Meine Schwestern sind 19 und 16 Jahre jung und damit zwar kleiner als ich, aber immer wieder auch klüger. Erst neulich ist mir wieder bewusst geworden, wie wichtig junge Stimmen sind und wie unabdingbar es ist, auch jenen zuzuhören, die vermeintlich noch nicht allzu viel vom Leben verstehen. Stimmt nämlich gar nicht, ganz im Gegenteil. Vor ein paar Wochen staunte ich zum Beispiel nicht schlecht, als ich auf dem Schreibtisch meiner jüngsten Schwester die feministische Bibel „Stand Up“ von unserer Autorin Julia Korbik liegen sah, aber nicht einfach so, sondern gespickt mit mehr als hundert bunten Post-Its. Mir war bis dato überhaupt nicht gewusst gewesen, dass sich nicht nur meine Mutter seit jeher als Feministin bezeichnet, sondern quasi auch alle anderen, mit denen ich dort drüben auf dem Land groß geworden bin. Umso tiefer saß der Schock über die Erkenntnis, dass ich mich offenbar jahrelang in Ignoranz der Meinungen meiner Schwestern gegenüber geübt hatte. Dabei stecken beide bis über beide Ohren tief drin in all den den Themen, die jede von uns berühren: Body Neutralism vs. Body Positivity, der Pride Month, Alltagssexismus, Rassismus, frauenfeindlicher Hip Hop und so weiter und so fort. Welche Medien die beiden eigentlich konsumieren würden, um am Ball und auch im Diskurs zu bleiben, fragte ich schließlich. Und da hörte ich zum allerersten Mal vom Instagram Format @Maedelsabend, das vor wenigen Tagen sogar mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet wurde.
Beim ersten Anblick des Feeds regte sich erst einmal nicht viel in mir. Normalerweise werden wir in den Sozialen Medien schließlich mit allerlei ästhetisch aufbereiteten Bildern erschlagen. Hier aber geht es beinahe ausschließlich um guten und klugen Content und zwar in Form von monothematisch aufbereiteten Instagram-Stories. Schande über mein Haupt also – und Zeit, sich endlich wieder eine große Portion Oberflächlichkeit abzugewöhnen. Dieser Ableger des WDRs scheint nämlich tatsächlich zutiefst benötigte Aufklärungsarbeit zu leisten, von der auch das etwas ältere Gemüse (also wir) ganz bestimmt noch ein Stückchen weiser werden könnten. Tabus gibt es glücklicherweise keine: Beinbehaarung, Selbstbestimmung, PMS, Depression – hier wird über alles geredet, was nunmal zum echten Leben dazugehört.
Aber warum eigentlich „Madelsabend“ – ist das nicht ein Funken zu viel Klischee für eine derart wichtige Botschaft? Das fragten sich offenbar auch unsere Kolleginnen von Edition F (hier entlang gehts zum gesamten Interview), die allerdings nicht lange auf eine Erklärung warten mussten:
„Für uns ist ein Mädelsabend etwas sehr intimes, ein geschützter Raum, in dem wir mit Freundinnen und Freunden über Themen sprechen, die uns bewegen, die uns wichtig und vielleicht sogar manchmal ein bisschen peinlich sind. Und genau so einen Raum wollen wir auch bei Instagram mit unserer Community schaffen. Wir wollen zeigen, dass ein Mädelsabend mehr als rosa, Glitzer und ,wir lackieren uns zusammen die Fingernägel‛ ist – wobei das natürlich auch völlig okay wäre.“
Besonders zu schätzen gelernt habe ich binnen der vergangenen Wochen übrigens die kompakten Interviews, mit denen durch jede einzelne Themenwoche geführt wird. Das Gespräch mit Morgan ist mir nach unserem Plädoyer für mehr weibliche Körperbehaarung in bester Erinnerung geblieben, aber auch das aktuelle Thema, nämlich Sexismus im Deutschrap ist eines, das dringend erwähnt gehört. Rapperin Sookee jedenfalls meint: Rap muss nicht sexistisch bleiben, denn Kultur ist und bleibt veränderbar.