Erst neulich habe ich mich darüber gewundert, wie weit verbreitet noch heute die Ansicht zu sein scheint, Frauen und Männer könnten keine aufrichtigen Freundschaften untereinander und miteinander pflegen, denn Heidernei, einer von beiden wolle ja schließlich immer ein bisschen fummeln, oder, noch schlimmer, heimlich heiraten, irgendwann. Das platonische Abhängen von Eiern und Brüsten auf einem Haufen, auf einem Sofa, Konzert oder Balkon gilt nicht selten als hypernaive Illusion – ganz egal wie angezogen die Beteiligten dabei auch sein mögen. Das weiß ich eigentlich schon seit immer. Weil ich seit immer Freunde habe, die sich selbst als Männer bezeichnen und mich als Frau und weil da schon immer welche waren, die genau diesen Umstand nicht kapieren wollten oder konnten. Getreu dem Motto: Küsst euch doch mal.
Jetzt bin ich 30 und man könnte meinen, die Dinge hätten sich geändert, weil erwachsen. Ist aber nicht so. Besonders deutlich wird das, seit ich in den Augen jener, die es nicht besser wissen können und denen ich auch nicht verraten werde, ob das nun stimmt oder nicht, als Single bezeichnet werde. Single! Noch so ein Stigma, besonders ü30. Die gelten ja oft als gefährlich oder bemitleidenswert, obwohl beide Ressentiments in den allermeisten Fällen nichts als fade Vorurteile sind. Aber zurück zum eigentlichen Thema. Ich habe nämlich recht viele männliche Freunde, aber keinerlei Ambitionen. Und wäre ich ein bisschen selbstgefälliger, wäre ich längst müde geworden, diese Natur der Freundschaft, die eigentlich kein Geschlecht kennen sollte, permanent zu erklären. Trotzdem mache ich genau das immer wieder – Für diese Freundschaften und auch aus Respekt. Gegenüber anderen Beteiligten zum Beispiel.
Am Wochenende etwa, da lag ich mit meinem besten Freund hier in Berlin, den ich seit der Schulzeit kenne, im Park, wir lasen zwei Bücher wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten, eines über Ufos und eines über Existenzialismus, und ließen uns faul die Sonne auf die Plauzen scheinen. Ein kleines, nichtssagendes Foto habe ich davon geschossen, ohne Körperkontakt oder Zärtlichkeiten, die wir ja gar nicht austauschen, und trotzdem munkelte man: Da geht doch was. Mir war das so egal wie so ziemlich alles, was ich über Dritte oder Vierte erfahre, aber nicht egal war mir, was wohl seine echte feste Freundin, die außerdem auch eine meiner Freundinnen ist, nun von derartigen Gerüchten halten mag. Gar nichts, wie ich erfreut feststellte. Bloß weiß ich, dass das nicht unbedingt die Regel sein muss. Weil ich ja auch selbst schonmal feste Freunde hatte, die regelmäßig wundervolle andere Frauen auf ein freundschaftliches Stück Kuchen trafen oder zum Quatschen. Aber egal wie sehr ich mein Hirn auch anzustrengen versuchte, ein wenig Skepsis schwang da hin und wieder schon mit. Aus Unsicherheit, na klar. Aber auch die kennen wir ja alle. Eine dieser Freundinnen hat es mir nämlich besonders schwer gemacht. Eine Ex-Freundin war das sogar. Die hielt nicht viel von mir, was sie höflich verschwieg, aber dennoch deutlich zeigte; die Besitzansprüche quollen ihr beinahe zu den Ohren heraus und manchmal krochen sie auch durch ihre Finger ins Mobiltelefon und kamen als kryptische Nachrichten wieder heraus. Das tat weh. Geholfen hätte wohl nur ein gemeinsames Stück Kuchen und ein Schnaps hinterher, aber dazu sollte es niemals kommen. Was ich aber aus dieser Misskommunikation gelernt habe:
Ich möchte es allen Frauen in meiner Umgebung, die irgendwie über Männer (oder auch über Frauen!) mit mir verbandelt sind, fortan so leicht wie möglich machen, keine Angst vor mir zu haben, mich nicht blöd finden zu müssen. Und ich glaube, wenn wir uns alle ein wenig in dieser eigentlich recht einfachen Disziplin des Miteinanders üben würden, gäbe es einige Tränen und Verdrießlichkeiten und sogar Beziehungskrisen weniger. Ist doch aber nicht unser Bier, denkt ihr jetzt vielleicht, sondern eine partnerschaftsinterne Angelegenheit, gegen sowas hilft doch Vertrauen! Und das stimmt ja auch. Aber trotzdem können wir durchaus ein bisschen nachhelfen, damit es allen so gut wie möglich innerhalb dieser manchmal komplizierten Beziehungskisten geht. Auch, weil wir uns gelegentlich ganz bestimmt selbst einen kleinen Schubser in die richtige Richtung wünschen würden oder offene Arme oder Verständnis und weil wir im Prinzip ohnehin alle im selben Boot sitzen, manchmal eben auf der einen und ein anderes Mal auf der anderen Seite. In der Praxis bedeutet das Folgendes:
Wenn einer meiner besten Freunde mir mit leuchtenden Augen von seiner neuen Liebe erzählt, dann frage ich recht schnell nach einem gemeinsamen Ausflug oder Essen, zum Beschnuppern, am besten mit vielen anderen netten Menschen im Gepäck. Auch aus Neugierde und wegen der Freude über diese Nachricht und diesen neuen Menschen, den ich im besten Fall ja fortan häufiger zu Gesicht bekommen werde. Aber vor allem, um deutlich zu machen: Guck mal, wir sind echt Homies, keine Sorge. Und ich freue mich für euch und darüber, dass es dich gibt. Das kann man auch anders zeigen, natürlich. Indem man zum Beispiel auch in Nachrichten hin und wieder daran denkt, die neue Partnerin oder den neuen Partner einzubeziehen oder liebe Grüße auszurichten. Indem man aufrichtig gemeinte Komplimente macht oder sich auch mal verschwestert, wenn es angebracht und ehrlich erscheint. Präventiv-Arbeit nennt man das wohl und vielleicht klingt es bescheuert, aber aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass das gut gegen Bauchweh hilft, auf allen Seiten. So muss weder die neue Liebe sich besorgt grämen, wenn sie mal nicht mit von der Partie ist und ich muss nicht um meinen Kumpel bangen, der mir schrecklich fehlen würde, würde sich jemand querstellen vor lauter Panik. Kann ja wirklich passieren, jedenfalls hörte ich schon mehrmals von solch tragischen Situationen, in denen der Verstand schonmal zu kurz kommt. Im Grunde ist das hier also nicht weniger und nicht mehr als ein kleines Plädoyer für mehr Verständnis und Einfühlungsvermögen und sogar Inklusion, egal ob wir uns gerade nun in der Position der neuen Freundin, der Ex-Freundin oder der besten Freundin befinden.
Denn irgendwo im Dreieck dieser sehr individuellen Konstellationen steht schließlich immer nur ein anderer Mensch mit Gefühlen, eine Frau, die vorbehaltlos erstmal eines verdient hat: Respekt und ein wenig Support. Wenn das alles schief geht, kann man sich noch immer abwenden und mit dem Satz verbleiben: Vertan sagte der Hahn und stieg von der Ente.