Kolumne // Ich habe meinen Frieden mit Beyoncé Knowles geschlossen

Black Women in Hip-Hop – kennst du eine, kennst du alle. Natürlich nicht. Die einen haben uns durch die frühe Jugend begleitet, die andern sorgen für Schlagzeilen via Promiflash oder für fragwürdige VMA-Auftritte. Wieder andere stehen in der Kritik aufgrund ihrer transmedialen Inszenierung. Und dann ist da Beyoncé. Eine Frau, so berühmt und strahlend, dass sie nicht nur Futter für die Entstehung von 50 Prozent aller vorhandenen Memes aus 2016 ist, sondern auch Ikone für eine gesamte Generation zu sein scheint. Sie steht für eine Generation, die schwarz ist und an sich selbst glaubt, die voller feministischer Energien steckt und auf die Straße geht. Daneben gibt es aber auch noch das andere Bild von Beyoncé, auf dem sie sie keineswegs neben ihren Grammy Trophäen um die Wette strahlt. Weil sie nervt und weil es zu viel ist. Weil sie Bilder von ihrem Zwillings-Bauch macht oder sich nicht von Jay-Z getrennt hat, obwohl man munkelt, dass er sie betrügt.

Fandom war noch nie mein Ding. Ehrlich nicht. Nicht das frühe Anstehen bei einem Konzert und auch nicht das Sammeln von Unterschriften, das eigentlich eh schon lange keiner mehr will, weil es ja jetzt Frontalkameras und eben Selfies gibt. Bis auf meinen Daniel Radcliffe Crush mit 14 Jahren war ich da raus, wirklich wahr. Aber mit B ist es etwas anderes. Vielleicht weil sie die ist, die sie ist. Vielleicht weil ich begonnen habe, sie für meine eigenen, ganz persönlichen Zwecke zu missbrauchen. Sei es für mein Ego oder mein Chackra. Das war allerdings nicht immer so.

Beyonce, nun möchte ich mich mit dir vertragen. Hand drauf und Schwamm drüber.

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Wir schreiben das Jahr 2014. Es ist November, schlimm genug denn es ist kalt und dunkel. Ich war R’n’B-Fan vor dem Herren: Mary J Blige, Destiny’s Child. Bey, Kelly und Michelle waren immer dabei. Beim Vorglühen für die Großraumdisko, bei Liebeskummer im Kinderzimmer, auf der einzigen Rooftop Bar in Lübeck beim inszenierten Sommerurlaub. Wir sind alle lange Freunde, wir vier. Die Trennungen haben wir zusammen durchgemacht, auch die schrecklichen Features mit Sean Paul oder den Pink Panther Titelsong Check on It. Im November 2014 war es Beyoncé, die mich gerettet hat. Mit 711 zog mich die Texanerin aus einem emotionalen Loch, aus einer Phase der Verzweiflung, neben meiner tröstenden Mutter und verzweifelten Freundinnen natürlich, die sich noch nicht so recht an nächtliche Anrufe meinerseits gewöhnen konnten.

 

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„Wave your hands side to side, put it in the air“ und es ward um mich geschehen. Ich glaube in diesem Moment habe ich Self-Empowernment verstanden. Und natürlich ist ein Hit samt Video nicht der Ersatz für eine Grapefruit zum Frühstück oder tatsächliche Hilfe. Und selbstverständlich ist das Rezept gegen nächtliche Tränen kein visual Album auf Tidal, und dennoch: Queen Bey war die Inkarnation eines Halos, den sie selbst immer so würdevoll besang. Erlösung.

Kein Monat schien zu vergehen, da bekam ich nach ihrer musischen Erleuchtung via 711-Hostie auch schon einen Overload. In dem sie oder ihre Fans oder ihr Management oder ihre musikalisch viel talentiertere Schwester mich aufwachen ließen und ihre ihre Person nervte, mir überdrüssig wurde und ich sie fortan kritisch beäugte. Wir reden hier über die Kommerzialisierung feministischer Prinzipien, aber auch über die Popularisierung einer schwarzen Künstlerin, die gegenüber ihrer Community immer mal wieder den Anspruch einer intersektionalen und antisdiskriminierenden Künstlerin verfehlte. Lange, glatte Haare, die medial immer wieder in den Fokus rücken und im Bezug auf Popularität von weißen Attributen bei schwarzen Prominenten und deren Auswirkungen auf ihre Fans diskutiert werden, die Positionierung ihrer Tochter in öffentlichen Auftritten und Musikvideos oder die Inszenierung ihrer Zwillingsschwangerschaft. Oh ja.

Wenn man möchte, dann gibt es viele Gründe am Beyoncé-Kult zu verzweifeln. Nicht zuletzt, weil sie, wann immer sie auch nur einen kleinen Pups von sich lässt, Twitter, Tumblr und Instagram voll von ihr, ihrer Familie und ihren Fans sind. Dem ganzen Trubel schnell überdrüssig zu werden, sie als Pseudo-Feministin oder -Aktivistin zu verteufeln, fällt leicht und so kam es auch, dass meine Beyonce Ära vor nicht mal mehr als 1,5 Jahren zu Ende ging. Es muss zeitgleich mit ihrem IVY Park, Release, ihrem Superbowl Auftritt und ihrem omnipräsenten Visual Album einhergegangen sein, als sie Bestandteil von Diskussionen über Ernsthaftigkeit und Ehrlichkeit ihres Engagements wurde.

We teach girls to shrink themselves.

To make themselves smaller. We say to girls: „You can have ambition but not too much. You should aim to be successful but not too successful. Otherwise you will threaten the man.“

Because I am female I am expected to aspire to marriage, I am expected to make my life choices always keeping in mind that marriage is the most important.

Now marriage can be a source of Joy and love and mutual support but why do we teach girls to aspire to marriage and we don’t teach boys the same?

We raise girls to each other as competitors not for jobs or for accomplishments – which I think can be a good thing, but for the attention of men.

We teach girls that they cannot be sexual beings in the way that boys are.

Feminist: the person who believes in the social political, and economic equality of the sexes!

Chimamanda Ngozi Adichie 

Nun hisse ich die weiße Fahne und nähere mich wieder. Beyonce, ich habe lange nichts mehr von dir gehört, und möchte mich (vielleicht gerade deshalb) versöhnen. Es ist festzuhalten, dass kommerzieller Feminismus zu hinterfragen ist, grundsätzlich, dass man sich aber dennoch bedanken kann für das, was Beyonce für uns getan hat, ganz ohne schlechtes Gewissen: Lieder für ein positives Selbstverständnis von schwarzen Frauen, so viel für den Selbstwert von Mädchen auf der ganzen Welt, Non-Akademischen Feminismus, Black Panther Performances in der Half Time. Beyoncé und ich haben uns versöhnt, weil mich allmählich beschleicht, dass die viele Kritik auf sie einprasselt, weil sie eben eine US-amerikanische, schwarze Musikerin ist, die sich aktiv dazu entschieden hat, sich zu engagieren und ihre politischen Prinzipien publik zu machen. Gezwungen hat sie schließlich keiner. Und wir wissen alle, dass Kritik und Engagement nicht die ersten Garanten für Goldene Schallplatten und ausverkaufte Konzerthäuser sind. Nicht, wenn es um schwarzen Feminismus geht.

Stets zu reflektieren und Handlungen zu hinterfragen ist da durchaus richtig und wichtig, aber nicht, ohne zwischendurch innezuhalten und es zu genießen, auf dem Laufband laut Formation zu hören, oder Gänsehaut beim Chimamanda Ngozi Adichie Part in Feeling Myself zu bekommen. Das ist, neben all dem Backlash, dem Überdruss und der Repetitivität von Mrs. Carter wohltuend und befreiend.

Ich habe Frieden geschlossen und setze Beyoncé den R’n’B Halo wieder aufs Haupt. Einer der mal mehr oder weniger leuchtet, aber vor allem mir hin und wieder den Weg weist, wenn das Activism Burnout kickt, ich mich nicht so recht in meiner Hut wohl fühle oder etwas brauche, dass mir die Hintergrund-Musik für einen Kampf liefert, der sich zu kämpfen lohnt.

Sorry, I aint Sorry, Middle fingers up, put them hands high!“ Ja danke das mache ich jetzt. Don’t worry, BeYonce!

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6 Kommentare

  1. Nora

    Nur ein kleiner Gedanke am Rande: die oeffentliche Debatte zu der Frage, ob ihr Mann sie betrogen hat, finde ich sowas von ueberfluessig.
    Erstens scheinen da viele Leute Fiktion nicht von Realitaet unterscheiden zu koennen (Liedtexte muessen -duh- nicht wahr sein und zu denken, die ‚arme‘ Beyonce/der ‚boese‘ Jay-Z waeren sich der Oeffentlichkeitswirksamkeit des Ganzen nicht bewusst gewesen ist sehr sehr naiv) und zweitens, selbst wenn er sie betrogen haette, ginge das doch bis auf die Betroffenen wirklich niemanden auch nur irgendwas an. Ueber alles andere kann man, wie du ja auch tust, diskutieren. Aber persoenliche Entscheidungen sollten doch bitte genau das sein.

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    1. Judith

      Das wollte ich auch bemerken, liebe Nora und liebe Fabienne. Das hat so was vom Hillary Clinton bashing, die auch noch Jahrzehnte später dafür fertig gemacht wird, dass sie bei Bill Clinton geblieben ist, obwohl dieser eine Affaire hatte die eine Staatskrise auslöste. Da werden dann im Endeffekt die Frauen bzw „Betrogenen“ (wobei Betrug auch so ein mit unnötig viel Wertung behaftetes Wort ist) geshamed anstatt der der betrogen hat. Und es bleibt auch etwas kurz gedacht auf alle Beziehungen angewandt zu sagen: „Betrug = und tschüss“. Ganz abgesehen von den Spekulationen…

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      1. Rebecca

        Ja und wer sagt denn, dass sich die beiden überhaupt für eine monogame Ehe entschieden haben? Ist schon sehr heteronormativ diese Annahme und spielt leider sehr in die gängigen Klischees, wie Beziehungen/Ehen auszusehen haben.

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  2. maja

    Interesante Schlussfolgerung und danke für die Einblicke im Bezug auf schwrzen Feminismus, ich muss aber gestehen, ich habe Queen B weder ihre politischen noch künstlerischen Ambitionen jemals abgenommen, bis heute. Hab den Hype nie verstanden und für mich ist sie genau das, was im Artikel angesprochen wird, eine perfekte Kommerz-PR-Maschine: Feminismus, Black Power, Mutterdasein – das sind Dinge die in bestimmten Kreisen und zu bestimmten Zeiten sehr wohl Platten verkauft haben und verkaufen. Authenitizität sucht man bei Beyonce (als Künstlerin, persönlich kenne ich sie ja nicht) vergebens.

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  3. Charlotte

    Der Track mit dem Part von Chimamanda Ngozi Adichie heißt Flawless*** und nicht Feeling Myself 🙂 Ansonsten ein hell yeah zu diesem Artikel <3

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