Warum reden wir ständig über andere Paare?

08.07.2019 box3, Kolumne

Es dauerte ungefähr einen Schluck Espresso lang, bis meine müde Freundin mit einem Mal wieder ganz munter wurde, sich dezent in Rage quatschte, ein paar Kuchenkrümel verlor und schließlich schwer genervt nachfragte, ob mir das denn eigentlich noch nie aufgefallen sei, dass Paar-Menschen, also solche, die in Beziehungen stecken, wirklich erstaunlich oft über andere Paare reden würden. Gleichzeitig patschte sie mit beiden Händen an meinen Schultern herum, schüttelte mit dem Kopf und sagte: Kapier‘ ich nicht.

Auch ich hätte gern mit dem Kopf geschüttelt, in diesem Moment, weil mir zum ersten Mal dämmerte, was die Leute wohl alles über meinen Freund und mich denken oder sagen könnten, wenn sie denn wollten. Genug Futter gäbe es ja, ich bin schließlich nicht ballaballa. Plötzlich war also auch ich ganz sicher: Ja – Menschen reden schweinegern über Paare. Und zwar nicht nur über die aus den Magazinen. Oder meine ich das nur? Möglich.

Wegen der Metamemory zum Beispiel, oder der „unbeabsichtigten bewussten Erinnerung“, die unter anderem dafür sorgt, dass wir ein Wort, das wir gerade erst neu gelernt haben, fortan ständig hören, obwohl wir schwören könnten, ihm zuvor niemals begegnet zu sein. Es mag also sein, dass mir schlichtweg nie aufgefallen ist, dass Paare, ach was, Menschen gern über andere Paare und Beziehungen tratschen, im guten wie im schlechten Sinne, aber jetzt, wo ich selbst wieder ein Pärchen bin, sind meine Antennen weit ausgefahren. Stichpunkt: Autoaggression. Oder besser: Heimlicher Fremdscham. Den kennen wir doch, jetzt seid mal ehrlich, alle. Ich meine, vergesst „Schatzi“. Der Mann und ich sind mittlerweile bei „Schnurzel“ angelangt, auch im Restaurant und sogar am Telefon. Wäre ich nicht ich und würde ich dem Ursprung dieser behämmerten Kosenamen (The Bates – „Schnoitzelchen“) außerdem ahnungslos gegenüber stehen, mir würde auf lange Sicht vermutlich auch der Vogelfinger entgleiten. 

Es geht ja aber gar nicht nur um harmloses Gerede hinter vorgehaltener Hand über neue Konstellationen, ums Miesmupfeln über andere und Belächeln schräger Angewohnheiten, sondern ganz grundsätzlich um das Kommentieren fremder Beziehungen oder besser: das konstante Beobachten. Und Besserwissen.

Eine schnelle Umfrage im Freundes- und Bekanntenkreis ergab jedenfalls, dass ich mit diesem (neuen) Eindruck nicht gänzlich allein dastehe. Während die einen immer wieder zu hören bekommen, sie müssten jetzt endlich mal zusammen ziehen oder Kinder kriegen oder heiraten oder zumindest Schluss machen, ärgert sich das nächste Paar darüber, seit einem ebenso kurzen wie menschlichen Rumpelstilzchen-Moment auf offener Straße als quasi geschieden zu gelten, in der gesamten Nachbarschaft. Da kommt Freude auf. 

Es ist nunmal so herrlich einfach. Über fremdes Verhalten zu sinnieren, statt sich selbst zu reflektieren. Und außerdem: Einfacher, die eigenen Macken zu akzeptieren, sobald wir sie auch an anderen entdecken, einfacher, daran zu glauben, dass am Ende alles gut wird, solange sich die anderen auch mal fetzen, einfacher, sich selbst ziemlich okay zu finden, während die anderen gerade dabei sind, mächtig überzuschnappen. So weit, so in Ordnung; der Identifikationsfaktor ist schließlich extrem hoch. Und abgleichen kann mitunter sogar gut tun – solange man sich nur nicht ständig fest beißt, an der eigenen Unzulänglichkeit und den Fehlern anderer, solange man sich davor hütet, in Konkurrenz zueinander zu treten. Das ist nie eine gute Idee. Aber bekanntlich riesengroßer Quatsch. Und doch passiert es immer wieder. Schade, dachte ich erst neulich, als ich einer entfernten Bekannten davon erzählte, dass ich ein Paar wiedergetroffen hätte, nach Jahren, das wir beide noch von früher kennen. Ein Traumpaar, fuhr ich fort, fast irre. Bis von der Gegenseite schließlich eine schwere Decke aus aber, aber, aber über meine Euphorie gestülpt wurde. Ihr kennt das sicher. 

Denn das Gehirn hat selbstredend jede Menge Tricks auf Lager: Stört uns nämlich etwas an fremden Leben oder Lieben, täten wir nicht selten sehr gut daran, uns selbst zunächst ganz aufrichtig zu fragen, ob uns irgendetwas fehlt. Dann nämlich könnte es sich durchaus um reine Projektion handeln, immer dann, wenn wir anderen Menschen Eigenschaften, Schwächen oder Probleme zuschreiben, die in Wahrheit in uns selbst oder eben der eigenen Beziehung keimen.  Wenn wir heimlich sauer sind, gewisse Dinge nicht selbst auf die Kette zu kriegen. Ganz abgesehen davon meine ich außerdem, dass eine der schwierigsten Aufgaben des Großwerdens wohl die ist, sich aus dem Hamsterrad des ewigen Vergleichens zu befreien. Orientierung ist viel besser. Aber genau die fehlt manchmal, wenn man plötzlich ein Pärchen ist. Es kann also durchaus sehr hilfreich sein, nach rechts und links zu schauen. Statt rüber nach Hollywood. Was machen die eigentlich schlauer als ich, was könnte auch zu meinem Leben passen, was möchte ich dazulernen? – das klingt doch schon gleich viel besser als Was ist eigentlich bei denen kaputt?

 
 
 
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Die Krux liegt doch ohnehin in der Diskrepanz zwischen Fremd- und Selbstwahrnehmung, im Unterschied zwischen dem, was in Zweisamkeit oft ganz anders ist als unter Leuten. In den allermeisten Fällen haben wir doch überhaupt gar keine Ahnung von den Beziehungskisten anderer.  

Ich kenne Paare, die sich von ganzem Herzen lieben, seit unendlich vielen Jahren, die bis über beide Ohren glücklich miteinander sind und fluchen und schnauben und motzen und streiten wie die Kesselflicker, beim Grillen oder Trinken oder einfach so. Ich kenne Paare, die ständig knutschen. Und solche, die lieber auf Abstand gehen. Ich kenne Paare, die sich nie übereinander ärgern und solche, die meinen, Zanken sei regelrecht gesund. Und ich kannte mal Paare. Die gibt es jetzt nicht mehr. Obwohl man sich vielleicht erzählt, dass niemand sie jemals hat fluchen hören. 

16 Kommentare

  1. Sara

    10€ auf eine wiederholte Verlobung mit anschließender Trennung (Laufdauer: 7 Jahre).
    5€, dass Nike wieder aufgrund von Ermangelung an potentiellen Männern im Alter zurück zum Ex geht (Laufdauer: 10 Jahre).
    1€, dass es sie wieder mit MaxausdenBergen, dem Ex-Verlobten, zusammen kommt.
    Dann darauf aber wieder 100€, dass er kurze Zeit später wieder merken wird, dass Nike zwar zu Beginn aufregend, aber dann auf Dauer ihm zu oberflächlich ist.
    500€, dass Sarah sie zwar immer trösten wird, aber insgeheim mit ihrem Freund darüber redet (s. Text oben), wie glücklich sie ist, sich das so nicht mehr geben zu müssen.
    40€ auf Verschwörungstheorie: Nikes Liebesleben muss alle paar Monate hier auf dem Blog, bedingt durch Klicks, besprochen werden. Neuer Input (Mann) muss also her.

    🙂

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    1. Nike Jane Artikelautorin

      Sara aka Prahda, was habe ich dich vermisst in meinem Leben. Du weißt immer so gut Bescheid. Danke, du Engel. Ich setze 1000 Euro darauf, dass du irgendwann vor meiner Tür stehst, um mir meine Biographie zu überreichen.

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    2. Renate

      Sorry, aber du hast wirklich einen riesigen Knall! Dein Leben muss echt armselig sein . Die Energie mit der du ekliges Gift verspritzt solltest du mal für was positives nutzen. Kopfschüttel und Fremdschämen

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    3. daria

      Ich kenne keine einzige Modebloggerin zu der die Beschreibung „oberflächlich“ weniger passt als zu Nike und bin sogar der festen Überzeugung, dass die Modewelt um einiges besser wär, wenn sich mehr Blogger von Nike eine Scheibe abschneiden würden!

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    4. Diane

      Boah, ich finde die Kommentare gegen Sara gerade 10 mal gemeiner als ihren eigenen (während Nike ja immerhin humorvoll geantwortet hat). Niveaulos und arm, geht’s noch bei euch?! Mag ja sein, dass ihr Kommentar aus der dunkleren Ecke ihres Herzens kam, aber nun tut mal nicht so, als hättet ihr eine solche Ecke nicht auch…

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  2. Julia

    Ich packe es auch gerade nicht. Ja, eine Biographie, Sara! Nike, du scheinst interessanter zu sein als die Royals.
    Aber zum Thema: Ich finde das echt krass. Habe letztens noch mit einer Freundin darüber geredet, wie bescheuert es ist, dass Beziehungen stäääändig negativ kommentiert werden. Ich höre viel zu selten sowas wie „Die sind richtig geil!“. Fange jetzt einfach selbst damit an. So ein Kompliment über die Beziehung tut doch einfach gut.

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  3. Betty

    @Sara: als ich Deine Zeilen laß, habe ich den Begriff „Fremdschämen“ mal wieder so richtig gut verstanden ! Danke dafür!

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  4. Pauls

    „Stört uns nämlich etwas an fremden Leben oder Lieben, täten wir nicht selten sehr gut daran, uns selbst zunächst ganz aufrichtig zu fragen, ob uns irgendetwas fehlt.“

    Mein Sparbuch darauf, dass Sara gern auch ein Liebesleben hätte.

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  5. julia

    das „über andere paare reden“ empfinde ich ähnlich wie das allgemeine „über andere leute reden“. meine erklärung dafür ist die eigene unzufriedenheit: man redet abschätzig über den anderen und fühlt sich selbst dann nicht mehr so schlecht daneben da man sich einredet „so gut haben die es ja auch gar nicht“. natürlich eine selbstlüge. denn man lenkt ja nur von sich selbst ab. je zufriedener man mit sich selbst ist, desto weniger spricht man schlecht über andere – ist zumindest meine erfahrung (hoffe auch sara macht diese erfahrung). habe selten erlebt, dass man als glücklich verliebtes paar über andere herzieht…

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  6. Alina

    @sara, wow du steckst krass tief im Thema, dafür, dass du Nike ja scheinbar ziemlich bescheiden findest. Weird, dann mach doch einfach anderes mit deiner Zeit

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  7. Susi

    Ich finde den letzten Abschnitt nicht fair. Da machst du genau das, was du ja in dem Artikel kritisierst. „So harmonisch wie die immer sind, kann das ja keine echte Liebe sein“. Kann es nämlich doch. Ohne fluchen. Das ist es ja…
    Nur weil es für einen selbst schwer vorstellbar ist, heißt das nicht, dass es nicht existiert.

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    1. Nike Jane Artikelautorin

      Oh Liebe, Susi, da habe ich mich unklar ausgedrückt. Ich bin selbst so ein ruhiges, glückliches Pärchen ohne Krach. Ich wollte nur sagen: Es ist nicht unser Bier, wie andere Paare nach Außen hin wirken, weil der Schein am Ende ja doch trügen kann. <3

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    2. Sara

      Hier spricht eine andere Sara 😀
      Stimmt Susi, solche Paare gibt es mit Sicherheit. Solche, die selten bis gar nicht streiten. Ich finde das bewundernswert (ehrlich, ohne Neid). So etwas kenne ich nicht. Bisher wurde in all meinen Beziehungen auch mal ordentlich gestritten und Türen geknallt. Trotzdem halte ich das nicht automatisch für etwas Negatives – es kommt ja auch immer auf den individuellen Charakter an – und ich bin Typ Diskutiererin und halte (respektvollen) Streit auch für eine Art von Liebe. Denn nur wer mir wichtig ist, mit dem streite ich. Die anderen strafe ich mit Nichtachtung 😉
      Wie aber Nike schon sagt, letztlich können nur die beiden Beteiligten IN der Beziehung sagen, ob die intakt ist oder nicht. Und es stimmt schon: wenn man meckern WILL, findet man als außenstehende Person immer was. Man könnte ja auch den Spieß umdrehen und sagen „mein Gott, die streiten nie, wie ekelig. Geht ja gar nicht, haben die keine eigene Meinung?!“ Ich bewundere Beziehungen, in denen alles so streitlos verläuft, ehrlich. Dennoch halte ich auch meine eigene Beziehung für gesund, wenngleich wir beide Dickköpfe sind 😀 Leben und leben lassen. Wer Zeit hat über andere Beziehungen so derart intensiv zu urteilen, DER hat wahrscheinlich das größte Problem (siehe die andere „Sara“ – mein herzliches Beileid zu deinem unglücklichen Leben).

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