Bald ist Ostern, bald ist der erste April, bald bin ich 19. Die Minderjährigkeit schwindet und eine Alterskrise wäre nach Meinung der Ü18-Bevölkerung völlig unangebracht, schließlich hat man ja noch „sein ganzes Leben vor sich“. Aber wisst ihr noch, wie es euch mit 18 ging?
Ich hätte nie gedacht, dass Offiziell-Erwachsen-Sein mir so schwer fallen würde, vielleicht gerade weil ich sehr früh selbstständig sein musste und meine Kindheit gefühlt schon deutlich vor der 18 endete. Das Einläuten der 19 fühlt sich dabei wie der Totschlag des Kind-Seins in einem Drama in drei Akten an.
Die 18 macht einen zwar offiziell erwachsen, jedoch steckt man trotzdem noch mit einem Fuß im Abitur und mit dem anderen im Hoch des „Endlich-18-Seins“ – die 19 macht da mehr ernst. Ein paar Monate 18, ein paar Monate im 19. Lebensjahr und man sieht die Welt schon etwas nüchterner. Wo sind sie denn nur, die Romantisierungen, die großen Pläne und die Schmetterlinge der Emanzipation? Mit dem Erwachsenwerden kommt die Verantwortung: Steuernummer, Unterhalt, Lebenslauf – das sind keine euphorischen Wörter, nein, sie strahlen eine Nüchternheit aus, die ich höchstens mit der Berufswahl „Verwaltungsfachangestellte“ übertreffen könnte.
Jede Tante, jede*r Bekannte, jede*r Nachbar*in und jeder Kaktus fragen einen was man studieren will. Man zuckt mit den Schultern, stottert von Überlegungen, am liebsten würde man ihnen jedoch ins Gesicht brüllen, ja wirklich richtig schreien: Nach acht Jahren Gymnasium reizt mich ein Studium genauso sehr, wie Omas Miracle Whip! Oder Opas Hornhautschaber! Man mag aber nicht. Weil: Muss ja irgendwie sein. „Macht man so“. Oder?
Nun gut. Ich weiß schon, es ist ein Klagen auf hohem Niveau, ein überaus privilegiertes Klagen, wenn wir bedenken, wie viele schier unendliche Chancen wir haben und hinsichtlich der angesteuerten Dramatik meiner Worte könnte ich das hier auch beim Verlag Rosamunde Pilchers einreichen. Aber doch: Es ist ehrlich und trotzdem übertrieben.
Eigentlich war die 18 nämlich sehr lehrreich und ich sollte stolz auf alles, was ich in diesem Jahr erfahren durfte. Ich habe so viel gelernt. Ich habe Kurse als Dozentin an der VHS gehalten, bin alleine nach Maui geflogen, um als Feldarbeiterin mein Können zu zeigen, habe in einem Baumhaus mit einem wahrlich psychisch angeknacksten und trotzdem liebenswürdigen Pothead gelebt. Ich habe eine Kommune kennengelernt, die unter Umständen auch gerne mal unter der Kokospalme masturbierte, während die Baumkronen wieder zu Recht geschnitten wurden. Ja, Maui könnte sich kaum mehr von Deutschland unterscheiden. Und dann? Wieder zurück habe ich meine Wohnung aufgelöst und bin mit meinen nicht-ganz-sieben-Sachen ins „arm aber sexy“-Berlin gewandert, um mich in einen neuen Lebensabschnitt zu schmeißen.
Dit war ’ne Idee! Diese ersten drei Monate Berlin waren eine Achterbahnfahrt, eine wahnsinnig intensive Lernphase, eine kurvige Straße, die das Ziel nur erahnen lässt, aber ich bin so unglaublich dankbar für diese Erfahrungen des Neuanfangs und die Inspirationen und Lebensstile, die ich hier kennenlernen durfte. Vor allem aber auch für die Erfahrungen und Möglichkeiten in meinem Praktikum (<3 Nike und Sarah).
Was die letzten Tage der 18 schwer gemacht haben, werden die ersten Tage der 19 vorantreiben. Ich (hass)liebe den urbanen Lifestyle, der alles aus mir herauskitzelt, was in 24 Stunden und 1440 Minuten passt. Wenn ich an meine Wünsche für mein kommendes Lebensjahr denke, möchte ich Berlin nicht mehr missen. Egal wie sehr du mich herausforderst, du süße Schlange, ich bleibe hier.
Und was ich mir sonst noch für die 19 vornehme? Ich weiß nicht, ob ich Erwartungen stellen sollte oder einfach mit den Geschehnissen gehen, offen für Neues bleiben und so blöd es auch klingen mag „den Rufen des Universums folgen“ sollte. Ich habe das Gefühl, Vorsätze neigen bloß dazu, unerfüllte Erwartungen auf den Tisch zu bringen, in etwa wie Spaghetti Carbonara. Also halte ich es eher simpel. Ich möchte mehr lesen, noch mehr lernen, meinen durch das Leben in der Großstadt aufgekommenen Wissensdurst stillen.
Wie wäre es damit, das Reflektieren, Sozialisieren, Helfen und Sich-Selbst-Verbessern ganz vorne ans ABC zu stellen? Nicht wie Maria Magdalena, sondern wie Linda Luna. Dazu vielleicht die Seele auftanken, die Intuition zur Hauptdarstellerin machen und viele schöne Erlebnisse mit vielen tollen Menschen wagen und sammeln und teilen.
Da ist sie wieder, die romantisierende Linda mit ihren großen und kleinen Plänen. Waren Teile der 18 vielleicht nur eine frühzeitliche Identitätskrise, eine sich übertrieben unter Druck setzende Kröte, ein Lama, das versuchte, schneller zu rennen, als es kann? Oder ist genau das hier vielleicht das, was wir Erwachsenwerden nennen? Eine schier nie endende Metamorphose des Hinterfragens, Erfahrens und Neu-Erfindens? Ich ahne es. Dass dieses Gefühl fortan immer wieder kommen wird, dass das Leben eben keine dieser Rolltreppen ist, die nur in eine Richtung funktionieren. Dass es egal ist, ob ich 19 oder 29 werde. Dass uns genau das eint. Die Suche nach dem, was wir wirklich wollen. Eine gute Suche, meine ich. Denn sie erlaubt es uns, immer weiter zu forschen, zu korrigieren, zu träumen und: Zu entscheiden. Ab sofort und für immer.