Sich über die mangelnde Qualität des beliebtesten Sonntagskrimis aufregen? Als Küchengespräch pünktlich zum Montagmorgen und für zwischenmenschliche Kontakte ohne richtige Gesprächsthemen, das Beste, was einem passieren kann. Ritual vor der heimischen Mattscheibe, heute Schoßcomputer, für tausende Krimifans in Deutschland. Wer hätte gedacht, dass die Öffentlich-Rechtlichen im Jahre 2019 die Hauptrolle des Göttinger (ehem. Hannoveraner) Tatorts mit einer Schwarzen Frau besetzen. Florence Kasumba spielt Anais Schmitz. Nicht kleckern, sondern klotzen zur besten Sendezeit, denn immerhin hat die Wahlberlinerin erfolgreiche Referenzen wie Black Panther und Mute vorzuweisen. Und was haben wir uns gefreut über etwas mehr Intersektionalität in den Hauptrollen der deutschesten Produktion, die die TV Spielfilm-Welt zu bieten hat. Anfänglich. Am Ende war der Tatort „Das Verschwundenen Kind“, neben blutig, übertrieben und verquer, vor allem eines: Ein reproduzierter Stereotyp in 90 Minuten. Schade, Schokolade.
Da ist man dabei, dem Fernsehkrimi der Woche etwas wirklich gut gemeintes abzugewinnen – und wird ab Stunde Null auch gleich schon enttäuscht. Wer sich auf einen standardisierten Tatort mit besserer Besetzung gefreut hat, ist hier leider fehl am Platz. Das erste Auftreten der Neuen kommt nämlich ohne „Sie müssen die Putzfrau sein“-Attitüde nicht aus – und genau die hält auch no die verbleibenden 78 Minuten an. Schmitz und Lindholm (Maria Furtwängler) haben einen harten Start: Am Tatort ist viel Blut, Anais trägt Handschuhe, ist Schwarz und das Team um Regisseurin und Autorin Franziska Buch konnte sich eine alte Rassismus Leier nicht sparen. Was als Aufhänger für die fortwährend eisige Stimmung zwischen beiden Kolleginnen dienen soll, bleibt ein lausiger Vorwand, um den stark überzeichneten Stereotypen zu rechtfertigen, den Kasumba mimt. Gewaltbereite Kommissarin? Überemotionale Frau? Kontrollverlust?
Klar. Alles kommt zusammen und mischt sich zu einem kochend heißen, feurigen Gemüts-Agglomerat. Einer wahren Powerfrau. Energie, Hitze und Temperament, aber von allem ein bisschen zu viel. Nachdem man schon in der ersten Begegnung eine vor Wut schnaubende Anais Schmitz erlebt, baut sich für die Zuschauer*innen über die gesamte Sendezeit ein Charakter voller Bossyness und Platzhirschmanier auf. Und nicht nur das. Minute 28 holt aus und legt mit einer Ohrfeige an die weiße Kollegin nach. Eine kurze Erklärungen über die eigene emotionale Instabilität und dem Hang zur Körperverletzung in beruflichen Kontexten folgt. Schläge an Kolleg*innen austeilen, wirklich jetzt? Anais ist nicht nur aufbrausend und unkontrolliert, aggro und schnippisch, stark und schön, nein, gefährlich soll sie sein. So sehr, dass sie in den darauffolgenden 60 Minuten fast einen Zeugen verhaut, gar so emotional wird, dass sie mehrfach weint, in Wut ausbricht und Türen knallt. Auf dem Silbertablett: Der Tatort hat uns eine Angry Black Woman serviert.
2019 und eine Schwarze Frau im Tatort. Das ist wichtig, ja das ist ein richtiges High Five an die Verantwortlichen. Bloß mit einem Aber. Denn wer frohlockt und die Charakterzeichnung nicht hinterfragt, bleibt angeschmiert. Das Problem ist, dass TV-Formate damit ringen, rassistische Stereotype über Bord zu werfen oder sie gar als solche zu entlarven. Nicht nur, dass der Tatort vom 03. Februar so ganz ohne semi-rassistischen Witz nicht auskommen mag, so reproduziert er Schwarze Frauen auch als emotionale, temperamentvolle und aggressive Emanzen, die zwar gerne ihr Umfeld kontrollieren aber sich selbst alles andere als zu beherrschen wissen. Und natürlich bleibt dieses Bild nicht nur in audiovisuellen Formaten, in unseren Röhren und Rechnern kleben. Es projiziert sich auf BWOC, auf ihre gesellschaftliche Rezeption, auf den Umgang mit ihnen, auf die Assoziationen mit ihrem Charakter. Dies macht vor Kindergarten und Schule, Studium und Lehre, Job und Partnerschaft nicht halt und ist vor allem eines: problematisch. Und natürlich ist Franziska Buchs Werk (Das verschwundene Kind) nicht das Erste, das ins stereotype Fettnäpfchen tritt. Wir kennen es schon lange. Aus Produktionen wie Honey, Everybody Hartes Chris, Greys Anatomy, How To Get Away With Murder, den Simpsons oder Southpark. Keiner hat’s gemerkt? Klar. Weil es irgendwie dazugehört, ein bisschen normal geworden ist und sich dann klammheimlich in unseren Alltag schleicht, versprochen.
So viel Potenzial die Besetzung auch hatte, was für einen Meilenstein sie auch darstellt; die Inszenierung der schnaubenden Anais bleibt eine bittere Enttäuschung für jene, die um 20:14 schon händereibend auf das Ende der Tagesschau gewartet haben. Es besteht Luft nach oben. Dicke Luft und viel davon. Kritisch bleiben kann wütend machen.