Immer dann, wenn ich kurz davor bin, der Modewelt mit einem herzhaften Gähnen adieu zu sagen, kommt irgendjemand um die Ecke und macht mir einen gewaltigen Strich durch die Abstinenz-Rechnung, oder besser: Schüttet Benzin in die sterbende Flamme, die irgendwo ja doch stets in mir lodert, nur eben zuweilen nicht allzu hell. Jetzt flackert sie aber wieder vor Erregung, aus vielerlei Gründen. Auch wegen der Darbietung Alessandra Richs, die all diese „boring girls in pearls“ mit ihrer Frühjahrskollektion 2019 binnen einer einzigen Show zum state of mind erklärte. Das kann man grässlich finden, sogar fast schon politisch inkorrekt, weil die Zeit wahrlich nicht nach aufgesetzter Dekadenz, sondern vielmehr nach Bescheidenheit schreit. Vielleicht ist es aber genau dieser Zwist, der den gezeigten 80er Jahre Yachtclub-Chic fast schon zur Satire werden lässt. Das kann man ja eigentlich gar nicht ernst meinen. Oder doch? Natürlich, denn Richs Klientinnen sind vermutlich genau das: Rich. Was aber passiert, wenn wir der selbsternannten Bourgeois ein Schnippchen schlagen, indem wir ihr nehmen, was sie doch so lange vom Pöbel absetzte, auch optisch? Denn noch etwas schwingt in jedem der gezeigten Looks mit: Ein angenehm nahbarer Vintage-Vibe, der ebenso in die Berliner Paris Bar wie auch die in die Verkleidungskiste passt. Ironie findet sich hier also auch, je nach Blickwinkel. Rich überzieht das fast peinliche Bild der weißen, stockspießigen Upper Class mitsamt überdimensionierter Haarreifen und übertriebenem Perlenschmuck – genau das macht den Reiz aus. Exakt diese Details verwandeln Abneigung in Anziehung.
Letztlich könnte es sich hierbei um ein zumindest die Mode demokratisierendes Angebot handeln, das sich seinerseits fest vornimmt, die Weiblichkeit in mittlerweile eigentlich längst vergessenen Ausmaßen zu feiern. Und noch dazu einen Gegenentwurf zum neuen unangezogenen Celine zu liefern. Stattdessen Femininität in Reinform quasi, die mit jedem auch nur erdenklichen Klischee in Mad Man-Manier zu spielen scheint. Ich persönlich empfinde dieses Auf-die-Spitze-Treiben von Rollenbildern jedoch keineswegs als Affront, sondern als ernst gemeinte Zuwendung zur Zukunft, als Erinnerung daran, dass Power Dressing jederzeit sein kann, im besten Fall aber nicht sein muss. Wer sich heute so kleidet wie Alexandra Rich es uns für den nächsten Sommer vorschlägt, steht, so meine These, nämlich gewiss nicht im Schatten irgendeiner toxischen Maskulinität. Sondern für sich selbst ein. Und über den Dingen.
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an
Man könnte es auch so erklären: Ich sehe uns im Polka Dot Kleid Fahrrad fahren, mit Zigarette im Mundwinkel. Ich sehe uns in Schulterpolstern und Perlenketten Bier trinken auf dem Bürgersteig. Ich sehe uns Françoise Sagan lesen, während uns ein rosafarbener Pullover über den Schultern baumelt. Ich sehe uns eigentlich überall – außer im Yachtclub. Und wenn dann nur, um für Empörung zu sorgen.