Es ist ein bisschen so, als würde genau dieser einen Sache auf der Welt, die man am meisten fürchtet, ein gigantisch fetter Arsch wachsen und mit diesem fetten Arsch würde sich diese grausige Sache dann mitten auf dein Gesicht setzen, so fest, dass ein Vakuum entstünde bis kein Luftholen mehr möglich ist. Kennen wir ja alle irgendwie, das Gefühl, das zwar deutlich spürbar, aber zum Glück auch ein bisschen eingebildet ist. Der Körper hört gewiss nicht mir nichts, dir nicht auf zu atmen, auch wenn das zu glauben hin und wieder schwer fällt. Genau wie die Tatsache, dass das Leben sich nicht einfach so lumpen lässt und sowieso immer wieder ganz goldig werden kann, selbst wenn es gelegentlich ordentlich nach Scheiße riecht und manchmal auch noch mehr als das.
Meines jedenfalls sah neulich sogar nach dem größten Scheißhaufen aus, den ich je vor Augen hatte. Fest davon überzeugt, dass kein Besen je robust genug sein würde, ein derartiges Mordsding fort zu kehren, ging ich schließlich in die Waagerechte um gebührend zu leiden – mit der Aussicht darauf, auf Ewig gelähmt und gebeutelt den leuchtenden Stunden meiner einst so sorglosen Existenz hinterher zu trauern. Ich war auf alles gefasst. Nur nicht darauf, dass nach ganz unten kein noch tiefer unten kommen sollte, sondern ein besser. Ein viel besser.
Es war Mitternacht als ich genau das kapierte. Als ich in Trauer und Tragik gehüllt auf dem Fahrrad durch den Regen fuhr, Rio Reiser auf den Ohren und in Richtung zuhause unterwegs, wo niemand mehr auf mich wartete. Fick doch mein ganzes verdammtes Leben, dachte ich noch, ohnehin permanent in Sorge vor dem Alleinsein ersaufend, als mich der Seitenspiegel eines pervers aufgemotzten Sportwagens wie ein Schlag am Arm traf.
„Du Hure, pass doch auf“ spuckte jemand beinahe zeitgleich aus dem herunter gekurbelten Fenster vor meine Füße. Da war ich erneut ganz kurz davon überzeugt, es sei jetzt endgültig vorbei mit meinem Leben. Und ich mausetot. War ich aber nicht. Stattdessen pumpte mein Puls mir ein fast vergessenes Gefühl in Venen und Herz und Hirn: Ich war nicht mehr scheißtraurig, sondern endlich scheißsauer.
Auf den Hundesohn, der mich eine Hure genannt hatte, auf den größten Hundesohn von allen, der ganz andere Sachen gesagt und gemacht hatte, viel früher schon, aber vor allem auf mich selbst, weil die Schuld stets nur teilweise andere trifft. Weil ich beinahe kapituliert hätte vor einem Opferstatus, der wirklich niemandem gut zu Gesicht steht. Also weg damit.
Und genau in dem Moment, in dem wir selbstverständlich der festen Überzeugung sind, es gäbe rein gar nichts, was je wirksam genug gegen all das sein könnte, müssen wir uns zwangsläufig fragen, ob nicht vielmehr wir allein die einzigen Wundermittel gegen emotionalen Schlonz und tiefsitzende Scheiße mit oder in uns herum tragen. Nein, dass es eigentlich überhaupt gar keines wahnsinnigen Wunders bedarf, sondern ausschließlich einer gesunden Portion Verstand – um zu begreifen, dass wir uns etwas wert sein müssen. Dass wir uns dagegen entscheiden müssen. Gegen den Arsch, der da gefühlt auf uns hockt. Gegen alles, was uns kaputt macht.
Hierzu ist nicht einmal unbändiger Optimismus vonnöten, der kommt nämlich von ganz allein, sobald wir einsehen, dass kein Mensch dieser Erde das Recht besitzen sollte, irgendjemanden dazu zu treiben, das schöne wilde Leben zu verpassen. Davon gibt es nämlich nur eines. Potenzielle Deckel und Töpfe und Chancen und Wege hingegen gehen in die Millionen oder Milliarden. Wir haben also wieder die Wahl. Untergehen oder Emporsteigen wie Phoenix aus der Asche, um die Kontrolle, die wir möglicherweise allzu fahrlässig und hoffnungsvoll abgegeben hatten, wieder an uns zu reißen. Um wieder anzukommen bei uns selbst. Uns zu genügen. Und zu verheilen. Damit wir bald wieder auf dem Fahrrad mitsingen, statt im Taxi zu weinen, ganz selig von der Erkenntnis, dass dieser eine Weltuntergang schon wieder gar kein Weltuntergang war. Sondern einfach nur ein Neuanfang.