Ich lese leidenschaftlich gern Horoskope, vor allem, wenn sie mir gerade gut in den Kram passen. Wenn sie der Widder-lichen Persönlichkeit wohl gesonnen sind und mit sanften Worten den Bauch pinseln zum Beispiel oder orakeln, demnächst würde mal wieder alles ziemlich glatt laufen. Passiert aber nur selten. Der Widder scheint unter den Sternzeichen tendenziell das Arschloch zu sein, so schwant mir. Ein komplizierter aber immerhin ehrlicher und mit viel Glück auch herzlicher Haudegen, der stets ein bisschen zu viel erwartet und will und fordert. Bevor ich ob der ungünstig stehenden Planeten also zu verzweifeln drohe, weiche ich deshalb nicht selten auf meinen Aszendenten aus: Den Löwen. Aber auch der brüllt lieber als zu schnurren. Weshalb insbesondere Youtube zum Auftakt des neuen Jahres nicht mit Mahnungen an Aries und Leo geizt. Ganz oben auf der Mantren-Liste: Was du zu sehr willst, geht kaputt, also mach‘ besser mal langsam. Bloß ist exakt das, gelinde gesagt, das Schlimmste, was ich mir vorstellen, ja, was man mir raten kann. Weil ich erstens nicht weiß, wie das überhaupt geht und zweitens fast gar keine Lust habe, mir diese Fertigkeit in mühsamer Geduldsarbeit anzueignen. Vor allem in Sachen Liebe. Dort, so predigt man mir, solle ich mich nämlich verstärkt an der augenscheinlichen Gelassenheit der gemeinen Wasserschnecke orientieren.
Schon immer habe ich geahnt, dass Horoskope mitsamt ihrer Aussagen und Einschätzungen reine Auslegungssache sind. Die Wasserschnecke also – Es kostete mich gerade einmal zwei Minuten des Nachdenkens und ein heimliches Danke an meinen einstigen Bio-Leistungskurs-Lehrer, um mich schließlich wie gewohnt mit dem Hals aus der Sternen-Schlinge zu winden. Mauretania Gregor und Konsorten haben ihre Rechnung offenbar ohne die gewitzte Kegelschnecke gemacht, die vielleicht schrecklich langsam kriechen mag, aber eben auch Pfeile aus ihrem Schlundrohr abzuschießen in der Lage ist, die schneller durchs Meer gleiten als ein Schafsbock je mit dem Kopf vor die Wand rennen könnte. Amor wäre grün vor Neid. Und stolz auf mich. Ganz im Gegensatz zu meinen Freunden, denen mein Balzverhalten mitunter große Sorgen bereitet.
Erst neulich saß ich schwärmend da, verknallt bis über beide Ohren, jubelnd und fast weinend vor Glück. „Ich freue mich ja wirklich“, sagte der Vernunftsfreund, „aber möglicherweise solltest du es diesmal etwas ruhiger angehen lassen, dich nicht gleich so rein stürzen, mit all deinem Gefühl meine ich, das Herz nochmal wegpacken, erstmal observieren und studieren.“ Viel fiel mir dazu nicht ein. Nur: Nein. Lieber verrecke ich eines Tages an einem gebrochenen Herzen, als ihm Contenance zu lehren. Tatsächlich ist mir kaum ein Gedanke derart zuwider; soll das etwa gut sein, in einer Welt, die droht an Scheiße zu ersticken, mit Liebe zu geizen? Das Zügeln von positiven Gefühlen mag modern sein und dem Trend der Sologamie in die risikolosen Karten spielen, aber so funktioniert das für mich nicht. Platzen würde ich. Nehmen wir als Vergleich doch die Musik: Man stelle sich also vor, im Radio liefe urplötzlich der beste Song der Welt – würdet ihr in einem solchen Moment tatsächlich zum Knöpfchen greifen und die Lautstärke runter drehen? Wohl kaum. Ganz im Gegenteil, hoffentlich. Wer fühlen kann, soll fühlen. Oder eben in Mittelmäßigkeit ersaufen. Nur mache ich da dann ausnahmsweise nicht mit. „Sich rein werfen“ bedeutet schließlich nicht „sich vergessen“. Oder gar, zu verschmelzen. Es bedeutet nicht mehr und nicht weniger, als lebendig zu sein. Hunter S. Thompson versteht in etwa, was ich damit ich meine:
Das Risiko, sich bei einem solchen Manöver zu verletzten, ist groß. Es erfordert zweifelsohne Mut. Aber ich meine auch, dass es das wert ist, sogar tausendfach. Und sollte mir meine Zuversicht doch schon morgen das Genick brechen, dann stirbt mein Herz zumindest nicht als leerer Muskel, der nur dazu war, mich auf den Beinen zu halten. Sondern vollgepumpt mit Erinnerungen an Monate und Jahre, die vielleicht dumm, aber wunderschön waren.