Letzte Woche bin ich in der Apotheke fast in Tränen ausgebrochen. Ich reichte der Apothekerin mein Rezept und sie sagte: „Mh, die Creme müssen wir anmischen. Aber meine Kollegin, die das macht, ist gerade nicht da. Es wird also bis nächste Woche dauern.“ Ich schluckte. „Bis nächste Woche?“, fragte ich nach und merkte, wie meine Stimme zitterte. „Geht das nicht schneller?“ Die Apothekerin verneinte, ich nahm mein Rezept, verließ die Apotheke und blinzelte ein paar Tränen weg. Was, wenn es auch in anderen Apotheken so lange dauern würde? Was würde ich dann machen? Ich kann nicht so lange warten, dachte ich.
Außer Kontrolle
Ich neige normalerweise nicht zu Tränenausbrüchen in Apotheken und halte mich selbst für einen Menschen, der sich gefühlsmäßig ganz gut im Griff hat. Es sei denn, es geht um meine Haut. Wochenlang hatte sich die Haut rund um meinen Mund, am Kinn, zwischen Nase und Oberlippe in eine pickelige, stellenweise trockene und rötliche Landschaft verwandelt. Langsam, aber stetig. Am Anfang dachte ich, dass das schnell wieder weggehen würde: viel trinken, mehr schlafen, weniger Alkohol. Schließlich war ich mit meinem Buch viel unterwegs gewesen, was meine Haut brauchte, war wahrscheinlich nur Ruhe und die vertraute Berliner Umgebung.
Meine Haut sah das anders. Sie verharrte in ihrem pickeligen, trockenen und rötlichen Zustand – und ich verfiel in Verhaltensweisen, die ich eigentlich schon vor Jahren abgelegt hatte. Jeden Morgen, noch vor dem Tee-Kochen, kontrollierte ich vor dem Spiegel den Zustand meiner Haut: Hatte sie sich über Nacht gebessert? Verschlechtert? Wie schlimm sah sie aus? Ich trug Cortison-Salbe auf, denn wenn nichts mehr hilft, hilft immer noch Cortison. Oder? Bevor ich das Haus verließ schminkte ich mich sorgfältig und benutzte Foundation, fast jeden Tag. „Man sieht ja gar nichts“, sagte eine Freundin, der ich von meinen Hautproblemen erzählte. Ja, man sah nichts – aber ich wusste schließlich, wie es um meine Haut unter der Schminke bestellt war.
Zurück in die Pubertät
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Plötzlich fühlte ich mich so, wie ich mich schon sehr lange nicht mehr gefühlt habe: hilflos, hässlich, meinem Körper und seinen Launen ausgeliefert. Ich fühlte mich wie als Teenagerin, als alle meine Freundinnen ihre Pfirsichhaut zur Schau trugen und ich meine zahlreichen Pickel mit Clearasil-Abdeckstift bearbeitete. Ich fühlte mich wie mit Anfang 20, als meine Gesichtshaut nur noch aus Pickelchen, nässenden Stellen und Poren zu bestehen schien. Damals sah ich, wie heute, auch irgendwann ein, dass das Ganze nicht einfach nur schlechte Haut war, sondern etwas anderes. Ich ging zum Arzt – und bekam die Diagnose „Schuppenflechte“. Aber halt, Schuppenflechte kannte ich doch nur von meinen Beinen, warum war die jetzt in meinem Gesicht?
Nie werde ich den Augenblick vergessen, als ich mitsamt meiner furchtbaren Haut im Behandlungszimmer meines damaligen Arztes Platz nahm, er mich anschaute, die Augen zusammenkniff und sagte: „Ja, schlimm, weiß man nicht, was das sein könnte.“ Ich kam mir vor wie ein Alien, wie jemand, der eine so dermaßen rätselhafte Haut hatte, dass nicht einmal ein Dermatologe das schon mal gesehen hatte. Es folgten zahlreiche Allergietests (alle negativ), die Verschreibung einer Cortison-Salbe (was sonst) sowie eine Handvoll Hautprodukt-Proben, die auf den Tisch geworfen wurden („Ausprobieren“). Die Cortison-Salbe half, zum ersten Mal seit langem war meine Haut nicht mehr dauerempört. Pflichtschuldig testete ich einige der Proben und fand etwas, das für mich funktionierte. Zeitgleich ließ ich mir den NuvaRing verschreiben (Kommentar der Gynäkologin: „Bei Ihren Hautproblemen würde ich die Spirale eher nicht empfehlen“) – und hatte seitdem nie wieder größere Probleme mit meiner Haut.
Unangenehme Erkenntnis
Bis jetzt. Wenn ich in den Spiegel sah, war ich wieder die unsichere Teenagerin, die überforderte Studentin. Die junge Frau, die mit depressiven Verstimmungen kämpfte, immer wieder. Die nach Bestätigung suchte, nach Anerkennung, nach diesem Punkt, an dem man merkt: So wie ich bin, bin ich okay. Die darauf wartete, dass irgendwann dieses Zeichen kommt, dass sie normal ist, so wie alle anderen. Jahre meines Lebens, wie ausgewischt. Es ging um meine Haut, und dann doch wieder nicht. Mehr noch als meine nun wieder furchtbare Haut schockierte mich diese Erkenntnis: Vielleicht bin in Sachen Selbstwertgefühl und -akzeptanz doch gar nicht so weit gekommen, wie ich immer dachte. Es ist eine Erkenntnis, die mir nicht besonders gefiel.
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Mittlerweile wirkt die Creme (tatsächlich fand ich eine Apotheke, die die Creme bis zum nächsten Tag herstellen konnte). Mein Gesicht sieht wieder annähernd so aus wie das Gesicht, das ich kenne und mag (eigentlich) und ich traue mich auch ohne dicke Make-up-Schicht aus dem Haus. Das ist toll und ich könnte nicht erleichterter sein. Trotzdem bleibt die Feststellung: Das Verhältnis zwischen dieser Haut, in der ich wohne, und mir, es ist ganz offensichtlich gestört. Manche Probleme können wir mit Cremes behandeln, mit Medikamenten. Aber manche Probleme gehen doch tiefer. Unter die Haut.