In Berlin zu leben, hat viele Vorteile: Die Möglichkeit, das Leben nach der eigenen Façon zu leben, das große kulturelle Angebot, der gut ausgebaute Nahverkehr. Ein paar Nachteile gibt es aber natürlich auch, und dazu gehören eindeutig die wenigen Feiertage. Wie oft habe ich mir von meiner Familie in NRW schon ihre Feiertagspläne anhören müssen, begleitet von einem: „Wie, heute ist bei euch kein Feiertag? Habt ihr denn kein Fronleichnam? Kein Allerheiligen?“ Nö, haben wir nicht. Und so gut ich das theoretisch als nicht-religiöse Person finde, praktisch ist so ein Feiertag doch etwas Schönes – vor allem für mich als Freiberuflerin, bedeutet Feiertag doch: Man lässt mich in Ruhe, in meinem Maileingang passiert nichts.
Hybrid aus Muttertag und Valentinstag
Jetzt hat Berlin als erstes deutsches Bundesland beschlossen, den Internationalen Frauentag am 8. März zum Feiertag zu machen. Im Gespräch war auch der 9. Mai, der Europatag, aber da es im Mai schon zwei Feiertage gibt (selbst in Berlin), schien der Termin dann doch nicht so gut geeignet. Stattdessen also: Weltfrauentag. In den sozialen Netzwerken teilten meine europäischen Freund*innen diese Nachricht begeistert, begleitet von Kommentaren wie „Berlin ist wirklich die coolste Stadt der Welt!“. Ich freute mich auch, ganz euphorisch war ich aber nicht.
Dabei ist ein zusätzlicher Feiertag an sich ja etwas Tolles – ich kann die allgemeine Euphorie verstehen und freue mich, wenn andere sich freuen. Ehrlich! Schließlich fühlt es sich so an, als habe der Weltfrauentag eine Aufwertung erfahren, als würde er nun wichtiger genommen. Aber so richtig euphorisch bin ich selbst, wie gesagt, nicht. Was vor allem daran liegt, dass schon jetzt viele den Sinn und Zweck des Weltfrauentags nicht so richtig begreifen und denken, es handele sich dabei um einen Tag, an dem Frauen gefeiert werden. Rosen, Pralinen, das ganze Programm. Eine Art Hybrid aus Muttertag und Valentinstag, ebenso kommerzialisiert und dadurch mehr oder weniger bedeutungslos.
Feierlich statt kämpferisch
Meine Befürchtung ist nun, dass der eigentliche Charakter des Weltfrauentags als „Kampftag“ für Frauenrechte, für Gleichberechtigung, durch seine Umwandlung in einen Feiertag nun gänzlich vergessen wird. Feierlich statt kämpferisch. Gediegene Angelegenheit statt laute Aktion. Ich weiß nicht, ob Berlins regierender Oberbürgermeister Michael Müller (SPD) ähnliche Bedenken hatte wie ich (behaupte aber einfach mal: nein), als er im Deutschlandfunk über den 8. März als Feiertag sprach: „Hier geht es auch darum, sich am 8. März auch bewusst zu machen, dass uns viel gelungen ist im Zusammenleben in unserer Gesellschaft, was Gleichstellung und Gleichberechtigung anbelangt, aber auch noch viel zu tun ist. Es gibt immer noch keine echte Gleichstellung zwischen Männern und Frauen, wenn man alleine an die Arbeitswelt denkt, wo Männer mehr verdienen als Frauen für die gleiche Arbeit. Es gibt viele andere Lebensbereiche, sich das bewusst zu machen, und dann gemeinsam daran arbeiten, dass es besser wird. Das ist eigentlich die Aufgabe eines solchen Feiertages.”
Exakt. Der Weltfrauentag ist eigentlich ein eher trauriger Anlass: Er existiert, weil Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern noch lange nicht erreicht ist. Er ist eine Erinnerung daran, was alles schiefläuft in Sachen equality, weltweit. Ein Tag der Bestandsaufnahme, ein Tag, um aufmerksam zu machen – darauf, dass Frauen weltweit auf vielfältige Weise benachteiligt werden. Der Weltfrauentag ist definitiv kein Tag, um sich gemütlich zurückzulehnen und sich Jubel, Trubel, Heiterkeit hinzugeben. Das sollten wir, Berliner*innen oder nicht, nicht vergessen, auch wenn der Weltfrauentag nun offiziell ein Feiertag ist. Lasst uns weiter für Gleichberechtigung auf die Straße gehen, laut sein, wütend. Nicht nur, aber gerade am 8. März.
Wir halten euch in Bezug auf Veranstaltungen am neuen Feiertag selbstverständlich auf dem Laufenden, um ein klein wenig dafür zu sorgen, dass ihr nicht nur ins wohlverdiente, verlängerte Wochenende schlittert, sondern auch wisst, wie ihr den Tag im Sinne der Gleichberechtigung mitgestalten könnt.