Irgendwann machte es bei Nunu Kaller „Klick“: Statt den Urlaub auf den Philippinen zu genießen und von einem Ausflugsboot aus die Landschaft zu bestaunen, war die Österreicherin vor allem damit beschäftigt, sich in ihrem Bikini unwohl zu fühlen. Eigentlich sollte Kaller „unglaublich glücklich“ sein, sie war es aber nicht – bis sich der Schalter im Kopf umlegte und Kaller beschloss, dass es jetzt mal reichte mit der ewigen Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper.
Problem: „Der Weg zu einem positiven Körperbild ist kein einfacher.“ Können wir uns wirklich einfach freimachen von all den Zwängen, den Idealen, den Vorgaben, die uns sagen, wie unser Körper zu sein hat? Oder: „Kann man das einfach beschließen, dass es einem jetzt gut geht?“ Nunu Kaller hat es ausprobiert und ihren Weg in Fuck Beauty! Warum uns der Wunsch nach makelloser Schönheit unglücklich macht – und was wir dagegen tun können nachgezeichnet.
„Fake News für die Augen“
Revolutionäre Erkenntnisse finden sich in dem Buch nicht, dafür stecken viele persönliche Anekdoten und Erlebnisse drin. Nunu Kaller fragt danach, was eigentlich schön ist, liest sich durch Frauenzeitschriften, guckt Werbung, scrollt sich durch Instagram, sammelt Zahlen, Daten, Fakten. Sie liest sich Wissen an, entdeckt feministische Konzepte (male gaze) und die Rolle der Biologie. Sie startet ein paar Selbstversuche: Komplimente machen, eine „Spiegeldiät“. Immer mit dem Ziel, sich im eigenen Körper wohler zu fühlen, endlich die innere Stimme stummzuschalten, die Kaller einredet, sie sei zu dick, zu groß, zu viel.
Oft humorvoll, manchmal geschockt, stellt Kaller fest, wie absurd die allgegenwärtige Besessenheit mit Schönheit ist – und wie sehr wir uns blenden lassen. Nicht nur von der Werbung oder den Medien, sondern auch von Instagram (Hashtag #instabeauty), Facebook und Co. Die Millionen an makellosen, da professionell bearbeiteten und schön gefilterten Selfies und Fotos, nennt Kaller „Fake News für die Augen.“ Das Problem sei, dass wenn man etwas täglich sehe oder präsentiert bekomme, man es vielleicht irgendwann glaube. Auch, wenn man es besser wissen müsste.
In der Konsumfalle
Viel Platz räumt Nunu Kaller in Fuck Beauty! der Konsumkritik ein. Kaller selbst hat ein Jahr lang keine neuen Klamotten gekauft, das Projekt auf ihrem Blog dokumentiert und ein Buch darüber geschrieben. Als große, kurvige Frau ist sie Klamotten-Kummer gewohnt: Immer wieder hat sie sich in zu kleine Hosen gequetscht, immer in der Hoffnung, ein paar Kilo zu verlieren und dann doch hineinzupassen. Eine neue Hose, ein neues T-Shirt, so Kaller, kann einem ein tolles Gefühl vermitteln – sie steigern den Selbstwert. Aber tun sie das tatsächlich? Oder tappen wir nicht eher in die Konsumfalle? Letztendlich hilft laut Kaller nur eins: Sich bei jedem Kauf fragen, ob man dieses Teil wirklich braucht. Keine Dinge kaufen, nur weil es einem gerade schlecht geht, man gestresst ist oder einen Ego-Boost braucht.
Den Masterplan, wie man sich ein- für allemal vom Schönheitswahn losmacht, bietet Fuck Beauty! nicht. Wie könnte es auch? Vielmehr ist es eine Einladung, es Nunu Kaller nachzutun und Gegebenheiten einfach mal in Frage zu stellen, kritisch zu denken und gleichzeitig weniger kritisch mit dem eigenen Körper umzugehen. An manchen Stellen ist das Buch etwas oberflächlich geraten, etwas zu gewollt positiv. An anderen Stellen finden sich dafür kluge Gedanken. Unterhaltsam und flüssig geschrieben ist das Buch sowieso. Eine gute Einstiegslektüre für alle, denen es wie Nunu Kaller geht, die der „Wunsch nach makelloser Schönheit“ unglücklich macht und die etwas dagegen tun wollen. Doch Achtung: „Am Anfang des Weges zu mehr Selbstakzeptanz in jeglicher Form steht immer eine Entscheidung: die Entscheidung, dass es reicht. Danach kommt sehr viel mühsame Arbeit.“
Nunu Kaller: Fuck Beauty! Warum uns der Wunsch nach makelloser Schönheit unglücklich macht – und was wir dagegen tun können, Kiepenheuer & Witsch, 2018.