Ich glaube zum Glück an das Phoenix-aus-der-Asche-Prinzip und auch daran, dass überhaupt rein gar nichts auf der Welt uns auf Dauer das schöne Leben vermiesen sollte. Toll, sagen da jene, die gerade herzverblutet auf dem Zahnfleisch kriechen, schön für dich, aber wie funktioniert das denn? Manchmal eben gar nicht. Manchmal kriegt man so sehr auf die Fresse, dass man meint, nie wieder reden zu können. Weil da momentan sowieso nur Geheule aus dem Mund raus kommt, in dessen Ecken reichlich getrocknete Rotz-und-Wasser-Spucke klebt. Manchmal scheint das Ende nah und man freut sich sogar darüber. Bloß kommt es ja nie. Nein, man muss da immer weiter durch.
Es bleibt einem also zwangsläufig gar nichts anderes übrig, als irgendwann zwischen zwei Abzweigungen zu wählen. Entweder schaut man sich dann den Tiefpunkt von unten an und bleibt weiter liegen, um alles Gute zu verpassen und am Ende aller Tage blöd aus der Wäsche zu schauen, oder aber man berappelt sich, mit aller Kraft, weil man insgeheim ahnt, dass das die viel bessere Idee ist. Was mir damals am meisten beim Überstehen dieser gefühlten Unmöglichkeit geholfen hat: Wut. Reine, pure, tiefe, hässliche Wut. Wut wie mitten aus der Hölle rein in meinen Bauch gepflanzt. Dabei ist sogar das Fenster in der Tür zum Flur zersprungen. War mir egal. Weil es sich nämlich heilsam angefühlt hat, mal so richtig was kaputt zu machen, etwas, das eigentlich nicht kaputt sein sollte. Vielleicht, weil dann etwas Greifbares noch kaputter ist als man selbst und man es dann symbolisch wieder flicken kann. Oder einfach, weil es nötig war. Weil man ohnehin viel weniger rauslässt als man runterschluckt, vor allem als erwachsener Mensch, der ja gemeinhin lieber Ruhe bewahren sollte, empfehlen die Leute. Stimmt ja auch meistens. Es gibt aber Phasen, da sind Regeln überflüssig, weil sich eh keiner dran halten kann. Schade auch, dass es noch immer keine Gebrauchsanweisung zur Genesung gibt. Verletzungen kommen nunmal in vielen Farben.
Gut für die Seele war aber ebenjenes innere und äußere Explodieren, das massive Fühlen statt versuchte Verdrängen, durch das plötzlich eine Kraft ans Tageslicht katapultiert wurde, von der ich längst vergessen hatte, dass sie in mir steckt. Ich habe, statt weiter zu trauern, vor lauter Taubheit angefangen zu fluchen. Laut und leise. Über den, der über Nacht seine Sachen gepackt und nur einen Brief hinterlassen, Verlobung hin oder her. Noch mehr aber über mich. Darüber, dass ich mir manches so sehr wünsche, dass ich dazu tendiere zu vergessen, was echtes Glück bedeutet, auch jetzt noch hin und wieder. Darüber, dass ich mir kurz so wenig wert war, dass ich sicher war, mein Glück hinge tatsächlich von jemand anderem ab. Denn das ist, ihr wisst es, falsch.
Richtig ist aber, dass es weiter geht und auf aller jeden Fall wieder gut werden kann. Wenn man es nur zulässt. Viel braucht man gar nicht tun, bloß aufhören zu versauern sollte man. Wenn man sich gießt wie ein Pflänzchen, aus einer Kanne prall gefüllt mit Herausforderungen und Dingen, die man nie zuvor gemacht hat, mit Spaziergängen und Büchern und Freunden und langen Nächten, mit temporärer Unvernunft, mit verdientem Faulsein und Nachsehen und Geduld. Dann kommt er, der Tag, an dem man plötzlich wieder lacht und das Rascheln der Blätter bemerkt, an dem der Kaffee wieder schmeckt und das Haar wieder sitzt. Und ich glaube, dann kapiert man langsam, dass sowieso nichts jemals sicher sein wird. Das muss es auch nicht. Solange wir mutig bleiben und das Abenteuer erkennen, das in Rückschlägen steckt. Also weg mit der Sorge und her mit dem Jetzt. Her mit uns. Die gute Nachricht ist nämlich: Das Schlimmste, was hätte passieren können, ist wahrscheinlich sowieso längst passiert. Alles andere schaffen wir locker. Wäre doch ein Witz, wenn nicht.