Rassismus in Deutschland? Gibt es und daran lässt sich auch nicht rütteln. Das Schlimme aber: Auf ein Happy End können wir wohl noch lange warten. Auf der einen Seite sehen wir da beleidigte AfD-Demonstrant*Innen, die auf Gedeih und Verderb nichts mit rechtem Gedankengut zu tun haben wollen, auf der anderen Seite treffen wir immer wieder auf beleidigte Talkshow Master die den Wirbel um Blackfacing in ihrer Sendung nicht verstehen wollen (Verstehen sie Spaß, 2016). Von hinten melden sich wütende Jecken, die alle brav SPD gewählt haben wollen, aber auf den Esk**o-Aufzug beim Karneval nicht verzichten wollen und nebenbei deckt sich der geschmackvolle Silver Surfer von nebenan mit Tieck Möbeln im vom Schöner Wohnen umworbenen Kolonialstil ein.
Rassismus, rechte Hetze und Postkolonialismus? Kann nicht sein. Schließlich geht es doch immer noch um den Spaß an der Freud‘, um falsche Meinungsmache und um dazugedichtete Fakten – aber wer spricht denn hier bitte von Rassismus und Fremdenhass? Na, na, also ehrlich! Wer will denn gleich den Teufel an die Wand malen?
Warum aber fällt es so vielen weißen Menschen so schwer, den rassistisch sozialisierten Part ihres Daseins zu entlarven und warum ist es für mich im Gegenzug ein Kinderspiel? Haben es am Ende etwa alle gar nicht so gemeint?
Es ist wahr: Zeitgeist erregt den Anschein, als bewegten sich Menschen auf dünnem Eis, die sich bis heute noch nicht mit Rassismen im Kontext mit der Welt, in der wir leben, auseinandergesetzt zu haben. Jener Mensch sieht sich mit Restriktionen und Auflagen konfrontiert. Weder darf er noch sagen, was er will, noch tragen, was er will und im falschen Moment nicht ein Mal fragen, was er will, denn die Barrikaden sind allesamt aufgebaut und die wütende Linke steht schon in den Startlöchern.
„Man wird ja wohl noch… .“
Und wenn man es dann gesagt, gemacht, gefragt hat, prangert es einem ganz eklig und braun oben an der Stirn: Das ist rassistisch, du bist ein Nazi und deine Meinung ist rechts. Was dann passiert ist spannend: Am Ende stehen sich viele wütende Seiten gegenüber. Eine idealistische, humanistische Seite, die mit Leibeskräften versucht, vieles richtig zu machen und noch mehr Menschen dabei zu helfen will, es ihnen gleichzutun.
Und auf der anderen Seite winkt eine beschuldigte linke Mitte, die den „In**anischen Aufzug“ und das Sofa im Kolonialstil, sowie das N-Wort im Kanye Song gar nicht so gemeint hat. Rassismus? Das kann nicht sein, das wollte ich gar nicht. Und da sind wir dann. Bei dem Problem mit dem linken Selbstverständnis, mit dem sich nicht nur noch mein eigener Freundeskreis auseinandersetzt. Auch weiß dominierte Räume und politisch linke Institutionen, die mit dem Rassismus Vorwurf nichts zu tun haben wollen (und sollen) sind betroffen und, traurig aber wahr, potenzielle Täter*innen, sofern sie die eigene rassistische Sozialisation nicht reflektiert und verstanden haben. Am Ende wird es wichtig, sich endlich als potenzielle Schuldige zu inszenieren statt als der weiße, tapfere Ritter, der brav in Afrika einen Brunnen gebaut hat.
Rassismus, das ist kein Konstrukt von meinen oder nicht so meinen. Keins von „Wenn ich kein* Rassist*in bin, können auch meine Aussagen nicht die eines/einer solchen sein“. Rassismus, das schlummert in mir und in dir. Das sind Schönheitsideale, die mir verkauft werden, Stereotypen mit denen mich Medien bombardieren. Während meine weißen Freunde nicht mein Safe Space sind, ist es genau so wenig ein pseudo-linkes Festival, auf dem alle mit ethnisch nachempfundenem Schmuck herumlaufen. Seit kurzem steht das Happiness Festival in der Kritik, weil es sich in ihrer CI und in ihrer Kommunikation Symbolen anderer Kulturen bedient, diese ikonografisch inszeniert, von rassistischen Strukturen aber auch in ihrer Kohorte noch nie etwas gehört haben will. Ihr Lieben, ihr könnt noch sie viel veganes Pakora in Lärz verspeist haben, die Tatsache, dass ihr ein Warbonnet dabei tragt und das Gemüse ein Weißer frittiert hat, machen euch zumindest teilschuldig. Und bis ihr das nicht verstanden und reflektiert behandelt habt, bleibt ihr es auch. Leider.
„Liebe Happianer,leider geht es uns heute nicht wie gewohnt nur um euch, sondern ausnahmsweise mal um euren Namen. Denn wie wir gestern festgestellt haben, wurde vor Kurzem eine Petition gegen kulturelle Aneignung und Rassismus auf dem Happiness Festival eröffnet. Dies hat uns schwer getroffen, da wir mit unseren privaten wie öffentlichen Äußerungen, unterstützten Organisationen und Bookings schon immer ein Zeichen gegen rechte Hetze, Diskriminierung und Rassismus gesetzt haben und dies auch weiterhin unbeirrt tun werden. Wir wollten mit unserem neuen CI keineswegs indigene Bevölkerungsgruppen, ihre Kulturgeschichte, Traditionen oder andere kulturelle Merkmale missbrauchen, verklären oder umdeuten.
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Nun, warum besteht noch immer die Angst, Rassismus zu labeln und wie können wir genau das eindämmen? Wie können wir gemeinsam zu einem gängigen Habitus beitragen, Rassismus klar und deutlich zu benennen, sodass unser Gegenüber einräumt: Das habe ich nicht gewusst, ich habe es nicht gewollt, ich werde das nächste Mal darauf achten. Denn sich nicht auszukennen im Feld Rassismus & Co. ist zwar tragisch, aber definitiv kein Verbrechen per se. Sich genau dieses „Fehlverhalten“ einzugestehen, sich zu entschuldigen allerdings, das wäre ein richtiger Schritt und ein Zeichen von Größe und Demut. Die Angst vor dem Label rechts,
rassistisch und post-kolonialistisch sind ein eindeutiges Bildungsproblem. Zum Glück reden wir zumindest gelegentlich über das dritte Reich und Skinheads auf den Straßen, doch wann reflektieren wir, wie rechts unser jetzt ist? Privat aber auch in Schule und im Studium? Solange politische Bildung und antirassistische Arbeit reine Eigenleistung bleibt, stochern wir im Dunkeln. Denn so lange die eigene rassistische Sozialisation nicht erkannt, nicht reflektiert wurde, haben es alle nicht so gemeint. Aber, und das ist Fakt: Es nicht so zu meinen ist, bei aller Liebe, noch nie eine Entschuldigung gewesen.
© Collage: Balenciaga Kampagne A/W 2018 – Anmerk. d. Red: Diese Kampagne verfolgt ursprünglich nicht die Intention des Artikels und wurde von der Redaktion frei gewählt.