mit ähnlichen Temperaturen.
Aber erstmal der Reihe nach:
Urlaub: Eine Frage der Definition
Was ist nun also Urlaub für uns? Die einen brauchen es, dieses komplette Gefühl von Entspannung und Nichtstun. Während andere es lieben, sich vollends auszupowern und auf der Piste alles zu geben. Ich zählte mich diesen Winter eigentlich zur ersten Fraktion und wollte nichts anderes, als ein bisschen Erholung, ganz viel Sonne und einen Garderobenwechsel, um die kommenden Winterwochen in Eisigdeutschland zu überstehen. Ich bekam: Zwei volle Tage Weltuntergangsstimmung, Regen, Gewitter und Frostbeulen. Optimistisch wie ich war, dachte ich nämlich, dass 20 Grad Wettervorhersage bedeuten würde, eine Woche lang nur in Schlappen herumzulaufen. Ein fataler Fehler, denn im sorgsam durchdachten Handgepäckskoffer befand sich ausschließlich Sommergarderobe und ein einziges winterfestes Outfit, das ich eigentlich nur auf dem Flug tragen wollten, um es eben doch permanent auszuführen, wenn die Sonne sich gerade mal wieder nicht blicken ließ. Aber keine Sorge: Tag 3 versprach Wetterbesserung!
Tel Aviv ist wie Berlin, nur am Strand!
… sagten sie und ich verstand am Anfang rein gar nichts. Nein, schnaufte ich: „Tel Aviv ist vielleicht so, wie Berlin irgendwann in den 90ern einmal war (wobei ich davon auch keine Ahnung habe, immerhin kam ich selbst erst 2010 hierher), aber doch keinesfalls so wie heute?!“ Irgendwann mit der Zeit verstand ich aber sehr wohl, was sie alle meinten: Tel Aviv mit Berlin zu vergleichen, mag an dem lockeren Vibe liegen, an der Aufbruchsstimmung, an der „machen statt reden“-Attitüde und an so vielen jungen Menschen an einem Ort, die man sonst seltener sieht. Hier treffen bröckelnde, architektonische Bauhaus-Schmuckstücke auf ramponierte Villen im Kolonialstil, wobei das Wort „ramponiert“ noch untertrieben scheint. Denn: Tel Aviv wirkte auf mich wie eine Stadt, die lange Zeit vergessen wurde, die durch innere Schönheit besticht, statt durch äußere. Eine, die erst jetzt so richtig von Großinvestoren übernommen wird, um sie großstadttauglich zu machen, indem man einen Wolkenkratzer neben den anderen setzt. Und so wird auch der Strand direkt vor der Stadt gerade kernsaniert und schick gemacht. Bleibt zu hoffen, dass hier mit Bedacht gewerkelt wird. Immerhin kann Berlin an dieser Stelle, zumindest teilweise, als abschreckendes Beispiel funktionieren. Kurzum: Ja, ihr hattet recht: Sie sind sich ähnlich, die Zwei.
Achtung, es wird teuer!
Wer nun aber glaubt, man könne diese rohe Schönheit, dieses Murksige, nahezu umsonst erleben, dem muss ich an dieser Stelle leider einen kleinen Strich durch die Rechnung machen. Vielleicht liegt es daran, dass Berlin im Vergleich noch immer in manchen Punkten günstiger ist, und ich dadurch eine verzehrte Wahrnehmung habe. Allerdings war das Leben auch anderswo noch nie so kostspielig wie hier. Kleine Anmerkung: Checkt bitte vorab, ob eure Karte für Israel freigeschaltet ist, damit ihr nicht, wie ich, am Geldautomaten leer ausgeht: An einem Freitagnachmittag um 17 Uhr deutscher Zeit. Mit ganz viel Glück erwischte ich meinen Bankberater noch am Telefon und konnte ab dem nächsten Tag mit meiner Karte bezahlen und Schekel abholen. Tel Aviv ist teuer, Jerusalem auch! Sehr teuer sogar. Egal ob Nahrungsmittel im Supermarkt (oh, vergesst Google Translater nicht, um überhaupt irgendwas zu verstehen!) oder das Essen im Restaurant, Schmuck, Kleidung und Co. Es macht äußerlich nicht den Anschein, aber es ist T E U E R.
Tel Aviv mit Kind
Mein mulmiges Bauchgefühl ging sicher auch mit der Tatsache einher, dass ich mit Wilma und somit mit einer riesigen Portion Verantwortung unterwegs war. Von politischen Unruhen, von Spannungen jeglicher Art, war in Tel Aviv allerdings nichts zu spüren. Auch die Israelischen Verteidigungsstreitkräfte sind, entgegen meiner Annahme, bloß wenig präsent. Eine Tatsache bereitete mir dennoch starke Bauchweh: Wie jung sie waren, in ihren Uniformen, mit ihren Waffen am Arm (wie ihr wisst gibt es in Israel Wehpflicht für Männer und Frauen). Zurück zum Schönsten: Wenn hier die Sonne scheint, dann scheint sie richtig: Aus den Menschen heraus, aus den kleinen Gassen, von den Märkten, einfach überall.
Wilma jedenfalls war selten so entspannt wie hier, so überglücklich am Strand, so goldig in den Cafés und so selig auf den zahlreichen Spielplätzen. Am dritten Tag legten wir dennoch eine kleine Stadtpause für einen Kindertag ein, verabschiedeten uns von den Regenwolken und fuhren samt Mietauto in den Safari-Park, in dem wir an diesem Tag offensichtlich die Einzigen waren. Ich bin kein Fan von Zooanlagen, aber dieser Safari-Park hat mich tatsächlich ganz schön beeindruckt. Hier geht’s im Auto mit Schrittgeschwindigkeit und ganz viel Eigenverantwortung durch die große Anlage, vorbei an Zebras, Antilopen, Nilpferden, Nashörnern und zahlreichen anderen Tieren vorbei. Im anliegenden Zoo warten außerdem Affen, Elefanten, Giraffen und Co – allerdings in ähnlichen, mäßig großen Gehegen wie überall. Regentag dennoch überbrückt!
Das Essen! Das Essen!
Bereits im Vorfeld wurde mir gesagt, dass es nirgendwo besser schmecken wird, als hier. Und ich muss bestätigen, dass ich in einer Woche wohl kaum köstlicher geschmaust habe. Mein neuestes Lieblingsgericht, das bereits nachgekocht wurde: Ein ganzer, gerösteter Blumenkohl – und den gab es sowohl im North Abraxas als auch im Romano (meinem absoluten Liebling dieser Woche). Wo ich euch außerdem mit Sternchen hinschicke?
Frühstück:
- Casino San Remo – hinfahren lohnt sich!
- Café Sheleg für die Stimmung!
- Arcaffe, wenn es schnell und unkompliziert werden soll!
- Café Nina, weil es dort einfach die netteste Bedienung gab!
Abends:
- Romano, weil einfach jede Stadt ein Romano braucht
- North Abraxas, etwas schicker
- Port Sa’id – hier ist’s hip!
Hier müsst ihr außerdem hin:
- Camel Market für frisches Obst und Tel-Aviver Treiben
- Jaffa Market für Trödel-Feeling
- Der Strand von Jaffa
- Der kleine Hafen von Jaffa (Der Name klingt toll, aber der Laden muss nicht dringend besucht werden „The old man and the Sea„)
- Shabazi Street – Die Straße, auf der unser Airbnb lag, die gesäumt ist mit kleinen Läden und direkt zum Strand führt (der sich allerdings gerade „under construction“ befindet
- Lauft querfeldein! Tel Aviv ist nicht so groß und jede Ecke birgt neue Perlen. Sucht euch Ziele aus und steuert sie zu Fuß an, nehmt Umwege und kommt von den großen Straßen ab.
Der Austausch
Ich wollte im Vorfeld so viel von den Menschen vor Ort erfahren. Hörte gespannt zu, wenn Freunde von der Redseligkeit der Israelis sprachen – und musste feststellen, dass es für mich mit Kind gar nicht so einfach war, auf der Straße einfach irgendjemanden anzusprechen und nachzufragen. Wilma dabei zu haben, bedeutete eben auch, dass sie unsere uneingeschränkte Aufmerksamkeit einnahm – und auch einnehmen sollte. Es war schließlich immer noch ein Familien-Ausflug. Einer, der isolierte, ohne es an dieser Stelle negativ zu meinen. Aber natürlich fehlte uns das lockere Nachtleben, um Zungen zu lockern und an der Bar ins politische Hier und Jetzt abzudriften. Und trotzdem: Noch nie hatte ich einen so intensiven Urlaub mit meinem Partner, einen, in dem wir jeden Abend (im Regen) auf unserer Terrasse saßen und uns über den Palästinenser-Konflikt, über die Geschichte dieses Landes, über Orthodoxe und streng gläubige Araber, über Jüdischen Säkularismus, über die Aufteilung dieses Landes, Beziehungen zu Nachbarstaaten, Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit, das Militär, Korruption, über Tel Aviv und Jerusalem im Vergleich und den Umgang mit dem Toten Meer unterhielten. Und genau deshalb war dieser Urlaub auch so wichtig für uns: Denn er bedeutete für uns nicht nur, dass wir uns eine Auszeit aus unserem Alltag nahmen, er verwandelte sich auch gleichzeitig in eine Horizonterweiterungsreise, die in der Form eigentlich gar nicht geplant war.
Wenn man vor Ort ist, dann beschäftigt man sich eben doch noch mal auf eine ganz andere Art und Weise mit dem Erlebten, mit der Geschichte und der Zukunft. Man stellt so viel in Frage, ist gleichzeitig voller Unverständnis (an dieser Stelle fehlt sicher der Austausch) und wird auf einmal viel politischer als in anderen Urlaubsorten. Eine wahnsinnig bereichernde Erfahrung, die ich euch nur empfehlen kann.
Das Tote Meer
Auch ich wollte meinen Körper einmal ins Tote Meer legen, wollte dieses unvergleichliche Naturerlebnis sehen und fühlen. Und selbst wenn ich in Gänze von meiner eigenen Vorstellung enttäuscht wurde, war dieser Trip unfassbar. Allein die Fahrt dorthin, durch die Wüste, an Stellen vorbei, wo einst das Meer gewesen sein muss, ist unheimlich – und politisch zu gleich. Denn auf dem Weg durch die Westbank hin zum Meer stehen Mauern, die Palästina von Siedlungsgebieten trennen, Zäune, die das Land so offensichtlich spalten, den Konflikt auf einmal ganz nahbar machen und visualisieren. Hier wird einem die bittere Realität in aller Deutlichkeit vor Augen geführt.
Bei etwas mehr als 420 Metern unter Null kommen wir an und finden einen touristischen Ort, der wenig Glanz mit sich bringt. Menschen aus aller Welt stranden mit Bussen, um sich im Wasser mit einer Zeitung zu fotografieren, um sich mit Schlamm einzucremen und mit brennenden Augen zum Frischwasser zu laufen. Wilma trägt eine Taucherbrille und wir sind ganze 10 Minuten im Wasser, bevor auch wir das Salz von unseren Körpern waschen, ein schlechtes Gewissen bekommen, weil wir zig Liter an Frischwasser in der Wüste verschwenden und bevor wir mit dem Auto wieder zurück düsen, an Beduinendörfern vorbeifahren und weitere zig Liter Wasser trinken, um unsere Körper wieder mit Wasser zu versorgen. Ich hörte, es gäbe schönere Orte, als jener mit Schlick und Plastikstühlen gesäumte Strand, an dem wir waren. Aber das kann ich mit Sicherheit nicht behaupten. Es war dennoch eindrucksvoll – und sehr leerreich.
Jerusalem – spaltet.
Eigentlich wollte ich nicht direkt nach Jerusalem. Weil Yad Vashem, die internationale Holocaust Gedenkstätte, aber trotzdem ein Ziel von uns war, willigte ich irgendwann doch ein und gab mir einen Ruck. Ich sage es gleich vorweg: Ich bin wahrscheinlich eher der Tel-Aviv-Typ. Jerusalem ist natürlich ein sehr religiöser Ort, ein geschichtlicher zugleich. Nun bin ich seit langer Zeit nicht mehr in der Kirche und habe irgendwann beschlossen, dass praktizierter Glaube nichts für mich ist.
Irgendwann verband ich (sehr radikal, wohl wahr) vor allem Gewalt, Intoleranz und Uneinigkeit damit – und schwor dem Ganzen ab. Und so fühlte ich mich in Jerusalem unwohl, projizierte in alles Gefahren und Unruhen hinein oder witterte die Ruhe vor dem Sturm. Ich beäugte alles unheimlich ängstlich, war zwar von der Architektur der Altstadt ziemlich beeindruckt, spürte allerdings wenig von dem Zauber an der Klagemauer und ließ einen Besuch auf dem Tempelberg erst gar nicht zu. Stattdessen überkam mich Panik und ich wünschte mir nichts sehnlicheres, als aus diesem Labyrinth herauszukommen. Wahrscheinlich habe ich die Augen vor der Schönheit verschlossen, aber diese geteilte Stadt machte mich fertig. Vielleicht muss ich irgendwann noch einmal hin. Ganz alleine, vielleicht. Ich weiß es nicht. Jedenfalls kenne ich nur zwei Lager: Die einen, die Jerusalem als magischen, wunderbaren Ort beschreiben und die anderen, die nichts sehen. Ich zähle leider zu Gruppe Nummer zwei.
Die Unterkunft
Ich würde euch gerne erzählen, dass wir in dem schönsten Airbnb Tel Avivs schliefen, aber es war einfach ok. Unsere Dachterrasse rettete uns natürlich den Abend und auch die Lage war unschlagbar, aber sonst muss unsere Ferienwohnung an dieser Stelle nicht weiter erwähnt werden. Zwar bekam ich im Vorfeld verschiedenstee Hoteleinladungen, aber ehrlicherweise wollte ich in meinem siebentägigen Urlaub gerne zumindest die Abende im Freien verbringen, statt im gleichen Zimmer und zur gleichen Zeit mit meiner Tochter ins Bett zu gehen oder einer hundert Meter entfernten Babyphone-Leitung zu vertrauen. Nein, nein, das war schon gut so. Die Wohnung selbst war keine Perle, aber ihr findet auf eurer Suche ganz sicher gleichwertig gute, wenn nicht noch schönere Unterkünfte, da bin ich mir sicher.
Oh, nicht zu vergessen: Meine Urlaubsherbst und -Frühlingsgarderobe:
Blazer: & Other Stories, Pulli: 81 Hours, Hose: Levi’s Baggy, Schuhe: Converse
Bluse: & Other Stories, Hose: Levi’s Baggy, Schuhe: Miu Miu, Tasche: Cult Gaia.