Vor wenigen Monaten erst schrieb ich, dass der Modekalender komplett durcheinander sei, sämtliche Regeln außer Kraft gesetzt wurden und wir selbst längst den Überblick verloren hätten. Es herrschte Verwirrung sondergleichen und ein Stück weit Resignation. Warum zeigt Modehaus A jetzt seine Mode für den Winter, während ein anderes Brand seine Models zur selben Zeit in Sommerstücken über den Catwalk schickt. Warum laufen jetzt Männer, wenn alle Aufmerksamkeit doch eigentlich den Frauen gebührt? Lange Zeit verschränkte ich also die Arme, statt mich über das wunderbare Potpourri zu erfreuen, die Veränderung als Chance anzusehen, statt als großes Chaos mit Hang zur Orientierungslosigkeit abzutun.
Denn während ich mich noch über die Innovationsarmut der Modehäuser bei den Pre-Fall-Linien beschwerte, hätte ich auch einfach fünf Minuten abwarten können, um mir die Männerschauen zur Brust zu nehmen. Die wurden in Italien und in Frankreich vor wenigen Tagen nämlich nicht nur präsentiert, sie wurden auch mit weiblichen Looks durchmischt und liefern manchmal sogar etwas, dass längst selbstverständlich sein sollte: Sie waren oft unisex – und kredenzten uns die optische Annäherung der Geschlechter durch die selbstverständliche Auflösung typisch weiblicher oder männlicher Attribute. Und genau deswegen schaue ich mit leichter Verspätung heute eben doch noch mal genauer hin und zeige euch, welches Brand im Kleiderschrank aller Geschlechter funktioniert. Die Fashion Weeks haben sich nämlich längst zu einem gemischten Doppel entwickelt.
Der Grund für diese neue Team-Präsentation ist nicht nur deutlich spannender als die veralterte Geschlechtertrennung, bei der wir entweder das eine oder das andere serviert bekommen, sie darf auch als zeitgenössische Antwort auf die Einführung des dritten Geschlechts verstanden werden. Die Kollektionen von heute sind längst für alle da, die wollen – und genau das wird seit 2016 auch beworben. Alessandro Michele für Gucci machte da natürlich und ziemlich selbstverständlich den Anfang, Labels wie Prada zogen fix nach und nun sind es fast alle anderen Modehäuser, die während der einstigen Männerwoche ihre neue Kollektion für alle zeigen. Die Intention dahinter ist also längst, eine für alle relevante Linie zu kreieren und damit gleich allen Looks mehr Aufmerksamkeit einzuhauchen.
Und was können wir uns noch alles merken?
Tailoring is back!
Anzüge sind das große Ding in diesem Herbst und eines steht neben dem Tailoring ganz weit oben auf unserer „Nachahmen wollen“-Liste: Wir wollen den Zweiteiler am liebsten im lockeren Lagenlook ausführen. Also schnell die Pufferjacke oder den Hoodie drunter und schon funktioniert der sonst so piekfeine Anzug ganz wunderbar nicht nur im Business, sondern auch am Sonntag.
Kommen wir auch schon zum überweiten Hosenbein
Richtig gehört: Es wird endlich wieder richtig weit – und wir sprechen hier keinesfalls nur vom erneuten Revival-Versuch der Schlaghose, sondern von sämtlichen Interpretationen körperferner Hosenmodelle. Gerade geschnitten, karottig oder mit ausgestelltem Bein – Hauptsache weit lautet das Motto. Da machen wir natürlich gleich mit, immerhin geht uns der Skinny-Schnitt schon viel zu lange auf den Senkel.
Von der Ski-Piste direkt in den Alltag
Denn auch bei Label wie Jacquemus oder Kenzo wird es weit – aber im Komplett-Look, bittesehr. Einflüsse vom Bergsteigen sind genauso sichtbar, wie ebenjene, die wir sonst eigentlich eher auf der Skipiste zu sehen bekommen. Auch der Karabiner-Haken mausert sich zurück auf unsere Mattscheibe. Na, was denkt ihr?
Layering: Hauptsache warm!
Lange Zeit liefen auch wir im Winter mit knöchelfreien Hosen herum und bibberten mit Freundinnen um die Wette. Aber das ist längst nicht alles: Erinnert ihr euch an Streetstyle-Bilder im Winter, in denen Frauen leicht bekleidet auch im Sommer hätten stecken können? Ganz sicher erinnert ihr euch. Die Zeit scheint allmählich vorbei, denn das Thema Layering hat sich noch einmal mehr durchgesetzt und garantiert jetzt eines: Frieren war definitiv gestern. Alles andere wäre ja auch wirklich bescheuert, non? Isabel Marants Look möchten wir jedenfalls nachmachen. Macht ihr mit?
Apropos Hoodies
Warum habe ich in meinem Kleiderschrank eigentlich keinen einzigen Hoodie mehr und wie konnte es überhaupt soweit kommen? Maison Kitsuné verrät, wie der Hoodie-Look auch ohne Kapuze funktioniert: Nämlich mit einer abnehmbaren Variante, die gleichzeitig als Schal funktioniert. Besser kann der Look samt Rock-über-Hose gar nicht funktionieren, oder?
Alle Bilder der Menswear Schauen findet ihr natürlich wie immer auf der Vogue.