Mein Sommer verläuft ausgeglichen und stabil, – danke der Nachfrage – der Alltag, eine gefällige, gleichförmige Masse. Ein Seismograph ohne Ausschlag. Ein gut. Ein okay. Eine 3.
Abends ins Bett gehen, morgens aufstehen, Dinge erledigen, Emails, essen, kämmen, über die Hitze meckern, Waschmittel kaufen, Aperol mit soundso, einschlafen und immer so weiter. Als Comicfigur würde ich mir die Augenlider auf Halbmast malen und dazu ein Blumenkleid in Beige-Gelb tragen – Mund wagerecht mit um die 15 Grad Winkel nach oben. Zufrieden, das ist mein Sommer 2018. Dramafrei – blutleer?
Mein Puls gleicht jedenfalls konstant dem einer Rentnerin beim morgendlichen Bahnen durch die Schwimmhalle ziehend. Es passiert insgesamt nichts. Nirgendwo brennt es. Zugegeben: Zu viel potenzieller Action gehe ich aus dem Weg und die meiste Zeit verbringe ich vorsichtshalber lieber nur mit mir selbst und einem Buch – man weiß ja nie. Denn wo vor knapp zwei Jahren noch Exzesse, zerfetzte Herzen, Dramen, rast- und ruhelose Panik, Lust und Qual meine Tage und Nächte prägten, ist an heutiger Stelle nun oft die einzige quälende Frage – „wo bestelle ich Abendbrot?“ getreten.
Manchmal glorifiziere ich mein irres Leben an den Polen damals zu einem Hollywood Streifen: Eine bis zum Gehtnichtmehr romantisierte Dramödie mit allem drum und dran. Ich als die sexy, stets leicht traurige Antiheldin. FSK 18 gespielt von Emily Blunt oder sowas. Und heute? FSK 0 – Findet Nemo gespielt von Dori, nur mit weniger Witz und Spannung.
Aber ist das denn jetzt so furchtbar? Oder besser gefragt, können nicht auch mal ein paar heiße Monate mit nicht viel drin verschwendet ins Land ziehen? Eine ausgedehnte Lebens-Siesta? Und was heißt überhaupt „nicht viel“? In diesem Sommer habe ich zum Beispiel meine Oma wohl so oft gesehen, wie sonst in keinem anderen – ich habe das Gefühl, ich lerne sie langsam kennen – und zwar als Menschen, nicht nur als Großmutter – und auch zu meinem Vater habe ich das allererste Mal überhaupt eine Beziehung, und dazu noch eine entspannte. Das versetzt jetzt alles keine Berge – aber es ist auch das Gegenteil von Unglück.
Viel Neues lerne ich nicht kennen dieser Tage und so richtige Urlaubspläne stehen diese Saison außerdem auch nicht auf dem Programm, aber ich besuche regelmäßig irgendeinen See und danach trockne ich mich ab – und dann den Hund. Ich erinnere mich an Sommer, die ich von draußen gar nicht sah. Jetzt ist manchmal sogar ein Boot involviert.
Es gibt das erste Mal keine Schlacht zu schlagen. Das ist wohl das Schöne und Bemerkenswerte. Weder mit Dämonen, noch mit Personen, noch mit mir selbst. That’s fucking it. Meloneneis ja – aber dann ist auch schon wieder gut mit Aufregung. Es gibt Freunde und es gibt schöne Momente, es gibt mich und es reicht aus. Es ist ein bisschen wie damals in den Sommerferien, wenn man nicht weg fuhr – die Tage zogen sich wie Kaugummi. Es war nichts schlecht daran, alles war gut, die Sonne schien, Langeweile, Fahrrad, man lag den halben Tag im Freibad rum und ging dann irgendwann wieder nach Hause. Manchmal hatte man Pommes Schranke, manchmal Sonnenstich. Manchmal kam die beste Freundin mit, manchmal war sie in Italien.
Und wie ist das eigentlich bei euch mit dem Nichtstun? Erlaubt ihr euch das wie ab und zu eine ganze Tafel Schokolade? Mit schlechtem Gewissen oder als pure Selbstverständlichkeit? Ist das ein Gefühl, was zelebriert werden und ganz oben auf der Agenda stehen darf und soll? Kann man das überhaupt noch mir nichts dir nichts lernen? Ist das ein Zustand, der euch angenehm ist oder spielt da auf eurer linken Schulter auch manchmal ein Fomo-Orchester mit der Aufforderung das Loch auf der Stelle zu stopfen – mit Aktivität, Produktivität, Brunch und Handy? Wo hört Langeweile auf und wo fängt Nichtstun an? Ist Langeweile einfach nur das komplett falsche Wort für eine vielleicht sogar äußerst fruchtbare Episode – aneinandergereihte Momente von aktiv nur mit sich sein? Kann daraus nicht auch Großes entstehen? Ja! Muss aber nicht.