Das hier ist die erste Ausgabe unserer neuen Interview-Reihe 5 Frauen. Heute fragen wir: Wie schafft ihr es, euren Körper zu akzeptieren? Das gleiche wollen wir natürlich auch von euch wissen, denn zusammen ist man nicht nur weniger allein, sondern auch viel, viel stärker. Wie freuen uns auf eure Kommentare genau so wie auf potenzielle Fragen für die nächste Runde!
Nike Jane:
Ich habe im letzten Jahr, aus unterschiedlichen Gründen, etwa sieben Kilo zugenommen. Ich bin jetzt noch immer schlank, aber dennoch schimpfe ich natürlich darüber, dass mir meine Lieblingshosen nicht mehr passen. Oder darüber, dass viele Kleidungsstücke an mir jetzt ganz anders aussehen als vorher. Es geht nicht darum, dass ich ein minibisschen mehr wiege als vorher, sondern um die Veränderung des eigenen Körpers, an den man ja gewöhnt ist. Eine Zeit lang hatte ich trotzdem schlechte Laune, obwohl ich ja selbst ständig darüber schreibe, wie bescheuert dieser ganze Optimierungswahn ist. Ich glaube, Selbstzweifel sind menschlich, aber wir sollten nicht aufhören, darüber nachzudenken, woher sie überhaupt rühren. Meine waren auf jeden Fall ein bisschen Instagram-gemacht. Und auch in den Onlineshops sind eigentlich alle Frauen rappeldürr. Heilsam war deshalb ein Besuch in der Therme. Da sieht man viele unterschiedliche, echte Körper, die allesamt auf ihre ganz eigene Art und Weise schön sind. Ohnehin glaube ich, dass wir mit uns selbst viel strenger sind als mit anderen. Sich selbst durch die Augen einen Freundin sehen, das wäre mal was. Ich kann natürlich nicht behaupten, dass ich mich, allein aufgrund der Veränderung, nun pudelwohl in meinem Körper fühle, aber ich habe gelernt, was „Body Neutralism“ bedeutet: Nämlich, dass einem kleine Makel wirklich schnurzpiepegal sein dürfen oder sollten. Ich muss meinen heruntergefallenen Po oder die ausgenuckelten Brüste also nicht als bildschön empfinden, aber sie zu akzeptieren und sie einfach so sein zu lassen wie sie nunmal sind, das ist schon ein ordentlicher Schritt. Es „egal“ finden, dass nicht alles super knackig ist, meine ich. Das wirkt sich sehr befreiend auf das Wohlbefinden aus. Wie man das schafft? Indem man sich zum Beispiel andere Vorzüge vor Augen hält. Ich kann super Witze erzählen. Und ich liebe meine Freunde und Freundinnen ganz sicher nicht für ihre heißen Körper. Andere scheren sich außerdem auch nicht um mein Gewicht, warum also sollte ich mich also selbst so schrecklich verrückt machen? Ich bin gesund. Das klingt banal. Aber: Was für ein Glück!
Anouk:
Ich hasse es, wenn Leute mich „übergewichtig“ nennen. Ich bin nämlich fett. Sagt man das nicht einfach wie es ist, impliziert das für mich, dass es nicht „normal“ ist, oder etwas, dem man aus dem Weg gehen will. Auch nicht nett ist es, wenn mir irgendwer ein Kompliment machen möchte und dann sowas sagt wie: „Du hast aber trotzdem ein schönes Gesicht!“ Oder: „Hast du abgenommen, du siehst toll aus!“ Als hätte das Gewicht wirklich etwas mit Schönheit zu tun. Hat es zwar, in den Medien zum Beispiel, aber ich wünsche mir, dass damit bald Schluss ist. Ich finde mich nämlich wirklich hübsch. Nicht schlank, natürlich nicht. Wie ich schon sagte: Ich bin eine Kugel! Aber ich habe es satt, gehänselt zu werden. Was mir dabei geholfen hat, mich zu akzeptieren, war meine Liebe zur Mode. Jahrelang habe ich nur super weite Sachen getragen, weil ich dachte, dass meine Arme und Beine ja keiner sehen will. Das war sehr unvorteilhaft und ich war unsichtbar, trotz der stattlichen Masse. Eben nur „eine Dicke von vielen“. Seit ich mich in Farben werfe und körperbetonte Kleider trage, lächeln die Leute mich wieder an. Weil auch ich lächle. Das liegt daran, dass ich mich nicht länger über mein Gewicht definieren will. Ich will nicht mehr die „Schwere“ sein, sondern die Kluge. Oder die Dickköpfige. Die, die was erlebt. Und ich glaube: Wer stolz ist, der hat Ausstrahlung. Und die ist wertvoller als ein Model-Körper. Weil Geschmäcker ja auch verschieden sind. Was ich früher gehasst habe, mag ich jetzt. Dass ich mich weich anfühle! Dass ich einen runden Po habe! Es ist sehr wichtig, sich mit sich selbst anzufreunden, man kann ja nicht raus aus dem eigenen Körper. Solange man gesund ist, muss man das ja auch nicht. Bin ich schön? Keine Ahnung. Muss ich schön sein? Nein. Ich bin jedenfalls ich. Und wenn ich nicht irgendwann damit aufgehört hätte, jemand anders sein zu wollen, dann wäre ich jetzt ein sehr unglücklicher Mensch in sehr grauer Kleidung mit hängenden Mundwinkeln. Keine gute Alternative!
Rabea:
Ich mag meinen Körper, weil er so viel kann. Ich kann ziemlich lange auf meinen Händen gehen und Spagat und außerdem bin ich eine gute Läuferin. Wenn mir also wieder jemand unterstellt, ich sei magersüchtig, dann versuche ich erst gar nicht mehr, mich zu verteidigen. Als Kind habe ich mal eine Woche lang jeden Tag heimlich eine ganze Packung Eis gegessen, weil ich gehofft habe, ich würde dann Brüste bekommen oder einen Hintern. Es passierte aber nichts. Das ist bis heute so. Ich bin flach wie ein Brett, trage nicht einmal ein A-Körbchen. Als ich mich neulich ein wenig verliebt hatte, da erzählte mir jemand, der Auserwählte hätte gesagt, ich sei ihm viel zu männlich, er bräuchte was zum „Anpacken“. Das tat natürlich weh, aber ich kann nichts daran ändern, dass ich bin wie ich bin. Und der Mann kann nichts für seinen Geschmack, also wird das wohl nichts mit uns. Richtig sauer werde ich eigentlich nur im Büro. Da wird man gern mal als „die Zarte, der man nichts zutrauen kann“ verbucht, wenn man sehr dünn ist. Ich muss mich gefühlt immer doppelt anstrengen, um ernst genommen zu werden. Eine Zeit lang habe ich Push Ups getragen und versucht, mir mit Gürteln eine Taille zu mogeln, aber damit habe ich mich irgendwie selbst verraten. Eines Tages hat es klick gemacht und seither versuche ich nicht mehr betont weiblich auszusehen, sondern einfach das zu tragen, was mir gefällt. Auch mal Herrenschuhe oder Bundfaltenhosen. Vermutlich habe ich mich einfach an all die Vorurteile gewöhnt. Oder verstanden, wie blöd manche Menschen sind und dass das nicht mein Problem ist, sondern ihres. Trotzdem habe ich viele Freundinnen, die oft Sachen sagen wie: „Ich wäre so gern so dünn wie du, da kann man alles tragen und sieht super aus!“ Ich verstehe, dass es aufgrund des Schönheitsideals bestimmt „leichter“ ist, zu dünn zu sein. Aber eben auch nicht immer superklassetoll. Viele Kleidungsstücke sehen an mir aus wie traurige Säcke und besonders viel hinterher geschaut wird mir auch nicht, auch wenn das das keine Rolle spielen sollte. Was ich sagen will: Das Gras scheint woanders immer grüner zu sein. In Wahrheit wären wir aber vermutlich immer ein bisschen unzufrieden, ganz egal welchen Körper wir hätten. Das liegt irgendwie in unserer Natur. Ich versuche ganz aktiv dagegen anzukommen und mich selbst zu finden, statt nach rechts und links zu schauen.
Bilder via allwomenproject.com
Léa:
Vielleicht habe ich es noch gar nicht schafft, mich so zu akzeptieren wie ich bin, aber ich arbeite jeden Tag daran. Das klappt mal besser und mal schlechter. Nach meiner Schwangerschaft wurde mein Körper ein anderer. Zwar habe ich viele Kilos wieder verloren, aber die überschüssige Haut werde ich nicht los und auch der Bauch ist sehr, sehr dellig. Deshalb kostet mich ein See-Besuch viel Überwindung, weil ich mich permanent vergleiche und denke: Würde mein Mann nicht gern mal wieder einen straffen Körper berühren? Ich denke, diese Sorgen kann mir niemand nehmen, aber ich kann lernen, mit ihnen umzugehen. Das schafft man, glaube ich, am besten durch Dankbarkeit. Mein Körper hat Zwillinge auf die Welt gebracht und schon so einiges erlebt. Er trägt mich jeden Tag, er ist gesund, ich kann mich bewegen und rennen und springen. Das scheint vielen von uns viel zu selbstverständlich zu sein. Aber immer wenn ich eine Grippe hatte oder so etwas Banales wie eine Blasenentzündung, wünsche ich mir nichts mehr als einen funktionierenden Körper. Hab ich den dann zurück, dauert es nur zwei Tage und ich meckere von vorn los. Ja, spinne ich denn? Auf jeden Fall. Ich weiß das, ich muss es nur noch besser in mir aufnehmen. Das Gefühl von „Das bin ich, danke dafür“. Sind vermeintlich makellose Menschen glücklicher? Nein, sie sind einfach Menschen, so wie wir alle. Jeder trägt ein Päckchen mit sich herum. Wenn meines nur dieser etwas wabbelige Körper ist – bittesehr. Sich selbst, zumindest oberflächlich betrachtet, nicht allzu ernst zu nehmen, klingt erstrebenswert, aber wenn man jeden Tag mit sich verbringt, wie soll das gehen? Ich bewundere alle, die das können. Ich kann es, wie gesagt, nur selten. Aber diese Phasen halten immer länger an. Glück im Leben, das hilft. Da erscheint einem alles andere auf eine gesunde Art und Weise sehr nichtig. Vielleicht sollten wir also aufhören, an unseren Körpern zu feilen und stattdessen viel mehr Fokus auf alles andere legen, das zu einem schönen Leben dazu gehört.
Kübra:
Ich habe gelernt, mich zu akzeptieren, weil andere mich akzeptieren. Als Frau. Vor fünf Jahren habe ich mich gegen das Tragen eines Kopftuches entschieden und auch meine Arme und Beine zeige ich inzwischen. Ich bekam, auch aus anderen Gründen, psychologische Unterstützung bei diesem Weg, weil mich die Blicke anfangs überforderten. Ich werde zwar fast jeden Tag wie viele andere Frauen, Opfer von Sexismus oder blöden Sprüchen, aber meine Freiheit wiegt schwerer. Dafür ertrage ich den oft fehlenden Respekt so lange es sein muss. Wenn mich meine Schwester heute fragt, ob ich meinen Körper gern zeige, sage ich „ja“. Dabei habe ich einen durchschnittlichen Körper, der weder dick noch dünn ist. Ich mag nicht alles an ihm. Zum Beispiel die Winkearme. Aber wenn ich den Wind spüre, der beim Radfahren die Härchen nach oben stellt, erinnere mich immer an früher zurück, wo ich mir ein bisschen Wind und Sonne unter den langen Kleidern so sehr gewünscht habe. Was mir also hilft, ist mein Privileg anzuerkennen. Das stellt vieles in den Schatten. Ich freue mich dann einfach. Stelle ich mich nackt vor den Spiegel, sieht das schon ganz anders aus. Dann bemerke ich ja, dass ich nicht so aussehe wie die Frauen in den Magazinen. Aber will ich eine der Frauen in den Magazinen sein? Irgendwie ja auch nicht. Lieber bin ich ich und dazu gehört zum Beispiel auch eine lange Narbe an meinem Schienbein und ein Muttermal am Hals. Neulich habe ich gelernt, dass „normal“ ein blödes Wort ist, weil das bedeutet, dass andere Sachen „unnormal“ sind. Ich finde aber trotzdem, dass solche Makel stinknormal sind. Und irgendwie cool. Wie Wiedererkennungsmerkmale. Vielleicht ist normal ja doch falsch. Sagen wir lieber: Besonders. Ich bin besonders, weil niemand sonst auf der Welt so aussieht wie ich.