Einige Fragen in meinem Leben laufen mir immer wieder über den Weg: Neben der nach meiner Heimat bzw. der meiner Eltern, liegt dicht gefolgt die, nach meinem Haaren. Wie unglaublich einfach so ein Afropflege doch sein muss zum Beispiel. „Du stehst morgens auf und gehst einfach los!“ – Na huch, an dieser Stelle muss ich leider jetzt alle enttäuschen.
Wie die wenigsten, gehe auch ich morgens nach dem Aufstehen einfach so aus dem Haus. Vor mir liegt dann zwar keine Routine, die Waschen, Föhnen, Bürsten beinhaltet, eine Menge Arbeit aber allemal, sodass ausschlafen nur drin ist, wenn ich eine Kopfbedeckung zur Hand habe oder die Motivation ins Bodenlose sinkt. Mein Afro ist manchmal ein kleines Statement für sich selbst, aber vor allem eines: viel Arbeit! Und würde ich ganz penibel sein und alles für gesunde Spitzen und Kopfhautflora geben wollen, wäre es am Morgen auch mit einer viertel Stunde noch nicht getan.
Faul sein und extra anspruchsvolle Haare haben? Nicht umsonst habe ich inzwischen schon vier Mal Hals über Kopf alles bis auf ein paar Zentimeter geschoren, um morgens mit nicht mehr als nur einem Tropfen Öl gut durch den Tag zu kommen. Wie es sich jetzt lebt mit Locken, die einem über die Ohren wachsen und jeden Tag ein bisschen Aufmerksamkeit brauchen, erfahrt ihr mit meinen ultimativen Afro 1 x 1 für Faule und Lockenköpfe (fast) aller Art. Günstig, natürlich und zeitsparend.
5 schnelle Natural Hair Facts
- Was ist „Natural Hair“?
Der Begriff Natural Hair, der amerikanischen Ursprungs ist, trifft erst mal auf jedes, nicht chemisch verändertes Haar zu, wurde im Laufe der letzten Jahrzehnte jedoch zusehends für das lockige Haar von People of Colour genutzt. Ähnlich wie bei glattem, europäischem Haar, gibt es auch hier verschiedene Haartypen, die in Fülle und Dicke, aber auch Wachstum und Lockengröße stark voneinander abweichen. Um es einzugrenzen, lässt sich behaupten, dass die Haarstruktur zwischen wellig und klein gelockt variiert (letzteres trifft am ehesten auf mich zu). Die beschriebene Haarstruktur wird im Regelfall POC zugeschrieben. Wobei es auch hier natürlich wunderhübsche Ausnahmen gibt und schwarze Kinder mit glatten, sowie natürlich auch weiße Kinder mit stark gelocktem Haar auf die Welt kommen. Grundsätzlich neigen die beschriebenen, stark lockigen Haarstrukturen dazu:
♥ sehr trocken zu sein, sowohl im Ansatz als auch in den Spitzen, wobei der Haartalg zum einen im geringeren Maße produziert wird und zum anderen nicht durch regelmäßiges Trockenbürsten von der Kopfhaut in die Längen transportiert werden kann
♥ sehr sensibel auf jegliche Umwelteinflüsse wie starke Kälte und starke Hitze zu reagieren
♥ jeden Tag reichhaltige Pflege zu bedürfen und stets mit der fehlenden Feuchtigkeit versorgt zu werden
2. Die Haartypen
Auch lockiges Haar birgt in sich große Unterschiede. Geht man zum Beispiel nicht von geschwungenen Engels-Wallemähnen aus, sondern von in sich windenden, eher kleineren Locken, spricht man von einem Haartyp 3, sofern die Haare eine geschwungene S- bis Z-Form aufweisen. Diese Definitionen liegen im Groben zwischen 3A, bis zartere Locken, genannt 3C. Fragiler,
in sich gewundener und hierbei massiger wirkt die nächste Stufe 4A bis 4C, die im englischen als „Kinky“, zu Deutsch verworren, bezeichnet wird. Genauere Informationen über die einzelnen Lockentypen könnt ihr hier nachlesen und eventuelle einen eigenen Lockentyp bestimmen. Gerade in Foren oder zum Nutzen konkreter Youtube Tutorials ist es hilfreich, seine Haare definieren zu können.
3. Der Afro
Die ursprünglichste Art und Weise sein Natural Hair zu frisieren oder zu stylen ist und bleibt der Afro, welcher in seiner gesellschaftlichen Rezeption und dem heutigen Namen der westlichen Welt erst zu den Bürgerrechtsbewegungen in den USA der 1960er Jahre getragen wurde. Es ging hierbei weniger um eine Modeerscheinung oder einen Trend, als der Unterdrückung zu trotzen, sich bestehenden weißen Dogmen und Schönheitsidealen zu widersetzen und seine Haare auf die prachtvolle, natürliche Weise zu tragen. Bis heute ist es für POC oftmals eine bewusste Entscheidung, das Haar natürlich und offen zu tragen und Glättungen sowie Verlängerungen u.v.m den Laufpass zu geben.
Die präsente Frisur bleibt Thema vieler Konversationen, fällt der ständigen Exotisierung zum Opfer und bleibt Angriffsfläche zur absoluten Grenzüberschreitung. So sehr meine Haare für mich und mein Umfeld zur Normalität gehören, steht die von mir mit 17 bewusst und nach langem Hadern gewählte Frisur für so viel mehr, ist für mich ein Statement gegen westliche Schönheitsstandards geworden und sorgt weiterhin für Diskussionen. „Der Begriff Afro bezeichnet langes, unfrisiertes, wildes und lockiges Haar (.::)“, unfrisiert und wild? Das üben wir aber noch einmal Wikipedia!
4. Frisuren und Strömungen
Der Afro, welcher auf meinem Kopf stets jeglichen Regeln der Schwerkraft zu widersetzen scheint, steht längst nicht alleine da, wenn es um Frisuren und Styling von Natural Hair geht. Die viel bejubelten Boxer Brands von Kim Kardashian, Rastas, Twists, Bantu Knots, Corn Rows, Weave Ins, Faux Locks und Crochets, sind nur eine Handvoll von Variationen für die empfindlichen Locken, die es nach Möglichkeit vor allerhand Alltagseinwirkungen zu schützen gilt. Häufig wird über kulturelle Aneignung und Unangemessenheit diskutiert, noch häufiger fehlt das Verständnis dafür, dass es vor allem unheimlich verletzend ist, wenn schwarzes Kulturgut und zugehörige Praktiken erst dann medial zelebriert werden, wenn sie von Weißen getragen und promoted werden. Hier möchte ich bestimmt niemanden seine Bauernzöpfe madig machen. Eine ausführliche Listung der verschiedenen Frisurentypen und Stylings findet ihr hier.
Die Pflege
Waschen: Für mich ist 1x wöchentlich vollkommen ausreichend. Für eine gründliche Reinigung massiere ich die Kopfhaut ausgiebig und versuche so wenig Produkt wie möglich in die Längen zu geben. Unter der Woche betreibe ich ausschließlich Cowashing unter Dusche, benutze also nur Conditioner, indem ich mein Haar mit den Fingern kämme und entknote. Für das Styling und die Pflege zwischendurch, benutze ich eine Wasserspritze, um die Haare anschließend mit der täglichen Feuchtigkeit aus Öl zu versorgen und zu erfrischen.
Kämmen & (deep)Conditioning: Kämmen und Entwirren ist für mich nur unter der Dusche am Waschtag nur mit Kur möglich. Hierbei entwirre ich alle entstandenen Knoten und Wirrungen. TIPP: Mit Extra Öl gemischt fungiert mein Conditioner als Kur und wirkt nach dem Kämmen mit einem Tuch umwickelt bis zu einer halben Stunde in meinen Haaren ein.
Stylen: Ohne Leave-In Conditioner und einer Versiegelung durch das Öl meines Vertrauens gehe ich nicht aus dem Haus. Die Haare würden ohne extra Pflege sofort austrocknen und verfilzen. Leave-In wird stets in Handtuchfeuchtes-Haar einmassiert und zieht ein. Sobald die Masse einwirken konnte, lockere ich die Haare mit einem Afro-Pick oder Kamm auf und versiegele sie mit Öl.
Wallnussöl & Kokosöl: Ohne Öl trocknen die Locken über den Tag blitzschnell aus. Außerdem versiegle ich mit ihnen gerne meinen Conditioner, damit die Locken nicht verkleben. Neben Kokos- und Walnussöl eignet sich auch Arganöl besonders gut.
Cantu & Hair Mayonaise: Die Hair Mayonaise war ein Mitbringsel aus den USA. Die Liste der Inhaltsstoffe ist für mich relativ problematisch, befinden sich Chloride und Silikone in dem Produkt, seinen Zweck erfüllt es allerdings leider allemal. Wer sich nicht an den Zusätzen stört, kann sich auf unglaublich definierte und schwungvolle Locken freuen. Die Cantu Produkte gibt es inzwischen bei Rossmann & DM und haben einen hohen Anteil an Shea Butter. Der intensive Geruch verfliegt nach kurzer Zeit und zaubert gepflegte und glänzende Locken.
Afrolocke: Hinter Afrolocke verbirgt sich ein kleines, deutsches Unternehmen geführt von Anna aus Stuttgart. Die Produkte haben einen feinen, natürlichen Duft, sind vegan und auf einer Ölbasis hergestellt.
Drogerie-Kombi: Das Bild zeigt meine liebste Pflegecombi aus Shampoo und Spülung mit Mandel und Argan aus der Alverde Nutricare Serie. Nicht nur der Preis ist unschlagbar, auch Inhaltsstoffe und Pflegeeffekt überzeugen.
Styling mit Davines: Der italienische Allrounder Davines bietet für die verschiedensten Haartypen reichhaltige Pflegeserien an und lässt auch lockiges Haar nicht außen vor. Besonders für ein bombenfestes und langanhaltendes Styling benutze ich die Produkte gerne. Der Love Curl Revitalizer hat es mir zum Auffrischen zwischendurch besonders angetan.
Schützen: Zum Abtrocknen eignen sich Mikrofaserhandtücher und Baumwoll-T-Shirts am besten. Sie rauen die Haarstruktur nicht unnötig auf und beugen Frizz vor. Feste Regel: Zu Bett nur mit Head-Warp, einem Tuch aus Seide oder Satin, oder den Baumwollbezug des Kopfkissens mit einem aus den genannten Materialien austauschen. Die nächtliche Reibung tut dem Haar nicht gut, lässt sie über Nacht verfilzen und Knötchen entstehen. Alles eingehalten? Dann hält das Styling eine ganze Woche durch. Versprochen!