Was ein „Fuck Off Fund“ mit finanzieller Selbstverteidigung zu tun hat & warum wir Frauen solch ein Notfallkonto brauchen!

23.07.2019 box2, Feminismus, Finanzen

Letztens unterhielt ich mich mit meiner Mutter über eine ihrer Bekannten. Diese Bekannte hatte sich nach vielen Jahren in einer unglücklichen Ehe scheiden lassen. „Ein wirklicher Tyrann, ihr Ex-Mann“, sagte meine Mutter. „Aber warum ist sie dann so lange mit ihm zusammengeblieben?“, fragte ich. Na, wegen des gemeinsamen Hauses antwortete meine Mutter und natürlich habe der Ex-Mann sehr gut verdient, viel mehr als seine Frau. Da sei es eben logisch gewesen, bei ihm zu bleiben. Logisch fand ich das ganz und gar nicht: Nur aus finanziellen Gründen mit einem Mann zusammenbleiben? Unvorstellbar.

Oder? Tatsächlich kenne ich aus meinem Freund*innenkreis diverse Geschichten von Frauen, die in einer unglücklichen Beziehung geblieben sind, weil sie Angst vor den finanziellen Konsequenzen hatten. Wohnen wird schließlich immer teurer, ist es da nicht besser, zusammen zu wohnen und die Kosten zu teilen? Mit der Freelance-Karriere läuft es noch nicht so gut wie geplant, warum sich gerade jetzt vom Partner trennen, statt auf einen günstigeren Zeitpunkt warten, darauf, dass man genug Geld verdient? Noch öfter höre ich Geschichten von Frauen, die sich nicht trauen, einen verhassten Job zu kündigen. „Ich würde ja gerne“, sagen sie, „aber dann fällt mein Gehalt weg und ich habe keine finanziellen Rücklagen. Was, wenn ich keinen neuen Job finde?“. Sie beißen die Zähne zusammen und hoffen – darauf, dass ihre Lage sich verbessert, dass ihnen ein anderer Job angeboten wird. Dass sie da rauskommen, irgendwie.

Ein Stück Freiheit kaufen

Was jede Frau für solche Situationen braucht, ist ein sogenannter „fuck off fund“. Geprägt hat diesen Begriff 2016 die amerikanische Journalistin Paulette Perhach. In A Story of a Fuck Off Fund beschreibt sie, wie wichtig ein Notfall-Konto für ein selbstbestimmtes Leben ist, dafür, eine unglückliche Beziehung (ob beruflich oder privat) zu verlassen. Sie rät dazu, kontinuierlich Geld zu sparen, genug, um mindestens ein halbes Jahr lang ohne die Hilfe anderer leben zu können. Der „fuck off fund“ ist ein Konto, auf das man in schwierigen Zeiten zurückgreifen kann. Wenn sich die berufliche oder private Situation ändert, wenn unvorhergesehene Ausgaben anstehen, wenn man Lust auf Urlaub hat. Perhach nennt das „finanzielle Selbstverteidigung“.

Der Text wurde tausendfach geteilt und diskutiert. Dabei ist das darin dargelegte Konzept an sich – Geld für Notfälle beiseitelegen – nicht neu. Aber es ist ein Konzept, das viele Frauen anzusprechen scheint. Und das ist gut, denn ein „fuck off fund“ ist gerade für Frauen wichtig. Mit Geld lässt sich kein Glück kaufen, dafür aber Unabhängigkeit. Wahlmöglichkeiten. Ein Stück Freiheit. Die Freiheit, eben nicht in einer unglücklichen Beziehung zu bleiben, nur weil der Partner den Großteil der Miete zahlt. Die Freiheit, einen furchtbaren Job zu kündigen, im Wissen, dass man finanziell erstmal versorgt ist und sich in Ruhe nach etwas Neuem umsehen kann. Es geht darum, sich Fluchtwege zu schaffen, darum, es sich im wahrsten Sinne des Wortes leisten zu können, Veränderungen im eigenen Leben zu vorzunehmen. Und zwar hier und heute, nicht irgendwann in einer fernen Zukunft.

Finanzielle Exit-Strategie

Grundsätzlich sollte jede*r ein Notfall-Konto haben. Warum aber ist ein solches Konto gerade für Frauen so wichtig? Weil Frauen gesellschaftlich benachteiligt sind, und das betrifft auch ihre finanzielle Situation. So arbeiten Frauen in schlechter bezahlten Branchen (wie z.B. der Pflegebranche), sie verdienen bei gleicher Qualifikation und Arbeit durchschnittlich weniger als Männer (der unbereinigte Gender Pay Gap liegt bei 21 Prozent) und sind weniger häufig in (gut bezahlten) Führungspositionen zu finden. 

Viele Frauen sind deswegen finanziell schlechter gestellt als Männer, hinzu kommen Modelle wie das Ehegattensplitting, die es steuerlich fördern, wenn in einer Ehe ein*e Partner*in signifikant weniger verdient als der*die andere – was vor dem Hintergrund ungleicher Lohnverhältnisse zwischen Männern und Frauen dazu führen kann, dass traditionelle Modelle mit dem Mann als „Familienernährer“ gefördert werden. Es sind außerdem zum großen Teil Frauen, die sich mit sexueller Belästigung am Arbeitsplatz herumschlagen müssen, mit übergriffigen Chefs und Kollegen. Es sind Frauen, die 82 Prozent der Opfer häuslicher Gewalt ausmachen. Es sind Frauen, die deshalb häufig eine Exit-Strategie brauchen. Auch finanziell.

Wenn das System versagt

So wichtig ein „fuck off fund“ für Frauen generell ist, so wichtig ist er insbesondere für junge Frauen. Wirtschaftliche und finanzielle Unsicherheit prägen das Leben vieler junger Menschen, wir sind es gewohnt, dass jederzeit alles den Bach runtergehen kann. Stabilität gibt es nur zeitweise, sie ist etwas, auf das man sich nicht allzu sehr verlassen sollte. Weil das so ist, ist es umso schwieriger für die junge Generation, die Millenials, die Generation Z, für den Notfall etwas zur Seite zu legen. Wir sollen für unsere Rente vorsorgen (weiß ja niemand, wie viel es später überhaupt noch gibt), am besten in Immobilien investieren, die steigenden Mieten zahlen – und dann auch noch etwas sparen, nur für den Fall. Für viele von uns ist es unrealistisch, so viel anzusparen, dass wir ein halbes Jahr oder länger davon leben können.

In einer idealen Welt bräuchte es keinen „fuck off fund“, weil die Gesellschaft uns auffangen würde. Es würde nicht dem*der Einzelnen aufgebürdet, allein für seine*ihre finanzielle Sicherheit zu sorgen. Aber in dieser idealen Welt leben wir nicht. Unvorhergesehenes passiert, ein Notfall, und dann stehen wir da. Wer es sich leisten kann, sollte in einen „fuck off und“ investieren. Paulette Perhach stellt fest: „Ob das System dich schützt oder dich im Stich lässt, du wirst in der Lage sein, dich um dich selbst zu kümmern.“ Und das gilt insbesondere für junge Frauen – sie gehören zu den Personengruppen, die das System am wenigsten schützt.

[typedjs]Jeder Euro im „fuck off fund“ ist ein Euro, den wir in uns investieren. In unsere Zukunft. Unsere Freiheit.[/typedjs]

Bild der Collage: © Miu Miu

5 Kommentare

  1. Sandra

    Wirklich ein toller Beitrag! Geld ist ein solches Tabu-Thema. Wenn ich so darüber nachdenke, ist das selbst bei sehr engen Freundinnen das Thema über das am wenigsten gesprochen wird. Sex, Menstruations-Cups, Seelenangelegenheiten, klar! Geld, najaaaa. Absurd.
    Dieser Artikel inspiriert mich nicht nur zu mehr sparen (ein halbes Jahr selbst finanzieren zu können, finde ich ne gute Größe), sondern auch zu mehr Gespräch. Wir sprechen zu wenig über Geld, obwohl es doch so zentral ist.
    Danke!

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  2. Wanda

    Insgesamt wunderbarer Artikel und so so so wahr! Dennoch würde ich das Thema „Mann verlassen“ und „Job kündigen“ getrennt betrachten. Ich selbst war in der Situation mit dem Job-Dilemma und habe ebenfalls noch eine Weile ausgeharrt. Nicht aber etwa, wegen fehlendem F*ck off fund, sondern weil ich mein hart erspartes nicht wegen dem Job durch die Finger rinnen lassen wollte. Und ebenso das Lebensgefühl. Arbeitslos zu sein (ohne andere Perspektive) raubt einem ebenso die Energie wie ein schlechter Job (empfinde ich zumindest). Ansonsten sollte man natürlich immer (!) egal ob Frau oder Mann für Durstrecken gerüstet sein.

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  3. Lena

    Ich finde das Thema auch wichtig, was der Artikel ausspart ist leider wie man oder Frau in einem schlecht bezahlten Job noch Geld zur Seite legen soll, dass sie nicht hat.

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  4. Tülay

    Danke Lena, das habe ich mich hier auch gefragt. Der Staat sagt einem auch immer, man solle privat vorsorgen, ich empfinde das als Hohn, wenn der Großteil der Bevölkerung sich nicht einmal mehr Mieten leisten kann!

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  5. Pingback: Week in review: 22 - 28 July 2019 | janavar

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