Wir haben 5 Frauen gefragt, wie sie es schaffen, nicht in der eigenen Beziehung zu verschwinden

20.08.2018 Leben, box1

Die meisten von uns würden ganz sicher behaupten, innerhalb einer Beziehung immer noch genügend Zeit für Freunde und auch sich selbst zu finden. Andere hingegen brauchen überhaupt keine Auszeiten und verbringen am liebsten jeden Tag in Zweisamkeit. Wir bewundern das, wissen aber auch, wie schwer es sein kann, nicht im Beziehungskonstrukt zu verschwinden, falls man genau das nämlich eigentlich gar nicht will. Und weil wir in den vergangenen Wochen ohnehin etliche  Balkongespräche über die Schwierigkeit der richtigen Balance zwischen Zwei- und Viel- und Alleinsamkeit geführt haben, folgen hier nun fünf unterschiedliche Erfahrungen von fünf verschiedenen Frauen:

Minna, 29

Ich muss ganz ehrlich zugeben, dass ich die Frage danach, wie ich es schaffe, innerhalb einer Beziehung ein eigenständiger Mensch zu bleiben, zu Beginn nicht wirklich kapiert habe. Wieso sollte ich das denn nicht schaffen?, fragte mich. Ich fühle mich doch schließlich emanzipiert und unabhängig, weil ich mache, was ich will. Und genau darin liegt wohl exakt der Knackpunkt verborgen. Denn jetzt, nach dreieinhalb Jahren Beziehung will ich, wenn ich ganz ehrlich zu mir selbst bin, vor allem bei meinem Freund sein, mit ihm, auf dem Sofa, beim Italiener, am See. Ist doch gar nicht schlimm und vollkommen normal und schön, denkt ihr jetzt vielleicht. Und das mag ja auch richtig sein. Aber für mich fühlt es sich gar nicht so richtig an, wie ich lange dachte, denn im Grunde bin ich vor allem eins: Eingerostet. Ein Lemming, der nur folgt, wenn andere rufen. Von selbst komme immer seltener auf die Idee, Aktivitäten ohne meinen Partner zu planen, weil es ja so herrlich ist, wenn er dabei ist. Herrlich könnte es aber auch sein, wieder viel mehr allein zu machen, mit meinen Freunden, um ihm später davon erzählen können. Das gilt für den Alltag, aber auch für Urlaube. Seit zwei Jahren habe ich nicht mehr darüber nachgedacht, allein mit meinen Freundinnen fort zu fahren, der gemeinsame Pärchen-Urlaub ist sowas wie ein ungeschriebenes Gesetz, gegen das ich mich ebenfalls nie wehren wollte, weil so schön. Und: Für meinen Freund habe ich immer Zeit. Nur, wenn er selbst eine Verabredung hat oder verplant ist, kümmere auch ich mich um meine freien Abende. Da führe ich mich ein wenig an der eigenen Nase herum, denn ansonsten suhle ich mich, wann immer es geht, in Zweisamkeit. Noch geht das gut und noch fühlt sich das alles nicht im Geringsten nach einer Katastrophe an, aber langsam und klammheimlich erinnere ich mich gerade wieder viel häufiger an all die Dinge, die noch auf meiner eigenen Liste stehen: Surfen lernen in Portugal, women only. Wandern gehen. Lindy Hop, mindestens ein Mal pro Woche. Richtig viel erleben mit meinen Freunden und Kollegen, und sei es nur eine Fahrradtour nach der Arbeit. Oder ein spontanes Picknick mit Käse und Wein. Wäre alles möglich, bloß komme ich fast nie dazu – weil das Vergraben in der Beziehung so schrecklich einfach ist. Ich habe demnächst also einiges vor, würde ich sagen. Um nicht wirklich eines Tages realisieren zu müssen, dass ich unsichtbar geworden bin.

Ulli, 31

In meiner letzten Beziehung bin ich quasi komplett verschwunden. Damals hätte ich das vehement abgestritten, weil das Gefühl ein ganz anderes war, weil ich dachte, ich ginge all die Kompromisse ja nicht bloß für diesen anderen Menschen, sondern für ein wir ein, weil ich diese Beziehung so sehr wollte und genug zu geben hatte, weil es für mich das größte Glück war, glücklich in dieser Beziehung zu sein. Erst als gar nichts mehr ging, als wir uns schließlich trennten, weil unsere Vorstellungen von der Zukunft immer weiter auseinander drifteten, stand ich plötzlich mit dieser Erkenntnis da, dass ich mich mehr als zwei Jahre lang verbogen hatte für jemanden, der sich selbst eben kein Stück verbiegen wollte. Weshalb ich es umso mehr tun musste. Voller Hingabe. Ich bereue das nicht, aber ich habe daraus gelernt. Seit einem halben Jahr habe ich eine neue Freundin, die ich viel seltener sehe als die Partnerin, von der gerade die Rede war. Und trotzdem ist alles viel stärker und intensiver und gesünder als je zuvor. Weil ich meine Freiheit jetzt erst einmal nicht mehr missen möchte. Weil meine Freunde Priorität haben, obwohl ich sie nicht mehr, sondern nur ganz anders liebe. Aber als die alte Liebe auseinander brach, bin ich ein Loch gefallen, das ich nie wieder sehen will. Ich musste erstmal wieder lernen, allein statt einsam zu sein. Meinen Alltag neu denken, weil dieser Alltag überhaupt nicht mehr mir gehörte und nur noch gemeinsam vorstellbar war. Ich habe außerdem gelernt, die Menschen, die ich mag, viel mehr zusammen zu bringen. Weniger entweder oder – wenn wir zusammen kochen, sind beispielsweise oft alle eingeladen, die Zeit haben. Und oft habe ich auch keine Zeit für meine Partnerin, weil ich woanders gebraucht werde. Weil ich es brauche, woanders zu sein, und unabhängig von meiner Beziehung Geschichten zu sammeln. Wenn das Vermissen mal zu schlimm wird, sehen wir uns eben danach noch, auch wenn es schon spät ist. Dann radle ich nach einer Verabredung mit meinen Freunden noch spontan bei meiner festen Freundin vorbei, und sei es nur zum Quatschen und Schlafen. Hätte meiner Ex-Freundin das damals so gehalten, wäre ich sicher permanent traurig oder beleidigt gewesen, weil gefühlt alle uns herum extrem viel Zeit mit ihren Beziehungen verbracht haben und das irgendwie die Regel war. Heute weiß ich, dass das vor allem an all den Unsicherheiten lag. Jetzt weiß ich: Das könnte es sein, vielleicht sogar für immer. Und wenn man ahnt, dass da noch ein ganzes gemeinsamen Leben folgt, ist es nicht schlimm, es erst einmal ganz langsam angehen zu lassen. Wir reden trotzdem schon über das Zusammenziehen. Aber auch dann werde ich noch viele, viele Tage und Abende nicht auf dem Sofa verbringen. Aber hoffentlich immer gern nach Hause kommen, um zu hören, was auch meine Freundin alles erlebt und gesehen hat.

Susanne, 33

Das ist eine gute Frage, weil die meisten von uns glaube ich wissen, was damit gemeint ist, ohne die Zweisamkeit, die ja durchaus sehr schön sein kann, per se verteufeln zu wollen. Aber auch mir ist das schon passiert, dass ich in einer Beziehung immer wieder vor der gleichen Diskussion stand: Du bist immer „available“, du machst zu wenig aus deiner eigenen Zeit, du orientierst dich nur an mir und das engt mich gefühlt ein!“ Es war immer wieder das gleiche uns ich hab’s selten verstanden, weil ich ja immer gern da war und verfügbar und ganz selig dabei. Zwar kenne ich Leute, die brauchen wirklich kaum Auszeiten voneinander und das bewundere ich, aber meiner Meinung nach ist es ziemlich häufig ganz anders, nur ist die Gefahr groß, dass man das erst begreift, wenn es zu spät ist. Nach so einem Streit zum Beispiel musste ich mich gelegentlich richtig dazu zwingen, den eigenen Hintern hoch zu bekommen und auch dazu, mich aufrichtig zu fragen: Was will ich vom Leben, vom Alltag, was möchte ich noch erleben? Erst als ich dann wieder angefangen habe, zu planen und mein Ding durchzuziehen, habe ich gemerkt, wie sehr ich das alles vermisst habe. Urlaube mit Freundinnen zum Beispiel. Die stehen jetzt gesetzt zwei Mal pro Jahr an, und sei es nur für wenige Tage. Oder Sport! Nie hätte ich gedacht, dass ich Yoga jemals einer großen Pizza zu zweit vorziehen würde. Ist jetzt aber so und ich bin heilfroh, dass ich das geschnallt habe. Zwar sehe ich meinen Partner noch immer am häufigsten, aber die anderen und ich selbst, wir kommen eben auch nicht zu kurz. Dem eigenen Freund absagen, weil ich schon mit einer Freundin verabredet bin, das gab es eine Zeit lang nicht bei mir. Ihr merkt, es sind manchmal die einfachsten Dinge, die auf der Strecke bleiben, wenn man bis über beide Ohren verliebt ist und ich kann selbst nicht glauben, was ich hier gerade erzähle. Oder wie wichtig es ist, darauf zu achten, sich nicht selbst zu verlieren. Früher war ich immer ein bisschen traurig, wenn auch nur heimlich, wenn mein Partner mir wegen einer anderen Verabredung abgesagt hat. Heute freue ich mich und mache manchmal sogar überhaupt nichts, außer Zeit mit mir allein zu verbringen. Auch das ist so schrecklich heilsam, dass ich es nicht mehr missen möchte. Eines muss ich aber noch sagen: Es ist viel leichter, es von Anfang so zu halten. Wenn man aber zu Beginn aneinander klebt, wie so viele von uns dann plötzlich mehr Freiraum fordert, kann das die andere Person natürlich verletzen, aus der Sorge heraus, man könnte sie deshalb weniger mögen. Hier kommt es wirklich auf die richtige Kommunikation an und auf das Gefühl: „Du bist save, Baby. Ich mache das für mich, nicht wegen dir.“

Elisabeth, 25

Ich bin seit dem ersten Semester mit meinem Freund zusammen, also seit etwas mehr als fünf Jahren und in diesen fünf Jahren hat sich unsere Beziehung konstant verändert und weiterentwickelt. Es hab sie nämlich, diese Zeiten, in denen wir ineinander versunken sind und niemand anderen als uns brauchten, in denen es immer eine kleine Überwindung war, raus zu gehen und was zu erleben, mit anderen, statt gemeinsam faul zu sein. Nach Wochen der verliebten Euphorie folgte dann aber auch irgendwann diese Ernüchterung und der gegenseitige Vorwurf: Wir hängen die ganze Zeit nur aufeinander rum. Es gibt ja Leute, die können das – wir können das aber ehrlich gesagt nur phasenweise. Das merke ich immer wieder an dieser unfassbaren Trägheit, die irgendwann bei mir einsetzt, ich werde dann ganz faul, was bequem ist, aber nicht wirklich super glücklich macht. Ich wäre aber gern super glücklich. Und das schaffe ich, indem ich mir trotz gemeinsamer Wohnung viel Freiraum schaffe. An einem festen Tag in der Woche sehe ich meine engsten Freundinnen, an einem anderen Tag gehe ich klettern und dann brauche ich mindestens noch einen Tag, an dem ich nach der Uni niemanden sehe außer mich selbst. Das ist ganz neu für mich, aber tut gut. Ein Buch und ich, ein Eis und ich – sogar auf einem Konzert war ich neulich ganz allein, ohne mich einsam zu fühlen. Alle anderen Tage sind frei einteilbar, aber hier gilt die Devise: Wer zuerst mahlt, kommt zuerst. Ich sage jetzt viel häufiger ja, wenn jemand nach Pizza, Wein oder einfach Zusammensein fragt. Früher habe ich da schonmal gern abgesagt, nur für den Fall der Fälle, dass mein Partner Zeit gehabt hätte, aber das gibt es jetzt nicht mehr. Ich sage ganz bewusst „jetzt“, denn wer weiß, was die Zukunft bringt. Sich gemeinsam einmummeln ist und bleibt ja schließlich auch schon, es kommt bloß auf die richtige Balance an. Und die ist manchmal gar nicht so leicht zu finden.

Martha, 28

Die Frage nach der Unabhängigkeit habe ich mir nie gestellt, weil ich nie das Gefühl hatte, nicht unabhängig zu sein, was vor allem daran liegt, dass ich lange Single war und viele Freundinnen dabei beobachten konnte, wie sie verschwanden. Das klingt ja auch ein bisschen gemein, aber so ist es gar nicht gemeint, ich kenne solche Tendenzen ja auch. Aber gefühlt schaffen es nur wenige in meinem Alter einen gesunden Mittelweg zu finden. Ich bin mir nichtmal sicher, ob das weibliches Problem ist – die Männer verschwinden ja mit. Aber, um es ganz vorsichtig auszudrücken und diese Beobachtung gleichzeitig nur auf meinen eigenen Erfahrungswert zu stützen: Oft sind es ja doch wir Frauen, die ein bisschen mehr Nähe wollen und deshalb auch mehr Rücksicht nehmen und dazu neigen, weniger eigene Pläne zu schmieden. Korrigiert mich, wenn ich da falsch liege, wirklich wahr. Warum das in meinem Freundeskreis, der eigentlich vollgestopft ist mit starken Frauen, immer wieder passiert, kann ich mir selbst nicht erklären. Vielleicht ja, weil die Liebe ganz eigene Regeln schreibt. Meinen Freund habe ich jedenfalls seit eineinhalb Jahren. Seit einem halben Jahr wohnen wir sogar zusammen. Was dazu führt, dass ich noch viel mehr alleine unternehme, weil mein Partner jetzt nicht nur meine Insel ist, sondern auch Teil meines Zuhauses. Uns gehört das Frühstück, uns gehört die Nacht, ganz automatisch, als muss sich sowieso niemand sorgen, zu kurz zu kommen, selbst wenn wir nur an zwei von sieben Tagen wirklich etwas zusammen unternehmen. Hierfür gibt es aber auch keine Regel, mein Bauch sagt mir stets, worauf ich Lust habe. Manchmal sind wir auch tagelang zusammen faul, aber dann kribbelt es in den Fingern und ich mache tagelang nur etwas mit Freunden und Freundinnen. Es kommt für mich auf den Wechsel zwischen beidem an. Kleine Ausflüge am Wochenende mit anderen Menschen tun auch gut und hält das Vermissen aufrecht, was nicht zu unterschätzen ist. Ihr kennt das doch, dieses gefährliche Selbstverständlich-Sein, oder? Was ich aber am allerliebsten mag: Wenn wir einfach alle zusammen unterwegs sind. Partner und Partnerinnen, Freunde und Freundinnen. Wenn es gar keine Regeln gibt wie „Nur Girls“ oder „Pärchenzeit“, wenn alle eingeschlossen werden und niemand ausgeschlossen wird. Das kommt mir am natürlichsten und logischsten vor. Wir sind ja auch nicht mehr 16. Und trotzdem brauchen Freunde und Freundinnen einen auch immer wieder allein. Wenn der Partner zum Schatten wird, hat niemand etwas davon.

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4 Kommentare

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  2. Carola

    Super ! Schön von gleich zwei Leuten zu hören, dass sie es schätzen, wenn alle etwas gemeinsam machen. Ich finde das auch ganz toll und würde das gerne viel öfter tun, doch leider liebt unser Freundeskreis Zweier-Dates, vielleicht kann ich sie ja noch umstimmen 🙂

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