Ich wollte die Hochzeit von Meghan Markle und Prinz Harry nicht gucken. Wirklich nicht. Ich wollte mich nicht mal dafür interessieren. Diskussionen darüber, welches Kleid „die Meghan“ wohl tragen würde, rauschten an mir vorbei, das mit der Hochzeit verbundene Family-Drama ignorierte ich, genauso wie all jene Artikel, die die Highlights der royalen Hochzeiten in den letzten Jahrzehnten oder ähnliches versammelten. Ich hatte nicht eine Sekunde vor, die Übertragung im Fernsehen zu gucken und saß stattdessen lieber Burrito-essend mit meiner Schwester in der Sonne.
Aber dann. Schalteten meine Schwester und ich eben doch gegen 14 Uhr den Fernseher an, weil, ein bisschen über das royale Happening informiert sein, kann ja nicht schaden. Was soll ich sagen: Ich war gerührt und meine Schwester sogar dermaßen angefixt, dass sie sich im Anschluss an die Übertragung noch den Lifetime-Spielfilm Harry and Meghan: A Royal Romance anschaute („Ich hab jetzt den Eindruck, ich wüsste alles über die beiden!“). Ich kann mir das selbst alles nicht erklären. Ich bin weder Royalistin, noch wusste ich bis vor ein paar Monaten, wer Meghan Markle ist, noch träume ich selbst davon, einen Prinzen zu heiraten und die Queen als Schwiegermutter zu haben. Für William und Kates Hochzeit konnte ich 2011 keinen Funken Interesse aufbringen. Und doch. Meghan und Harry: Irgendwie war das alles einfach schön.
Black culture im Gottesdienst
Natürlich, ein paar Dinge fand ich nicht nur nicht schön, ich fand sie sogar ziemlich furchtbar: Dass Prince Charles Meghan Markle das letzte Stück des Weges zum Altar führte, war ja rührend (überhaupt bin ich Charles-Fan) – aber wenn schon irgendwer sie zum Altar führen musste (den Großteil der Strecke schaffte Meghan doch sehr gut alleine), warum dann nicht direkt ihre Mutter? Und Herzogin sein schön und gut – aber können wir kurz darüber sprechen, dass Meghan Markle ihre komplette Karriere (Schauspielerei, ein eigenes Online-Magazin) an den Nagel hängen musste, um in die Royal Family aufgenommen werden zu können? Auch schwer erträglich: Die latent rassistische Berichterstattung über die Hochzeit bei den Öffentlich-Rechtlichen und RTL. Als Frauke Ludowig und Co von einem „Element“ aus Meghan Markels „Kultur“ sprachen, sagte meine Schwester nur: „Hoffentlich meinen die mit ‚Element‘ keinen Menschen.“ Ja, hoffentlich.
Trotz alledem: Es gab auch jede Menge Dinge, über die man sich freuen konnte, Dinge, die diese Hochzeit im Vergleich mit anderen royalen Vermählungszeremonien eben doch weit über den Durchschnitt hoben. Zum Beispiel die Art und Weise, wie afroamerikanische Kultur in den Gottesdienst integriert wurde. Meghan Markle hat einen weißen Vater und eine afroamerikanische Mutter, was ihr im Vorfeld der Trauung Hass und rassistische Beschimpfungen einbrachte. Im Gottesdienst stand black culture ganz selbstverständlich und gleichberechtigt neben der royal culture: Der schwarze Bischof Michael Curry hielt eine mitreißende Predigt, ein Gospelchor sang und Sheku Kanneh-Mason spielte Cello – er wurde 2016 als erster Schwarzer von der BBC zum Young Musician of the Year gekürt.
Schritte in die richtige Richtung
Wer mich außerdem noch beeindruckt hat: Die bereits erwähnte Mutter Meghan Markles, Doria Ragland. Eine Frau, die aushalten musste, wie ihre Stiefkinder in den Medien über sie und ihre Tochter herzogen, deren Ex-Mann noch wenige Tage vor der Hochzeit ein mehr als erratisches Verhalten an den Tag legte, die ganz alleine an der Hochzeitszeremonie in einem traditionell weiß geprägten Raum (kulturell und historisch gesehen) teilnahm – und sich nie anders als selbstbewusst und würdevoll verhielt.
Kleine Auszeit
Meghans Kleid, Harrys Lippenbeißer: Das alles ist nett, aber letztendlich egal. Mir zumindest. Was mir hingegen nicht egal war: Dass die #RoyalWedding ein so nahezu durchgängig positives Ereignis war (Ausnahmen siehe oben). Ein Ereignis, das zumindest für einige Stunden vergessen ließ, dass die britische Monarchie sich in naher Zukunft genauso aus der Europäischen Union verabschieden wird, wie Großbritannien generell (Hallo, Brexit!). Die #RoyalWedding ließ mich auch die typischen Trump-Tweets auf Twitter irgendwie besser ertragen (Gute Besserung, Melania!) – gegen den immer wiederkehrenden und leider so alltäglichen Amok-Horror in den USA allerdings kamen selbst Meghan und Harry nicht an.
Was ich sagen will: Ja, die Hochzeit ist, im großen Schema der Dinge und überhaupt, total unwichtig. Irgendeine Schauspielerin hat irgendeinen Prinzen geheiratet. Und natürlich fände ich es besser, wenn Menschen sich mehr für Dinge wie Waffengesetze, Armut, Umweltschutz und andere wichtige Themen interessieren würden. Trotzdem darf man sich über royale die Hochzeit freuen, darf man Anteil nehmen, für ein paar Stunden den Rest ausblenden. Schlechte Nachrichten gibt es schließlich auch 2018 schon genug.
P.S.: Was allerdings am Hochzeitskommentar vom ZDF schief lief, lest ihr hier.