Ich habe neulich einen Artikel in der ZEIT gelesen, der all das Geschimpfe über die deutsche Politik (vornehmlich über Frau Angela) ein wenig aufs Korn zu nehmen versuchte. Das mochte ich, obwohl ich die Merkel nicht sonderlich mag. „Je töter der Drache, desto zahlreicher die Drachentöter“, stand da zum Beispiel. Genial. Auf etliche Situationen übertragbar! Und so passend! Denn die Kanzlerin zum Beispiel geht so oder so, spätestens 2020. Und während zig andere außerdem über das Grokodil schimpfen, strippt im Bundestag die Luzi. Noch vor etwa drei Jahren haben wir uns über die politische Einöde Deutschlands beklagt, weil da einfach kein Pfiff drin war. Glücklich hätten wir sein sollen über so viel Langeweile, denn jetzt haben wir, wonach wir verlangten: Action! In Form eines Gruselkabinetts auf dessen rechte Seite die AfD Platz genommen hat. Rassismus und Misogynie sprudeln aus diesem scheinalternativen Maul wie Blubberblasen; unter den übrigen Abgeordneten gilt längst die Regel: Kein Applaus für Scheiße. Und im selben Aufzug will mit den Braunen auch keiner fahren. Verständlich. Vielleicht bekam der 25-jährige CDUling Philipp Amthor deshalb so erstaunlich viel Zuspruch (aus dem Kabinett und dem Internet) für sein Zerpflücken des AfD-Antrags zum Burka-Verbot.
Rhetorisch kühn aufgestellt schaffte diese Hoffnung der „Jungen“ es sogar, über seine eigene rechtskonservative und durchaus fragwürdige Geisteshaltung hinweg zu täuschen. Weshalb ich nun wieder Bernd Ulrich zitieren möchte: „Wenn die Sonne der Macht tief steht, werfen sogar Zwerge lange Schatten.“
Einer konnte dieser Tage dennoch Licht ins dunkle Loch der fehlenden Glaubwürdigkeit werfen: Cem Özdemir. Wie der Teufel hat der Grüne mit seiner kleinen Bundestagsrede die AfD rasiert und ausgesprochen, was jedes AfD-Parteimitglied im Geheimen wahrscheinlich mächtig stolz gestimmt hat:
Klingt logisch und ist wahr. Nur hat Cem für so viel Klarsicht jetzt trotzdem eine Anzeige von besagten Rassisten und Rassistinnen am Hals. Es bleibt also spannend.
Was ich eigentlich sagen will, vornehmlich allen inzwischen Politik-Verdrossenen: Politik ist gar nicht (mehr) langweilig! Sondern irre unterhaltsam. Was zweifelsohne zu großen Teilen traurig ist, aber auch Grund genug, dranzubleiben. Dazuzulernen. Oder besser: Von der Politik zu lernen. Während die Erwachsenen, die unser Land regieren, weiterhin pausenlos „die Anderen“, „die aktuelle Regierung“ oder sonst wen für Still- und Missstand verantwortlich machen, statt sich endlich zu emanzipieren, sagte der Bernd in seinem Artikel noch mehr Kluges. Nämlich:
Ein bedeutungsschwangerer Satz auf so vielen Ebenen! Denn es war Montag, als ich besagte Zeitung und Zeilen aufschlug, zwei Tage vor Kommando Bergfest. Bergfest!, jubelte ich beim Gedanken an das daraufhin logischerweise außerdem nahende Wochenende, obwohl die Woche ja gerade erst angefangen hatte. Das liegt vermutlich vor allem daran, dass ich momentan lieber verdränge, als wirklich aktiv zu werden. Dass ich meine, nichts für meine Wehwehchen zu können. Mal ist der Mann doof, mal die Arbeit, mal Berlin. Oder der Umstand, dass gerade keiner Zeit für Urlaub mit mir hat. Wo aber bleiben da die Hummeln in meinem eigenen Arsch, wo die Eigenverantwortung? Ich könnte doch auf Solo-Reisen gehen! Einen Schlussstrich ziehen oder ganz einfach weghören, wenn jemand nervt. Kleiner Scherz. Ganz so ist es ja nicht. Wir leben schließlich in einer Demokratie, hoch offiziell, aber auch irgendwie im Privaten. Und in diesem Punkt kann ich schon wieder von Özdemir lernen. Der entgegnete der AfD, die natürlich nicht recht auf die Freilassung Deniz Yücels klarkommt, Folgendes:
(…) Ich stehe am Mikrofon und Gott sei Dank können Sie es mir nicht abstellen. Ich weiß, in dem Regime, von dem Sie träumen, könnte man das Mikrofon abstellen; aber das kann man hier Gott sei Dank nicht. Sie werden es nicht schaffen, das zu ändern. Glauben Sie es mir!
Auf (Liebes-)Beziehungen übertragen bedeutet das: Zuhören! Aufeinander eingehen! Konfrontation statt Zensur von Gefühlen! Ich notiere und verstehe. Vor allem, dass Politik durchaus lebensnah sein kann. Wenn man nur will.