Liebe Leser*innen, wir müssen Tacheles reden. Wie kann es sein, dass wir immer und immer wieder in Weinschorlen ersaufen, um über Dates aus der Tonne zu klagen, die wir am Ende doch wiederholen, warum warten wir tagelang auf Antworten, statt selbst nachzufragen, wieso üben wir uns so eifrig in Eifersucht, obwohl wir sowieso rein gar nichts ändern können, weshalb verlieben wir uns so gern in Phantastereien statt in richtig gute Leute, und: Weshalb verlieren wir uns, sobald wir jemanden gefunden haben?
Wer jetzt mit den Augen rollt und gar nichts mehr kapiert, darf sich zweifelsohne und erhobenen Hauptes einen Schampus hinter die Binde kippen – ihr habt es euch verdient. Weil ihr entweder aus Fehlern gelernt oder es geschafft habt, eurer Hirn darauf zu dressieren, das maulende Herz im richtigen Augenblick zur Schnecke zu machen, aus Überzeugung.
Alle anderen können sich immerhin in der Gewissheit suhlen, dass selbst die Größten und Klügsten traurige Liebeslieder- oder Bücher schreiben, immerzu, über die selben leidigen Themen, schon seit Jahrhunderten – auch aus Überzeugung.
Man könnte fast meinen, das Drama sei am Ende alles, was uns bleibt. Und dass wir ohne ebenjenes nicht in Glück, sondern in Langeweile baden würden. Vielleicht ist das so. Möglicherweise sind manche von uns so. Eventuell wollen wir es exakt so. Ich aber nicht, glaube ich. Und meine Freund*innen auch nicht. Trotzdem springen wir regelmäßig sogar mit Anlauf rein, in diesen Gefühlsbrei, der zwar Nächte ausfüllt, aber auch Taschentücher vollrotzt. Und wieder: Warum denn nur? Wo bleibt denn da die Gelassenheit? Ich weiß wo: Auf der Strecke. Drückt mal nicht mein eigener Schuh, dann bestimmt der von Susanne oder von Dieter oder von der Nachbarin oder von der Cousine 3. Grades. Es geht reihum, das Liebesleid, wie Magendarm im Winter. Da kann man 20 sein oder 30 oder 70 – nee, keine Chance. Es besser zu wissen heißt nicht, es automatisch auch besser zu machen. Obwohl genau das im Prinzip ganz einfach wäre. Oder, um es mit Carly Rae Jepsens Worten zu sagen:
Nun ist „Party For One“ wirklich das Gegenteil von allem, was ich für gewöhnlich gutheißen würde, musikalisch gesehen, meine ich. Als ich den Track heute Morgen aber zugeschickt bekam, weil drüben bei Man Repeller schon ordentlich gelobt wurde, begriff ich immerhin schnell und längst überaus willig mitwippend, dass Hochmut noch viel schlimmer ist als ein schlechter Musikgeschmack. Aber vor allem, dass die 32-jährige Carly es geschafft hat, eine von jenen Lebensweisheiten in vier Zeilen zu packen, für die andere ein ganzes Leben oder wahlweise 700 Seiten brauchen.
„Preach“ setzte meine Freundin noch unter den Link. Ich hatte ihr gestern Abend nämlich noch das Ohr abgeknabbert, indem ich 45 Minuten lang nach einem Haken am neuen Mann suchte. Ach, und ich fand fünfzehn! Eingebildete. Vor lauter Panik, es irgendwann doch wieder mit dem Vorschlaghammer drüber zu bekommen, im übertragenen Sinne versteht sich. Dann doch lieber vorher Leine ziehen, oder? Ja klar. Kann man so machen. Sollte man aber nicht. Denn im tragischen Fall der Fälle bleibt uns immer noch eins: Die Party mit uns selbst. Klingt nach einem schlechten Scherz, ich weiß – aber mit viel Wahrheit drin.