Am 26. Mai ist Europawahl. Keine Ahnung, wer oder was da überhaupt gewählt wird? Warum die Wahl wichtig ist? Wo sich Infos zu den verschiedenen Parteien und Wahlprogrammen finden? Keine Panik, ein paar Antworten folgen hier, um eines sicher zu stellen: Nämlich, dass ihr wählt!
Also, die Europawahl. Muss ich wirklich wählen gehen?
Um es kurz zu machen: Ja. 100 Jahre ist es her, dass Frauen in Deutschland zum ersten Mal wählen und sich wählen lassen durften. Da kann es nicht schaden, sich daran zu erinnern, dass Rechte auch gewisse Pflichten mit sich bringen. Wer das Wahlrecht hat, hat auch die Pflicht, sich über politisches Geschehen zu informieren, die Pflicht, seine Stimme zu nutzen – gerade heute, wo der politische und gesellschaftliche Diskurs nach rechts rückt und in immer mehr europäischen Ländern rechte und rechtspopulistische Parteien konkreten Einfluss auf die Politik nehmen. Das sollten wir uns heute bewusst machen, wenn uns die Politikmüdigkeit überkommt, wir den Eindruck haben, dass die Parteien sich sowieso alle gleichen und unsere Stimme keinen Unterschied machen wird. Die Bundeszentrale für Politische Bildung bietet ein schönes Wahlbingo für Nichtwähler*innen an.
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Außerdem: Je mehr Menschen zur Wahl gehen (bei der Europawahl 2014 waren es in Deutschland nur 48,1 Prozent der Wahlberechtigten), desto mehr Legitimation genießt das Parlament als Institution. Letztendlich geht es bei der anstehenden Wahl darum, wie sich der Rechtsruck, der gerade in vielen europäischen Ländern stattfindet bzw. stattgefunden hat, in der Zusammensetzung des Europäischen Parlaments zeigen wird.
Schon kapiert, wählen ist wichtig. Aber was ist das Europaparlament denn überhaupt?
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Im Europäischen Parlament, dem Parlament der Europäischen Union, sitzen Abgeordnete aus allen EU-Mitgliedsstaaten – sie repräsentieren nationale Parteien, sind aber in europäischen Parteifamilien organisiert (die SPD beispielsweise in der S&D-Fraktion, die CDU in der EVP-Fraktion, die FDP in der ALDE-Fraktion usw.). Das Europäische Parlament hat seinen offiziellen Sitz in Straßburg (Arbeitsorte sind außerdem Brüssel und Luxemburg) und wird seit 1979 alle fünf Jahre von den Bürger*innen der EU gewählt. Es ist das einzig direkt gewählte Organ der Europäischen Union. Bis zur ersten Direktwahl 1970 hieß das Europaparlament nicht „Parlament“, sondern „Parlamentarische Versammlung“ und hatte lange keine wirklichen Kompetenzen. Erste Präsidentin des direkt gewählten Europaparlaments wurde die Französin Simone Veil. |
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Seit den 1980ern hat das Europaparlament sukzessive Kompetenzen dazu gewonnen. So teilt es sich mit dem Rat der Europäischen Union (dem Gremium der Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten) die Gesetzgebungs- und Budgetierungsfunktion, d.h., es ist am Gesetzgebungsverfahren und der Entscheidung über den EU-Haushalt beteiligt. Zusätzlich kontrolliert das EU-Parlament die Europäische Kommission und den Rat der Europäischen Union und wählt, auf Vorschlag des Europäischen Rates (dem Gremium der Staats- und Regierungschef*innen der EU) den Präsidenten der Europäischen Kommission – hierbei hat der Rat die Ergebnisse der letzten Europawahl zu berücksichtigen.
Das EU-Parlament ist also supranational! Heißt das, ich kann Kandidat*innen aus anderen EU-Ländern wählen?
Nein. Wie alles, was mit der EU zu tun hat, ist auch das Wahlsystem ein kleines bisschen kompliziert. Grundsätzlich gibt es keine transnationalen Wahllisten – die Voraussetzung dafür wären, dass eine Deutsche beispielsweise einen Kandidaten aus Italien wählen könnte –, sondern nur nationale. Das heißt, in jedem EU-Land treten nationale Kandidat*innen an, für die man abstimmen kann. Eine Ausnahme ist die Bewegung Demokratie in Europa, die auf ihrer Liste Kandidat*innen aus sieben europäischen Ländern präsentiert. Spitzenkandidat ist der ehemalige griechische Finanzminister Yanis Varoufakis.
Apropos Spitzenkandidat: Was hat es damit auf sich?
Bereits zum zweiten Mal (das erste Mal war bei der Wahl 2014) treten europaweit Spitzenkandidat*innen an – die Idee dahinter ist, dass so mehr Sichtbarkeit für die einzelnen Parteien und ihre Themen entsteht. Die Spitzenkandidat*innen vertreten außerdem den Anspruch, den oder die Präsident*in der Europäischen Kommission zu stellen, sollte ihre Partei stärkste Kraft im Europaparlament werden. Die Kommissionspräsidentschaft wird nämlich danach besetzt, welche Fraktionen im Europaparlament die meisten Sitze haben. Bei der Europawahl wird also nicht nur das Parlament gewählt, sondern indirekt auch darüber bestimmt, wer der Kommission vorsitzt.
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Das klingt kompliziert…
…ist es auch! Hinzu kommt, dass es Spitzenkandidat*innen auf europäischer und nationaler Ebene gibt. Frans Timmermans beispielsweise ist Spitzenkandidat der europäischen Sozialdemokrat*innen (SPE), Manfred Weber der europäischen Konservativen (EVP) und Ska Keller Spitzenkandidatin der europäischen Grünen. Diese Spitzenkandidat*innen können allerdings in Deutschland nicht direkt gewählt werden, weshalb es noch nationale Spitzenkandidat*innen gibt: Für die SPD sind das beispielsweise Katarina Barley und Udo Bullmann, für die FDP tritt Nicola Beer an.
Mal ehrlich: Was haben Europaparlament und EU denn überhaupt mit meinem Leben zu tun?
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Eine ganze Menge! Der Instagram-Account EU FOR YOU (@eu.for.you) zeigt zum Beispiel anhand verschiedener Themenfelder, was die EU konkret für ihre Bürger*innen macht. Tatsächlich ist die EU oft besser als ihr Ruf, beispielsweise, wenn es um Gleichstellungspolitik geht. Die EU, und so auch das EU-Parlament, beeinflussen die Gesetzgebung der einzelnen EU-Mitgliedstaaten, schaffen gemeinsame Standards und Verpflichtungen.
Okay, okay. Wann steht das große Ereignis – a.k.a. die Wahl – denn an?
Am Sonntag, den 26. Mai 2019. Die Wahllokale haben von 8 bis 18 Uhr geöffnet. Welches dein Wahllokal ist, steht auf der Wahlbenachrichtigung, die wahrscheinlich schon in deinem Briefkasten gelandet ist. Übrigens: Im Wahllokal muss die Wahlbenachrichtigung nicht vorgezeigt werden, es reicht auch ein Personalausweis oder Reisepass. Eine Übersicht über alle Termine und Fristen gibt es hier. Achtung: Die URL europawahl-2019.de hat sich die Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP) gesichert – wer diese Adresse anklickt, wird automatisch auf wenigeristmehr.jetzt weitergeleitet. Hat denn niemand von der CSU gelernt? Die ÖDP zumindest kann sich verdientermaßen über diesen Coup freuen.
Sonntag! Da liege ich aber vielleicht verkatert im Bett rum/besuche Verwandte/bin im Urlaub…
Kein Problem, es gibt ja noch die Briefwahl! Die kann jede*r ohne Angabe von Gründen beantragen, und zwar bei der Gemeinde des eigenen Hauptwohnorts.
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Das funktioniert so:
Wahlschein beantragen
- Auf der Rückseite der Wahlbenachrichtigung befindet sich ein Vordruck, den man einfach zurücksenden kann
- Mittlerweile geht das Antragstellen in vielen Gemeinden aber auch online – einfach auf der Webseite der entsprechenden Gemeinde nachschauen
- Ansonsten kann der Wahlschein auch persönlich (also vor Ort) beantragt werden
- Achtung I: Der Wahlschein kann nicht telefonisch bestellt werden!
- Achtung II: Den Wahlschein besser früher als später beantragen! (letzter Termin für den Antrag ist Freitag, der 24. September, vor 18 Uhr)
Unterlagen ausfüllen
- Wahlschein plus Briefwahlunterlagen flattern per Post in deinen Briefkasten
- Neben dem Wahlschein enthält der Brief auch einen amtlichen Stimmzettel, einen blauen Stimmzettelumschlag, einen roten Wahlbriefumschlag sowie ein Merkblatt
- Jetzt wird gewählt: Unbeobachtet das Kreuzchen auf dem Stimmzettel machen
- Anschließend die „Versicherung an Eides statt zur Briefwahl“ (befindet sich auf dem Wahlschein) unterschreiben
- Stimmzettel und Wahlschein zusammen mit dem blauen Umschlag in den roten Umschlag stecken, zukleben
- Absenden – fertig! Ganz easy.
Von wegen easy – ich weiß ja noch nicht mal, wen ich wählen soll!
Nun, die Entscheidung kann dir niemand abnehmen. Wer sein Kreuzchen machen will, kommt nicht drumherum, sich vorher über die politischen Positionen der Parteien zu informieren. Hart, aber fair. Da hilft zunächst mal ein Blick in die jeweiligen Wahlprogramme – die Landeszentrale für Politische Bildung Baden-Württemberg hat alle Programme ganz praktisch auf einer Seite zusammengestellt.
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Es hilft, wenn man selbst weiß, was einem wichtig ist: Welche Themen im eigenen Leben eine Rolle spielen, wofür man sich engagiert, was einen beschäftigt. Du wirst nie mit einem Partei-Programm vollkommen d’accord sein – aber zumindest bei den dir wichtigen Themen solltest du Schnittmengen zwischen dir und einer Partei feststellen. Funktioniert natürlich auch in die andere Richtung:
Wenn eine Partei bei gewissen Themen eine völlig konträre Position zu deiner eigenen vertritt, solltest du sie nicht wählen. Ninia Binias (alias Nina LaGrande) beispielsweise hat sich die Wahlprogramme danach durchforstet, welche Rolle das Thema Inklusion darin spielt (auf Ninias Instagram-Profil klicken und dort bei Story-Highlights auf „Europawahl“). Bei der Tagesschau gibt’s eine Übersicht, was die Parteien im Bereich Digitalisierung, Klimaschutz, Migration, Verteidigung und Zukunft der EU vorhaben.
Sobald du deine Wahlbenachrichtigung hast und weißt, wer in deinem Wahlkreis antritt, kannst du dich auch direkt auf den Webseiten der Kandidat*innen umschauen: Welche Akzente setzen die Kandidat*innen vor Ort? Wie sieht ihre Agenda aus? Was haben sie bisher geleistet? Abgeordnetenwatch (speziell für die Europawahl) ist dabei ein nützliches Tool. Alternativ kann ein Blick auf die Wahlplakate helfen (oder auch nicht).
Mh. Gibt’s nicht noch einen Weg, der weniger aufwändig ist?
Eigentlich nein. Und eigentlich doch. Denn da wäre dieses nette kleine Tool namens Wahl-O-Mat, entwickelt und betreut von der Bundeszentrale für politische Bildung. Der Wahl-O-Mat zeigt laut Eigenbeschreibung, „welche zu einer Wahl zugelassene Partei der eigenen politischen Position am nächsten steht“. 38 Thesen müssen mit „stimme zu“, „stimme nicht zu“, „neutral“ oder „These überspringen“ beantwortet werden. Am Ende steht dann fest, mit welcher Partei man die meisten Übereinstimmungen hat. Aber Achtung: Eine Wahlempfehlung ist das Ergebnis nicht! Besser ist es, die eigenen Antworten zu den Thesen nochmal mit den Positionen der Parteien abzugleichen (auch dieses Feature bietet der Wahl-O-Mat). Denn es kann gut sein, dass du mit einer Partei zwar insgesamt die meisten Übereinstimmungen hat, ihr bei dir wichtigen Themen aber voneinander abweicht.
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Für alle, die mal etwas anderes als den Wahl-O-Mat ausprobieren wollen, können es mit dem WahlSwiper (funktioniert nach dem Tinder-Prinzip), You Vote EU, Dein Wal oder parteivergleich.eu versuchen.
Okay. Und wie verbringe ich jetzt die verbleibenden Tage bis zur Europawahl?
Natürlich damit, dich auf die Wahl einzustimmen! Zwischen den Spitzenkandidaten der größten europäischen Parteien – EVP und SPE – finden mehrere TV-Duell statt: Bereits Anfang Mai trafen Manfred Weber (EVP) und Frans Timmermans (SPE) in der ARD in einer „Wahlarena“ auf einander (eine Zusammenfassung gibt es hier). Am 16. Mai zeigt das ZDF eine weitere Debatte zwischen den beiden sowie zusätzlich ein Streitgespräch zwischen den Spitzenkandidat*innen der kleineren deutschen Parteien (FDP, Linke, Grüne, AfD).
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Außerdem ist der junge Think Tank Polis 180 mit seiner Kampagne Jung & Wählerisch in Deutschland unterwegs: Am 14. Mai macht sie Halt in Dresden, am 16. Mai in München. Alle Infos gibt es hier. Und: Momentan läuft noch eine Aktionswoche, organisiert von Vertreter*innen der European Amnesty Youth Action. Die Aktionswoche endet am 19. Mai mit Demonstrationen in sieben deutschen Städten. Alle Infos gibt es hier.
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