Arschlöcher, beruhigt euch – unsere Periode ist nicht „zum Kotzen“.

Vor ein Paar Tagen, da saß ich mit vielen lieben Menschen draußen in der Abendsonne, bei Wein und Brot, fröhlich schnatternd, bis ich wie vom Blitz getroffen in mich zusammensackte, ganz kurz, und noch im selben Moment sowas wie „Scheiß bescheuerte Periode, Mistkack“ fluchte. Von der anderen Seite des Tisches flog mir sogleich ein rettendes „Habe Ibus dabei!“ entgegen, während neben mir längst mit einem Tampon gewedelt wurde: „Brauchste?“. Herrlich, dachte ich noch, absolut schön. Und: Ich liebe meine Freundinnen und Freunde bis in die Unendlichkeit. Zum Beispiel dafür, dass sie zweifelsohne im Jahr 2019 angekommen sind und gleich noch eine leidenschaftliche Debatte über die unsagbare Versteuerung von Hygiene-Produkten für Frauen hinterher schoben. Als ich das Tampon jedoch dankend ablehnte und stattdessenn von meiner neuen Einhorn-Menstruationstasse schwärmte, weil sie so wunderbar weich ist, da platze einem aus unserer illustren Runde der Kragen.

 

 
 
 
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an

Ein Beitrag geteilt von einhorn Period (@einhorn.period) am

 
 
 
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an

Ein Beitrag geteilt von einhorn Period (@einhorn.period) am

Einem, von dem ich ganz anderes erwartete hätte, zum Beispiel Offenheit oder mindestens Interesse. Der außerdem niemals in die Situation geraten wird, sich ein Mal im Monat mit Hormonschwankungen und anderen lustigen Begleiterscheinungen herumschlagen zu müssen. Und der schon allein beim Aussprechen des Wortes „Menstruation“ trotzdem das Gesicht verzog, als hätte ein wild tobender Uterus ihm gerade erst so richtig den Garaus gemacht.

Recht harsch befand der sonst so abgebrühte Kerl, der bekanntermaßen kaum einen Sofa-Abend ohne Zombie-Apokalypse verstreichen lässt, wir könnten jetzt wirklich mal das Thema wechseln. Zwar habe er kein Problem mit Blut, aber „solche Sachen“ könne man doch Zuhause besprechen, nein: Sollte.

Ich hätte wirklich viele Erklärungen für die unübersehbare Abwehrhaltung gegenüber Perioden-Themen gelten lassen, ehrlich, keiner muss das ja spaßig finden und im Zweifel hätte aus diesem ehrlichen Bekenntnis sogar ein ernsthaftes Gespräch über Sozialisierung und Tabuisierung entspringen können, aber dieser letzte Satz machte, dass mir vor Verwunderung beinahe die Augäpfel aus ihren Höhlen sprangen. „Was hast du  da gerade gesagt?“, fragte ich in höflicher, aber leicht verstörter Manier. „Nichts. Ich finde das einfach ekelhaft.“ – „Das was? Den weiblichen Körper, seine Natur, den Grund für deine Existenz?“ – „Nein, aber ist es jetzt schon so weit, dass ich mir anhören muss, was ihr euch da unten rein steckt? Irgendwelche Tassen mit Blut drin?“ Au Backe. Biologie, Frauengesundheit und dann auch noch Hygieneartikel, alles in einem Gespräch, in einem Satz sogar, Grundgütiger – was für eine unglaubliche Schweinerei. 

Der spinnt doch, könnten wir jetzt meinen. Die traurige Wahrheit aber ist: Er ist ja bloß einer von vielen, die sich noch immer über eines der natürlichsten Phänomene der Welt echauffieren. Man nehme nur das jüngste Beispiel Hofer: Der österreichische Aldi-Discounter hat gerade Menstruationstassen im Sortiment und bewirbt diese mit dem harmlosen Foto eines rosafarbenen Cups, das außerdem den Schriftzug „In der Regel geht es nur mich was an“ trägt, auf Facebook. Toll und wichtig, findet die Mehrheit. Sagt sogar: Danke, Hofer. Weil: Normal halt. Und noch dazu deutlicher schonender für die Umwelt, im Vergleich zu Tampons oder Binden, ist ja klar. Weniger Müll, hurra!  Was sollte Mensch also dagegen haben, gerade jetzt, im Zeitalter Greta, richtig? Na einiges:

Nicht wenige, sondern gleich etliche Arschlöcher haben besagten Hofer-Beitrag seit seiner Veröffentlichung leidenschaftlich despektierlich kommentieren – mit qualifizierten Aussagen wie „Grausig“, „Widerlich“ oder „Zum Kotzen“. Was denn eigentlich? Die Form des Cups? Seine Farbe?  Die Funktion? Hm? Vielleicht ist aber auch der Name Schuld. Würde eine „Frauentasse“ womöglich weniger beschimpft werden als die „Menstruationstasse“? Und was genau ist an einem Cup, in den Periodenblut hinein fließen kann eigentlich „ekliger“ als an einem Kondom, in das hinein ejakuliert wird? Oder als an Klopapier, mit dem Mensch sich den Hintern abwischt?

Da kann man sich schon aufrichtig wundern und auch fragen, was hier genau das Problem ist. Die Periode wohl nicht. Sondern vielmehr die Gesellschaft, die aus der Periode bis heute ein Problem macht. Oder mehr noch: Ein Tabu – je nachdem, wo man hin schaut. Und wem man zuhört. Es ist demnach kein Zufall, dass der Dokumentarfilm Period. End of Sentence im Februar einen Oscar gewonnen hat. In der patriarchalen Gesellschaft Indiens gilt die Frau während ihrer Periode als unrein oder gar krank. Entstigmatisierung und Aufklärung sind unabdingbar. Aber nicht nur dort,  wo Frauen während der Menstruation noch immer gemieden oder gar verstoßen werden, sondern auch hier. 

„Ist das zur Verhütung während der Periode gedacht?“, fragte ein Mann unter dem Hofer-Bild. Ja, wirklich. Und erst neulich beobachtete ich wieder eine erwachsene Frau dabei, wie sie im Restaurant versuchte, möglichst unauffällig und dennoch beschämt ein Tampon aus ihrer Handtasche zu fischen. Zufall? Oder doch Überbleibsel aus Zeiten, die wir eigentlich längst hinter uns gelassen haben müssten? In denen die Menstruation als Strafe Gottes für Evas Sündenfall galt, oder dem Menstruationsblut nachgesagt wurde, es sei giftig und Frauen, die menstruieren unrein, ganz zu schweigen vom „bösen Blick“ der Menstruierenden.

In Wahrheit sollten wir doch sehr froh darüber sein, munter und privilegiert in Hofers Menstruationstassen hinein bluten zu dürfen und können. Genau das war nämlich lange keine Selbstverständlichkeit – und ist es noch immer nicht. Wie so vieles, das Menschen mit Gebärmutter betrifft. 

Deshalb: HOCH DIE TASSEN. Seid laut und schämt euch nicht. 

 
 
 
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an

Ein Beitrag geteilt von einhorn (@einhorn.berlin) am

 

 
 
 
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an
 
 
 

 

Ein Beitrag geteilt von einhorn Period (@einhorn.period) am

7 Kommentare

  1. Sara

    Hm. Für mich ist die Periode eine total natürliche Sache, ich feier mit ihr das Frau-Sein, habe kein Problem mit ihr und (glücklicherweise) keine Menstruationsbeschwerden. Trotzdem finde ich, dass man dieses Thema nicht in großer Runde diskutiern muss.
    Auf die Toilette zu gehen ist auch eine der natürlichsten Sachen der Welt, jeder tut es, jeder muss es tun. Und trotzdem spreche ich nicht über Farbe und Konsistenz meines Stuhls, wenn ich mit Leuten zusammen sitze.
    Die Periode ist in meinen Augen kein Tabu, nur weil man darüber nicht so häufig spricht wie über das Wetter.

    Ich denke mir halt auch: was haben Männer davon, mit anzuhören, wie wir das genau mit unserer Periode handhaben? Mich würde das auch nicht sonderlich interessieren, wenn Männer in einer lustigen Gesprächsrunde über ihre Prostata diskutieren würden.
    Ein Problem hab ich damit nicht und natürlich finde ich es auch schheiße, wenn Menschen die weibliche Periode „ekelhaft“ nennen – weil sie es schlicht und ergreifend nicht ist. Aber ich finde es überflüssig, dieses Thema mit Absicht breit zu treten, nur um demonstrativ zu signalisieren, wie easy, natürlich und offen man ist.

    Antworten
    1. Renate

      So sehe ich das auch. Wie ich finde muss ich nicht alles mit jedem offen besprechen. Egal ob Periode, Toilettengang usw. Ich meine, dass das mittlerweile etwas zu sehr publiziert wird. Ich finde rein gar nichts ekelhaft daran und mir ist auch egal ob Babys in der Öffentlichkeit gestillt werden, aber jeder Mensch hat so seine eigene Privatsphäre. Dazu stehe ich auch. Frauen müssen nicht das Innerste nach außen kehren damit wir stark sind.‍♀️ Je mehr das publiziert werden „muss „ desto mehr wirkt es aufgesetzt. Meiner Meinung nach

      Antworten
  2. Letitia

    Liebe Nike,
    eigentlich kommentiere ich nie, aber weil die beiden Vorgängerinnen sich da so einig waren, hab ich das Gefühl, dir beipflichten zu müssen. Ich kenne dieses teilweise immer noch irgendwo tief in mir drin läutende Schamrufen, wenn es um meine Periode geht, weil mir mein Leben lang Männer jeden Alters, sei es der Vater, Freunde oder der feste Freund eingeredet haben, wie eklig all das sei und ich doch bitte alles, was damit zusammenhängt, für mich zu behalten habe. So ein Bullshit. Unser weibliche Körper vollbringt so wahnsinnig schöne und starke Sachen und wer als Mann Periodenblut immer noch als eklig findet, hat da was Grundlegendes nicht verstanden. Ich finde das ähnlich etwa, wie freudige Bald-Väter, die aber bei der Geburt bitte nicht dabei sein wollen, wegen all dem ekligen Zeug. Mit so jemandem würde ich keine Kinder bekommen wollen.
    Ganz nebenbei, finde ich auch, dass diese ganzen Themen einschließlich des Stuhls etc. doch wirklich nicht mehr beschönigt werden müssen, heutzutage muss sich doch niemand mehr die Nase pudern gehen. Fühlt sich nicht alle Welt wohler, wenn wir uns so akzeptieren wie wir sind, mit unserer Menschlichkeit, dass wir eben manchmal aufs Klo müssen, Bauchweh, Durchfall, unsere Periode oder Verstopfung haben? Ist doch auch einfach ein Akt der Selbstliebe.

    Antworten
  3. Abby

    Ein guter und leider immer noch wichtiger Beitrag.
    Ich habe tatsächlich auch schon andere Erfahrungen gemacht, wo Männer bedächtig zugehört haben und tatsächlich so etwas wie Freude aufkam, dass sie mal „in den Mythos“ einbezogen werden.
    Wenn wir das Thema „privat“ halten, wie es hier die ersten Kommentiererinnen unterstützt haben, dann ändern wir doch nie etwas in unserer Gesellschaft. Zwar möchte ich ungerne Vergleiche anstellen, aber wie schön ist es, dass wir aus einem Tabu-Thema wie Depression, ein öffentliches Thema gemacht haben und dadurch Anerkennung der Krankheit und ärztliche (kostenfreie) Behandlung erreicht haben. Ähnlich sehe ich das mit der Periode und den hohen Steuern auf Grundversorgungsmittel wie Tampon/Binden und den sexistischen Sprüchen, die wir uns wahrscheinlich aus purer Unwissenheit über den weiblichen Körper von einigen (zu vielen) Männern anhören müssen à la „na, haste wieder deine Tage“. Wenn wir in der Öffentlichkeit nicht darüber reden und es normalisieren und auch den Männern gar keinen Raum bieten, zuzuhören und zu lernen, wie sollen die (männlichen) Politiker dann für uns Frauen mit Periode wertvolle Entscheidungen fällen?!
    Ich habe einen Freund, der hoch interessiert daran ist, wie es mir und meinem Körper geht und ich kann euch allen nur sagen: es ist so befreiend! Wie lange habe auch ich gedacht, ich muss so tun, als wäre nichts, obwohl mein ganzer Körper krampfte. Und leider bin auch ich noch immer nicht so weit, wie ich es gerne wäre. Meine Wärmflasche hat es jedenfalls noch nicht mit ins Büro geschafft, aber bald.
    Bis dahin ein Hoch auf Menstruationstassen und Menstruationsunterwäsche!

    Antworten
  4. Pingback: Sexismus im Marketing – damals, heute und morgen | Digital Agentur | House of Yas

  5. Froggy

    Die Periode ist gar nicht so „natürlich“. Frühmenschen-Frauen sind entweder schwanger oder sie stillen. In dieser Zeit menstruierten sie nicht. Diese monatliche Blutung gibt es noch nicht so lange, verglichen mit der Geschichte der Menschheit. Sie kommt halt sehr häufig vor im Industrie-Zeitalter, in dem die Frauen nicht mehr oft schwanger werden und nicht so lange stillen.
    Der Körper scheint nicht so gut zurechtzukommen mit so häufigen Zyklen. Leider begünstigen diese (zu) häufigen Menstruationszyklen Brustkrebs:
    http://www.brustkrebs-web.de/fakten/548_fakten_risikofaktoren_menstruation.php
    Dieses erhöhte Krebsrisiko finde wirklich ekelhaft an der Menstruation. Dies und die höllischen Schmerzen während der Menstruationskrämpfe. Das kann ich nicht akzeptieren. Deshalb habe ich mich entschieden, die Menstruation abzuschaffen. Das geht heutzutage mit einer niedrig dosierten Gestagenpille.

    Antworten

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Mehr von

Related