In den 80er Jahren erlangten die T-Shirts von Katharine Hamnett Kultstatus. „Choose Life“, „Think Global“ und „Worldwide Nuclear Ban now“ stand in großen Buchstaben auf ihnen und verbreiteten die politischen Botschaften der britischen Designerin. In den folgenden Jahren taten es ihr Kolleg*innen gleich, so ließ etwa Vivienne Westwood im Jahr 2005 „I AM NOT A TERRORIST, please don’t arrest me“ auf T-Shirts drucken, vor zwei Jahren folgte schließlich Dior mit feministischen Slogans. Mode ist also natürlich sehr wohl entgegen ihres oberflächlichen Rufs immer wieder politisch – und war es schon immer, auch fernab des Laufstegs, zum Beispiel bei Demonstrationen oder in der Punkszene. Auch heute ist es allgegenwärtig, politische Botschaften auf Kleidungsstücken zu tragen und die eigene Einstellung zu gesellschaftsrelevanten Thematiken so der Außenwelt mitzuteilen – gar Werbung für sie zu machen. Hier nun zwei Beispiele, um zu verdeutlichen, was genau ich meine:
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an
Von Europa-Pullovern und fehlenden Sternen
Da wäre zum Beispiel der blaue Hoodie mit den gelben Sternen, der Zusammenhalt und ein gemeinsames Europa symbolisiert und bereits im Jahr 2017 lanciert wurde. Auch heute noch ist der Pullover, der einst in Zusammenarbeit mit dem Berliner Label Souvenir und der König Galerie entstand, allgegenwärtig – und im Rahmen der bevorstehenden Europawahlen am 26. Mai gar noch präsenter. Mittlerweile wurde das Sortiment rund um das EU-Symbol mit dem fehlenden Stern auf Socken, Bauchtaschen, T-Shirts und Patches ausgeweitet, um die Botschaft möglichst breit nach außen zu tragen. Verbreitet wird sie dank des EUnify-Hoodies allemal, von Menschen wie Virgil Abloh oder Toni Garrn, aber auch hierzulande von Sophie Passmann oder Jan Böhmermann – eben von Menschen des Öffentlichen Lebens, die mit ihrer riesigen Fangemeinde die Werte und Einstellungen teilen wollen. Dabei versteht sich der sogenannte EUnify-Hoodie in erster Linie als Zeichen für die Europäische Einheit, für Frieden, aber auch als Mittel zum Diskurs, denn natürlich muss nicht alles an der EU gefeiert noch geliebt werden.
„The Future is Female“
Eine andere Sparte, die in den vergangenen Jahren wieder wahnsinnig an Popularität gewann, sind Kleidungsstücke mit feministischen Slogans. So stattete Dior seine Models für die Frühling/Sommer 2017 Kollektion mit weißen T-Shirts, auf denen in großen, schwarzen Buchstaben die Worte „We should all be Feminists“ prangten, aus und schickte sie über den Laufsteg. Der Anklang war groß und schon bald folgten High Street Stores wie H&M, Topshop und Co, die ihre Versionen auf den Markt brachten. Innerhalb kürzester Zeit wurden sie zig Mal getragen, von Mädchen und Frauen, manchmal sogar von Männern, von jenen, die berühmt sind und solchen, die für diese Botschaft einstehen – oder es einfach bloß schön finden. Die Gesellschaft spaltete sich unterdessen in zwei Lager: Während die einen noch feierten und sich mit ebenjenen Aufdrucken schmückten, sprachen andere bereits vom Ausverkauf des Feminismus. Es herrschte Orientierungslosigkeit, Wut und Groll, massives Unverständnis und ein nicht enden wollender Diskurs. Sie schlugen jedenfalls so hohe Wellen, sodass sich zuweilen das Gefühl einschleichen könnte, all die T-Shirts seien revolutionär. Tatsächlich aber finden jene Stücke, die zwischenzeitlich bei Mango & Co. angeboten wurden, ihren Ursprung bereits in früheren Jahren. So wurde das orignal „The Future is Female“ T-Shirt bereits in den 70er Jahren für „Labyris Books“, den ersten New Yorker Buchladen für Frauen kreiert, wo es fortan verkauft wurde. Ein Foto aus dem Jahr 1975 zeigt Alix Dobkin, die das Shirt für die Fotoreihe „What the Well Dressed Dyke Will Wear“ von Liza Cowan trägt.
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an
Auch die Version mit der Aufschrift „Girls to the Front“, die bei Pull & Bear verkauft wird, hat tiefer liegende Wurzeln, die auf die Sängerin Kathleen Hanna der früheren Punkband Bikini Kill zurückzuführen sind: Um die Diskriminierung von Frauen in der Punkszene der 90er Jahre aufzubrechen, rief sie alle weiblichen Besucherinnen während ihrer Konzerte in die erste Reihe – ein Ort, der sonst von Männern dominiert wurde. Und überhaupt gilt Kathleen Hanna als Feministin durch und durch, die ihren Unmut in früheren Jahren in sozialkritischen Fan Zines Luft machte und stets für die Gleichberechtigung kämpfte.
Wird man aktiv, wenn man ein Kleidungsstück trägt?
Ja, Mode ist durchaus politisch, auch haben all die T-Shirts und Pullover und Buttons wohl ihre Berechtigung, denn so lässt sich die Einstellung, die Botschaft, schnell und einfach nach außen tragen. Etwa, dass man sich gegen rechts gesinnte Parteien aufstellt und Rassismus verurteilt. Und das ist doch gut, oder? Schließlich bringt man Menschen so zum Nachdenken oder zumindest dazu, sich zu informieren, sich überhaupt zu interessieren. Auch, wenn man vielleicht nicht immer mit der Meinung anderer übereinstimmen mag. Zumindest aber sorgen sie für einen Diskurs, erinnern uns immer und immer wieder daran, selbst wählen zu gehen, die eigene Einstellung zu stärken, etwas zu bewegen.
Und trotzdem ertappe ich mich dabei, selbst in einem Zwiespalt zu stecken. Zum Beispiel, wenn es darum geht, ein T-Shirt mit einem feministischen Slogan zu tragen, das für 10 Euro im Geschäft eines Unternehmens hängt, dessen Arbeiter*innen unter schlechtesten Bedingungen in fernen Produktionsstätten sitzen, wie bereits Margarete Stokowski in einem Artikel für den Spiegel anmerkte. Das mag vielleicht nicht die Aussage der ursprünglichen Idee mindern, denn die ist ja, zumindest wenn man die zwei oben genannten Beispiele betrachtet, durchaus gut und wichtig. Wohl aber hinterlässt es ein merkwürdiges Gefühl.
Doch selbst wenn das Stück unter fairen Bedingungen hergestellt wurde, will ich einfach nicht zu einem Ergebnis kommen und drehe mich gedanklich im Kreis, gehe immer und immer wieder die Artikel durch, in denen die Meinungen weit auseinander klaffen. Ich weiß nicht, ob es schlecht ist, ein Kleidungsstück mit einer politischen Message zu tragen, ja gar zurecht verpönt, wie Jana Gioia Baurmann es in ihrem Artikel verlauten lässt, weil es allein nun einmal nicht ausreichend ist, so ganz ohne Taten, die eben auch unbequem sein müssen. Oder ob es vielleicht doch okay ist, weil es schon ein klein bisschen etwas ausrichten kann, beispielsweise, wenn es dazu führt, dass andere Menschen es wahrnehmen und manch eine*r sich im Anschluss vielleicht doch noch informiert. Insgeheim habe ich gehofft, während des Schreibprozesses zu einem Ergebnis zu kommen. Dass es nicht passiert ist, ist ziemlich frustrierend und ich frage mich, ob es überhaupt eine richtige Antwort gibt und, wenn ja, wo ich sie finden kann.
Vielleicht aber sollte ich aufhören, dass produzierte Stückchen Stoff als unantastbares Kleidungsstück zu begreifen, das wie ein gedrucktes Wort im Buch steht und es vielmehr als Diskussionsgegenstand verstehen. Eines, das den Stein ins Rollen bringt und mich, sein Gegenüber zum Weiterdenken, -spinnen und Werten zwingt. Vielleicht formt sich so, ganz individuell je nach Fahne, Wort oder Botschaft, die am Ende vorne, an der Seite oder auf der Rückenpartie steht, eine andere Konklusion, die ich mal ablehnend und fürchterlich, wieder vollkommen bereichernd und wunderbar finde.
Bildquellen in der Collage: Vogue Runway, Souvenir Instagram-Account