Hier kommt die nächste Ausgabe unserer fast neuen Interview-Reihe 5 Frauen. Heute fragen wir: Warum habt ihr Instagram gelöscht? Das gleiche wollen wir natürlich auch von euch wissen, oder: Denkt ihr zumindest manchmal darüber nach, dem Ganzen den Rücken zu kehren? Das machen wir wahrscheinlich nämlich alle hin und wieder. Hier sind also Fünf, die es geschafft haben:
Kristin, 27
Vor einem halben Jahr habe ich Instagram Lebewohl gesagt, weil es mich krank gemacht hat. Als Teenager hatte ich permanent Probleme mit meinem Gewicht. Als das Becken kam und die Brüste größer wurden. Ich wollte einfach, dass mein Körper genauso bleibt, wie er ist. Was dazu führte, dass ich immer absurdere Diäten hielt. Zwar war ich nie untergewichtig, aber trotzdem krank. Weil niemand wirklich mitbekam, dass ich mal zwei Wochen lang ausschließlich Milch und Brötchen, mal nur Brühe oder auch nur Ungekochtes aß, und ich bei alldem nie viel Gewicht verloren habe, blieb diese Form der zwanghaften Essstörung lange unentdeckt. Nach eineinhalb Jahren Therapie fing ich schließlich wieder an, ein gesundes Verhältnis zu Mahlzeiten aufzubauen. Bis Instagram kam und gefühlt jede Frau, der ich da folgte, viel makelloser ausschaute als ich selbst. Und vor allem: Dünner. Abends vor dem Einschlafen habe ich mich regelrecht darin verloren, Bikini- und Urlaubsbilder großer Influencer durchzuscrollen. Wenn ich das Handy weglegte, ging es mir jedes Mal schlecht. So schlecht, dass ich schon beim Aufwachen am nächsten Morgen Panik vor meinem Kleiderschrank bekam und nicht aufhören konnte, nach einem Schönheitsideal zu lechzen, das rein gar nichts mit mir zu tun hatte. Ich habe es nie geschafft, den richtigen Menschen zu folgen, es war ein bisschen so, als wäre ich süchtig danach gewesen, mich fertig zu machen. Durch Bilder, die hundert Filter gezogen wurde, durch Leute, die Geld mit ihrem Aussehen verdienen. Ich mache der Branche dennoch keinen Vorwurf. Eine meiner Bekannten ist selbst eine von denen, die ich so lange angehimmelt habe und sie isst, was auch immer sie viel – ohne ein Gramm zuzunehmen. Ich freue mich, dass sie Erfolg mit dem hat, was sie tut. Es ist nur nichts (mehr) für mich. Menschen sind verschieden. Deshalb habe ich mich gegen jeden Instagram-Konsum entschieden. Seitdem geht es mir so viel besser, dass ich auch nicht vorhabe, zurückzukommen. Ob ich etwas verpasse? Aber ja. Fomo. Das ist jetzt nämlich auch kein Thema mehr für mich.
Laura, 30
Ich liebe meine kleine Familie. Wir sind zu viert. Und eigentlich meine ich auch, dass alles so rund bei uns läuft, wie es nunmal laufen kann, wenn das wilde Leben mitmischt. Irgendwann saßen wir im Urlaub in einem Restaurant, die beiden Kleinen mutierten zu Teufeln und mein Freund ging mir so sehr auf die Nerven, dass ich ihm am liebsten ein Rückflugticket zum Dessert serviert hätte. Da bekam ich einen regelrechten Heulkrampf und lief eine Runde um den Block. Ich konnte nicht aufhören, mich zu fragen, was ich falsch mache. Alle anderen Kindern schienen schließlich auch ganz brav am Tisch zu sitzen, jedenfalls behauptete das Instagram. Das war dann wohl der Anfang einer Gedankenspirale, aus der ich irgendwann nicht mehr heraus fand. Mein Urlaub sah nicht so schön aus wie die Urlaube der anderen. Das Meer war nicht so blau. Die Tage nicht so spannend. Und wir nicht so verliebt. Trotzdem wollte ich, dass die anderen denken, bei uns sei auch alles bilderbuchverdächtig. Deshalb fragte ich meinen Freund permanent, ob er nicht hier ein Foto von mir knipsen könnte oder dort. Bis ich ihn eines Nachmittags anschrie, wie dämlich er sei und dass es ja wohl nicht sein könne, dass er es nicht schafft, ein einziges hübsches Bild von mir zu machen. Streit wegen Instagram. Wegen des blöden Scheins. Da verlor auch er die Nerven und verfluchte mein Handy hundertfach. Und zwar völlig zu Recht. Statt wirklich was zu erleben, war ich bloß noch in Sorge darüber, ob es denn nun auch so aussähe, als erlebten wir was. Als wir abends bei Wein und Baguette zusammen saßen, die Kinder längst lieb schlummernd, fand ich Gott sei Dank zu meinem Humor zurück. Wir mussten laut lachen, über mich. Und entschieden, dass ich offenbar nicht Social Media geeignet bin. In dieser Nacht löschte ich Instagram. Das ist jetzt zwei Monate her. Inzwischen ist mir endlich auch egal, dass unsere Wohnung nicht mit Designerstücken voll steht, sondern meistens im Chaos versinkt. Sieht ja jetzt niemand mehr außer unserer engsten Freunde. Und die fühlen sich pudelwohl zwischen Legos und Pizza.
Charly, 26
Ich habe Instagram gelöscht, weil ich meine Lebenszeit dort verplempert habe. Man muss sich das so vorstellen: Ab in die Ubahn, Instagram statt Buch. Ab in die Bib, Instagram statt Bücher. Ab zum Mädelsabend, Instagram statt Gespräche. Ab zum Konzert, Instagram statt Emotionen. Ab ins Bett, Instagram statt schöne Träume. Natürlich ist das eine überspitzte Darstellung der Sachlage, aber zumindest hat es sich genau so angefühlt, irgendwann. Wenn ich nach Hause kam und eigentlich aufräumen wollte, mich stattdessen aber „nur kurz“ aufs Sofa gesetzt habe und dann waren plötzlich zwei Stunden vergangenen und zwar im Nullkommanichts. Das ist doch schrecklich. Für viele aber glaube ich Realität. Das kann man natürlich so machen, aber so richtig sinnvoll ist das ja nicht. Man wird träge vom Bildschirmglotzen, unkreativ und ein richtiger Hänger. Jedenfalls wenn man kein Ende findet, so wie ich. Seit ich nicht mehr bei Instagram unterwegs bin, male ich wieder Bilder und neulich habe ich es sogar geschafft, einen Kuchen für einen Geburtstag zu backen. Ja, echt. Nicht, dass das etwas Besonderes wäre, aber für mich ist dieses Tätigwerden statt Faulsein ein neues Gefühl, das irgendwann von dem ganzen Social Media Kram aufgefressen wurde. Die Persönlichkeiten, die mich wirklich inspirieren, schaue ich mir trotzdem noch an, aber viel dosierter und bewusster. Alle paar Tage auf dem Laptop statt auf dem Handy. So kriege ich das Gute noch mit, kann Inspiration daraus ziehen und diese Inspiration dann tatsächlich in etwas umwandeln, statt mich nur beschallen zu lassen. Eine gute Entscheidung war das. Auch, weil ich nun selbst nicht mehr stundenlang darüber grüble, welches geile Zitat ich als nächstes posten könnte.
Leah, 29
Ich habe Instagram für meine Beziehung gelöscht. Jetzt wo ich darüber spreche, kommt mir die ganze Geschichte noch bescheuerter vor, das könnt ihr mir glauben. Aber während einer Krise habe ich mich so sehr in die Vorstellung hinein gesteigert, Instagram sei das neue Tinder, dass ich wie ein Luchs darauf geachtet habe, wie vielen Personen mein Partner dort folgt. Kam eine Frau hinzu, ging das Kopfkino los und auch die Vorwürfe und Fragen. Wer ist das? Woher kennst du sie? Hast du sie schonmal getroffen? Gar kennengelernt? Warum folgst du ihr? Machen dich ihre Bilder an? Richtig bescheuerter Gehirnbrei, gegen den ich trotzdem machtlos war. Ich bin ja nicht blöd – mir war schon klar, dass das alles sehr irrational zuging und ein bisschen ins Krankhafte abrutschte, kapiert habe ich es trotzdem erst später. Irgendwann war mein Partner nach einer kleinen Eskalation wegen einer Verlinkung auf Instagram so böse auf mich, dass er seinen Instagram Kanal deaktiviert hat – einfach, weil er keinen Bock mehr auf Stress mit mir hatte. Auf, ja, Psychoterror. Das war der Moment, in dem ich realisiert habe, wie einnehmend und einengend ich mich da gerade aufführe und auch, dass ich ein Stück weit in sein Privatleben eingreife und ihm seine Freiheit nehme. Und sei es nur die Freiheit, sich anzuschauen, was er sich gerade anschauen möchte. Ich war abhängig von der Kontrolle. Dabei weiß ich eigentlich: Kontrollzwang frisst Beziehungen. Deshalb musste ich dringend lernen, loszulassen. Und zu vertrauen. Auch fernab von Instagram. Das Verzichten auf Instagram hatte deshalb etwas sehr Symbolisches. Ein Jahr lang bin ich jetzt abstinent und andere Frauen waren seither weiß Gott kein Thema mehr, weder im echten noch im digitalen Leben.
Käthe, 28
Ich war richtig Instagram-süchtig. Alles fing mit privaten Bildern an, hin und wieder. Mal eine Pizza, mal ein Eis, dann das Museum oder ein neuer Schuh. Alles in Maßen eben. Bis die Maßlosigkeit kam. Beinahe alles, was ich erlebte, musste in einem Foto festgehalten werden, alles, was ich kaufte, wurde gezeigt. Irgendwann auch nicht mehr einfach so, sondern gut durchdacht und inszeniert, so, wie die Großen das eben auch auf ihren Instagram-Kanälen machen. Irgendwann bei einem Wein hat meine beste Freundin plötzlich ausgeholt: „Käthe, du tust, als seist du Instagram-famous. Die Leute reden schon, bitte achte auf dich.“ Erst verstand ich nur Bahnhof. Denn: Sollen die Leute doch reden. Trotzdem lag der Satz mir im Magen. Ein paar Wochen später rief meine Schwester an, die schließlich Tacheles mit mir redete: „Das bist du nicht, lass das sein. Du bist doch lustig und klug, aber weißt du, wie dein Instagram Kanal aussieht? Als seist du eine blasierte Kuh.“ Poah. Auch das saß. Zum Glück. Zum ersten Mal schaute ich mir die 327 Bilder, die ich in letzter Zeit gepostet hatte, mit Verstand an. Und plötzlich ekelte ich mich vor der Person, die ich da zu sein versuchte.
Die protzte und nicht mehr in die Kamera lachte, sondern die Nase gen Himmel hob, weil „man das eben so macht“. Die posierte, statt den Moment mitzunehmen. Die sich aufführte, als sei sie jemand. Nein, Moment. Ich bin ja jemand. Aber ich. Und kein Abziehbild. Ich mochte selbst nicht, was ich da sah, ein bisschen war ich mir sogar selbst peinlich. Trotzdem habe ich Instagram nicht gelöscht. Aber hunderte von Bildern. Jetzt ist mein Profil auf privat gestellt und ich poste nur noch filterlos und nicht mich, sondern vor allem den Himmel. Balkone. Und kleine Momentaufnahmen, die kein bisschen gestellt sind.