Und schon ist er wieder, da der 8. März. Der Tag der Vereinten Nationen für die Rechte der Frau und den Weltfrieden. Doch diesmal ist, zumindest in Berlin, etwas anders: Der Weltfrauentag ist hier heute ein Feiertag und darüber freuen sich wahrscheinlich selbst diesmal sogar diejenigen, die sonst alles, was mit Feminismus und „Gender-Gedöns“ zu tun hat, eher überflüssig und ätzend finden. Nun hat der Weltfrauentag es ja sowieso schwer – vor allem, weil der wahre Charakter dieses Tages zwischen Rosen, Pralinen und Glückwünschen oft in Vergessenheit zu geraten droht. Der Weltfrauentag ist nämlich mitnichten ein Feiertag, sondern ein Kampftag. Es geht darum, auf Nichterreichtes aufmerksam zu machen, den Finger in die Wunde zu legen und Forderungen zu stellen. Denn Tatsache ist: In Sachen Gleichberechtigung bleibt noch einiges zu tun, auch in Deutschland. Und dabei geht es nicht nur um Frauen – schließlich muss ein Feminismus, der es ernst meint, verschiedene Diskriminierungsformen zusammen denken und analysieren.
Hier kommen 40 Gründe, warum man am Weltfrauentag
– immer noch und immer wieder – auf die Straße gehen sollte
(Ergänzungen im Kommentarfeld sind selbstverständlich erwünscht und hochwillkommen):
1. Erst in 217 Jahren werden Männer und Frauen überall auf der Welt gleiche Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben, das zeigt der Global Gender Gap Report von 2017.
2. Im aktuellen Global Gender Gap Report landet Deutschland nur auf Platz 14 – 2017 reichte es noch für Platz 12.
3. Frauen verdienen in Deutschland auch im Jahr 2019 im Schnitt weniger als Männer: Der Gender Pay Gap beträgt 21 Prozent. Das bedeutet: Frauen arbeiten bis zum 18. März quasi umsonst.
4. Noch immer gibt es das Ehegattensplitting: Eine Steuerregelung, die das traditionelle Rollenmodell bei Paaren fördert und so langfristig für Ungleichberechtigung sorgt.
5. Frauen in Deutschland leisten mehr unbezahlte Arbeit als Männer, vor allem im Haushalt und bei der Kindererziehung: „In Paarhaushalten ohne Kinder verbringen Frauen laut der Studie wochentags doppelt so viel Zeit mit Kochen, Putzen und Wäschewaschen wie ihre männlichen Partner, wie die Funke-Zeitungen weiter berichteten. Bei Paaren, deren jüngstes Kind bis zu sechs Jahre alt ist, brächten Frauen sogar dreimal so viel Zeit für diese Tätigkeiten auf.“ Der Gender Care Gap ist real.
6. Die große Mehrheit der Väter nimmt keine Elternzeit – und wenn, dann meistens nur die zwei „Vätermonate“.
7. Alleinerziehende (neun von zehn Alleinerziehenden sind Frauen) sind in Deutschland überdurchschnittlich häufig armutsgefährdet.
8. Annegret Kramp-Karrenbauer, Merkels Nachfolgerin an der CDU-Spitze und möglicherweise auch im Kanzler*innenamt, macht sich öffentlich über intersexuelle Menschen lustig…
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9. …und Bundesministerin Julia Klöckner findet das nicht so schlimm. Weil keine Witze über das „dritte Geschlecht“ nämlich die wahre Diskriminierung sind. Oder so.
10. Auch problematisch: Das Gesetz zum dritten Geschlechtseintrag.
11. Trans* Menschen müssen über sich selbst immer wieder hören, sie seien „im falschen Körper geboren“ – eine Formulierung, die viele Transgender als falsch und missverständlich ablehnen. Ebenso wie den Begriff „Geschlechtsumwandlung“.
12. Die Gewalt gegen Homosexuelle nimmt in Deutschland seit Jahren kontinuierlich zu.
13. Selbst ein intelligent gemachtes Frauenmagazin mit thematischer Vielfalt und oftmals feministischen Inhalten findet es okay, auf seinem Titel fat shaming zu betreiben.
14. Andere Frauenmagazine erklären lieber, was Männer an Frauen unattraktiv finden. Selbstbewusstsein, beispielsweise: „Klingt blöd, ist aber leider so: Zu starke Frauen schüchtern Männer immer noch ein. Wieso? Männer wollen gebraucht werden. Eine zu selbstbewusste Frau signalisiert aber, dass sie alles alleine kann. Dabei ist es doch gar nicht so schlimm, wenn du dir von deinem Boy mal die Wasserkästen in die vierte Etage schleppen oder beim Reifenwechsel helfen lässt.“
15. Ohne Tipps für die „Bikinifigur“ geht es nicht (von „Badehosenfigur“ spricht hingegen niemand).
16. Hygieneprodukte wie Tampons und Binden fallen in Deutschland in die Kategorie „Luxusartikel“ und werden deshalb mit 19% besteuert – im Gegensatz zu Dingen des täglichen Bedarfs (u.a. Kaviar und Schnittblumen), die nur mit 7% besteuert werden.
17. Sowieso dürfen Frauen gerne mal mehr zahlen, zum Beispiel fürs Haareschneiden, für Rasierer oder Cremes.
18. Immerhin gibt es für sie eine spezielle „Frauenbratwurst“. Ebenso wie Frauenchips, Frauengurken… Auch 2019 gilt Gender-Marketing als adäquates Mittel, Produkte an den Mann und die Frau zu bringen. Weil sich so doppelt verdienen lässt.
19. Gleiches gilt auch für Kinder: Für Mädchen ist alles in rosa, für Jungs alles in blau. Damit schon die Kleinsten genau wissen, in welche Schublade sie gehören.
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20. Sophie Thomalla bewirbt derweil die „Männertage“ bei Mediamarkt: „An diesen Tagen streichelt er einfach alles, was Knöpfe hat“.
21. Abtreibung ist in Deutschland nicht legal, sondern nur in bestimmten Ausnahmefällen „straffrei“. Grundsätzlich sind Schwangerschaftsabbrüche laut §218 StGB also eine Straftat.
22. Als einziges Land in Europa verbietet Deutschland sogenannte „Werbung“ für Schwangerschaftsabbrüche – auch nach der Reform von §219a.
23. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn findet §219a gut. Grundsätzlich traut er Frauen, wenn es um deren eigenen Körper geht, nicht über den Weg.
24. Weshalb er jetzt eine Studie zu den psychischen Folgen von Abtreibung in Auftrag gegeben hat – eine Studie, die so unnötig wie teuer ist.
25. Frauen in Deutschland sollen also möglichst Kinder bekommen (#Gebärzwang). Gleichzeitig herrscht dramatischer Hebammenmangel: „Eine Hebamme zu finden, die Schwangere und Mütter mit ihren Familien bei Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett betreut, ist nicht mehr immer und überall in Deutschland möglich. Personalengpässe in Kliniken sind an der Tagesordnung. Dazu haben sich die Haftpflichtversicherungsprämien für Hebammen von 2002 bis 2017 mehr als verzehnfacht.“
26. Beziehungen sind für Frauen extrem gefährliche Orte: 2017 starb im Schnitt jeden zweiten bis dritten Tag eine Frau durch die Hand ihres Partners oder Ex-Partners – die Dunkelziffer dürfte noch höher liegen.
27. Trotzdem wird diese Art von Gewalt oft verharmlost.
28. Fast die Hälfte aller Frauen in Deutschland hat sexuelle Belästigung erfahren.
29. Ein Jurastudent klagt gegen Existenz von Frauenparkplätzen – und bekommt teilweise recht.
30. Geschlechtergerechte Sprache wird angefeindet und lächerlich gemacht. Gibt doch schließlich das generische Maskulinum, bei dem Frauen „mitgemeint“ sind.
31. Mitgemeint sind Frauen wahrscheinlich auch im Bundestag: Dort beträgt der Frauenanteil nur knapp 31 Prozent.
32. Auch in den Ministerien werden Frauen systematisch von der Macht ferngehalten: Von den seit 1949 verbeamteten Staatssekretären waren nur drei Prozent Frauen. Im Klartext: Es gab in dieser Funktion bisher mehr Männer, die Hans hießen, als Frauen.
33. Frauenquoten, ob in der Politik oder der Wirtschaft, sind trotzdem nicht gern gesehen. Schließlich diskriminieren sie Männer.
34. Außerdem gibt es so etwas wie Ungleichberechtigung laut AfD-Politikerin Nicole Höchst gar nicht: Sie verglich strukturelle Benachteiligung von Frauen mit dem Yeti – beides existiere nicht.
35. Überraschung: Strukturelle Benachteiligung von Frauen gibt es aber doch! Zum Beispiel im Literaturbetrieb, in der Musikbranche, im Fußball, in der Hochkultur…
36. Der Tatort hat endlich eine schwarze Kommissarin – und die entpuppt sich leider als Angry Black Woman.
37. Kein Wunder, beim Thema audiovisuelle Diversität steht das deutsche Fernsehen nicht gut da: Wenn Frauen gezeigt werden, dann häufiger im Kontext von Beziehung und Partnerschaft.
38. Frauen haben es beim Fernsehen grundsätzlich schwer, vor allem, wenn sie in Schlüsselpositionen arbeiten: Nur 12 % der Sendeminuten in der Primetime von 18:00 bis 23:00 Uhr werden beim ZDF von Regisseurinnen inszeniert. Bei der ARD sind es 15 %.
39. Beim Film sieht es nicht besser aus: Nur 15 % der deutschen Kinofilme entstehen unter weiblicher Regie. Regisseurinnen bekommen max. 10 % der Fördergelder, obwohl Frauen nahezu die Hälfte der Hochschulabschlüsse im Fach Regie ausmachen.
40. Die Online-Enzyklopädie Wikipedia wird fast nur von Männern gemacht. Editorinnen werden systematisch von der Plattform verdrängt.
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