Die zwei imaginären Wesen auf meiner rechten und meiner linke Schulter führen gerade heftigste Diskussionen darüber, wie ich in meiner Schwangerschaft so bin. Während die eine nämlich ununterbrochen meckert, dass bisher nichts so durchgezogen wurde wie geplant, übt sich die anderen in tiefenentspannter Pose, schließlich hatte sie offensichtlich Recht und ich habe mich nur an wenig Dinge gehalten, die ich dieses Mal anders machen wollte.
Kugelig rund wollte ich diesmal alles schön finden, wollte mich ganz beseelt zum wahrscheinlich letzten Mal diesem Zustand hingeben, bauchkraulend und vor Glück jauchzend vielleicht nicht jede, aber jeder fünfte Minute genießen. Und natürlich ist es bisher ganz anders gekommen: Denn bislang vergaß ich meist selbst, dass ich überhaupt schwanger bin, so wenig mache ich diesen Zustand zum Thema. Selbst die Tatsache, dass da ein immer üppiger werdender Bauch unterhalb meiner Brust wächst, vergesse ich regelmäßig. Noch dazu scheint derzeit alles andere wichtiger: Die Krankheit einer Freundin, zum Beispiel, die neue Wohnung etwa, die KiTa-Eingewöhnung oder das Leben überhaupt. Das hat nichts damit zu tun, dass ich bisher ohne Wehwehchen durch die Schwangerschaft gekommen bin, bloß begegne ich ihnen eher mit Unverständnis, als mich ihnen so richtig anzunehmen und sie aus dem Weg zu schaffen. Tatsächlich zehren dieser Tage gleich mehrere Dinge an meinem Gemüt, viel früher als bei der Schwangerschaft mit Wilma, in der es mich erst in Woche 36 so richtig traf, und diese werden noch dazu viel stärker wahrgenommen als beim ersten Mal. Vermischt mit einem gut gefüllten Hormoncocktail bin ich derzeit also in der Lage, filmreife Heulattacken hinzulegen. Wirklich wahr.
Himmelherrgott, was ist denn los?
Alles. Ich renne gegen alles, stoße mir regelmäßig meine Füße an allem oder laufe mir in allen Schuhen blasen. Und dann fällt im richtigen Moment der Aufzug aus und ich brauche 20 Minuten mit Kleinkind bis in den 5 Stock. Hinzukommt, dass der gesamte Bauchraum mit all seinen Verbindungen, dank Eisenzunahme, langsam aber sicher anfängt, kettenreaktionsartige Wehwehchen aufzustauen und auszulösen. Ein ziemlich unschöner Teil dieser doch so oft verromantisierten Schwangerschaft. Nein, das ist nicht okay, das ist bisweilen unangenehm und einfach nur doof. Auch die wiederkehrenden Sodbrennen kratzen schon jetzt an meinen Nervensystem und selbst das lange Sitzen bereitet mir zunehmend Bauchweh – dabei liegt vor mir noch ein ganz schöner Batzen an Wochen bis zur Geburt. Was mich aber am allermeisten nervt? Dass es mich nervt. Ja, tatsächlich: Ich fange schon jetzt an, bei dem kleinsten Ziepen die Augen zu verdrehen und schaue links und rechts nach anderen Themen, um nicht gänzlich im Wehwehchenstrudel festzustecken. Aber nun, was raus muss, muss eben manchmal auch raus. Blöde Erkenntnis.
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Ob die Geburt natürlich ablaufen wird, hängt außerdem noch in der Schwebe, denn Muttermund und Plazenta kuscheln einfach zu intensiv miteinander und wollen sich offensichtlich nicht so recht voneinander lösen – was eine natürliche Geburt wiederum schwierig gestaltet. Warum, das weiß ich auch nicht, das ging bei der Feindiagnositik alles zu schnell. Aber so viel steht fest: Schon ganz bald wird entschieden, wie Baby Nummer 2 zur Welt kommt und so allmählich habe ich mit beiden Möglichkeiten mehr als angefreundet. Hauptsache gesund, lautet hier nach wie vor die Devise. Mit oder ohne Narbe. Mit oder ohne Wehen. Mit Schmerzen davor, oder danach. Hat ja schließlich beides Vorteile, nicht wahr.
Aber, aber: Worauf freust du dich denn?
Eine Freundin fragte mich erst vergangenes Wochenende, worauf ich mich denn nun am allermeisten freue und mein Gesichtsausdruck muss ähnlich durcheinander gewirkt haben, wie das Innerste meines Gehirns. Momentchen mal, meinte sie beruflich oder bezüglich des Babies? Zweiteres, natürlich. Und während ich erst stammelte, weil die Frage so unvorhersehbar kam, und sie mir unfassbarerweise auch noch niemand stellte, antwortete ich schließlich besonnen und mit glucksendem Grinsen: „Auf die Einmummelzeit, auf Entschleunigung und ganz viel Liebe.“ Auf mehr will ich mich noch gar nicht freuen, weil ich noch immer fürchte, das Baby selbst könnte mir sowieso ein Strich durch die Rechnung machen. Ach, das klingt alles so furchtbar negativ – aber das soll es gar nicht. Es gibt bloß derzeit einfach Tage, die machen es mir gerade nicht so einfach und rückblickend betrachtet will ich nun einfach versuchen, wirklich glucksend in die restlichen Wochen zu starten – für mich und für das Baby.
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Und wie machst du das alles mit der Arbeit?
Auch das hängt tatsächlich vom Baby ab, aber eines steht fest: Nachtschichten für Jane Wayne kann ich nicht wieder jeden Tags aufs Neue schieben. Bei Wilma war es so, dass mein Freund und ich uns alles 50/50 geteilt haben und Vollzeit, neben dem Baby, die Dinge wuppen wollten – und im besten aller Möglichkeiten gewuppt haben. Ganz ehrlich, Leute: Das schaffe ich kein zweites Mal. Denn wie ihr euch vorstellen könnt, geht so ein durchgetakteter Tag weder spurlos an einer Beziehung vorbei, noch hat man zu irgendeiner Zeit die Möglichkeit, auch mal durchzuatmen. Ich habe mir selbst versprochen, dass Team so gut es geht zu unterstützen – und das will und das werde ich auch. Wie intensiv das aber ausfällt, kann ich vorab nicht sagen. Side-Projekte, die volle Aufmerksamkeit verlangen, kommen mir aber nicht in die Tüte. Jane Wayne – sonst gar nichts!
Für alle Fälle gibt es aber glücklicherweise auch denn Papa, der mich in allem unterstützt: In puncto Baby-Versorgung, Rücken freihalten und mentaler Unterstützung. Und das ist leider auch 2019 noch immer nicht selbstverständlich. Aber eines kann ich euch jetzt schon androhen: Ihr werdet mich leider nicht los.
Ist denn jetzt alles anders als beim ersten Mal?
Ja und nein. Manchmal, und dazu zählen Tage wie heute, komme ich mir vor wie eine Teenie-Mama, die mit dieser wunderbaren Unbedarftheit gesegnet ist und die Dinge passieren lässt, statt sie zu erzwingen. Dann wieder stelle ich fest, dass der Zauber des Besonderen fehlt, den ich bei der ersten Schwangerschaft irgendwie mehr fühlte. Bin ich unbedarft oder abgeklärt? Ich weiß es nicht. Ärgere ich mich darüber? Ja, manchmal. Vor allem dann, wenn die imaginären Stimmen meiner beiden Schultern einen Konflikt zwischen einstigen Vorstellungen und der Realität austragen. Vielleicht sollte ich mich langsam aber sicher mal mit ein paar Vorbereitungen auseinandersetzen, um den Ernst der Lage ein klein wenig realer zu spüren. Wobei: Welche Vorbereitungen? Denn eines hat mich Schwangerschaft Nummer eins gelehrt: Man braucht eh nicht viel außer ein paar Windeln, drei, vier Bodies und ganz viel Liebe. Und von den letzten beiden Punkten habe ich definitiv massig genug. Es ist ein Hin und Her aus Gelassenheit, Verdrängung, aber auch aus Unzufriedenheit, dass die Dinge nicht so laufen, wie ich sie mir vorab vorgestellt habe – versteht ihr, was ich meine? So richtig scheine ich mich in meiner neuen Situation also noch immer nicht eingefunden zu haben. Und das, obwohl ich dieses und jenes doch so sehr wollte.
Veränderungen, Veränderungen!
Es ist natürlich ein großes Glück, dass wir in meiner Schwangerschaft eine größere Wohnung gefunden haben, bloß vermisse ich den Graefekiez mit seiner Lebendigkeit schon sehr. Tatsächlich wären wir in der alten, deutlich kleineren Wohnung geblieben, wenn es uns möglich gewesen wäre, aber 707000 Euro für 95m² sollte dann doch schließlich unseren Preisrahmen übersteigen – und bereits nach drei Monaten hätte man uns auf „Eigenbedarf“ auch schon raus aus der Kiste gehabt. Und das war uns zu heikel. Neuer Kiez, neue KiTa – und schon ganz bald ein neues Büro. Ganz schön was los bei uns – und bei den Kleinen erst. Die zukünftige Schwester verkraftet all diese Veränderungen dieser Tage ebenfalls eher mittelgut: Jeden Tag gibt es mindestens einen Ausraster aus dem nichts, direkt aus der Hölle heraus. Dauert meistens nur fünf Minuten, rüttelt dennoch am Nervenkostüm. Wie wird das bloß, wenn Baby Nummer zwei da ist? Bei dem Gedanken fange ich innerlich tatsächlich aus Wahnsinn schon wieder an zu lachen.
Ihr merkt es: Läuft gerade richtig gut bei mir! Nunja, selbstverständlich gibt es keinen Grund sich zu beschweren, schließlich würden mich andere für diese Lappalien wahrscheinlich nur schräg anschauen. Aber vielleicht ist es gerade dieser „Ach stell‘ dich nicht so an“-Kloß in meinem Hals, der es noch schwieriger macht und diese „Darf ich mich überhaupt beschweren?“-Frage, gepaart mit der eigenen Genervtheit der lästigen Umstände, die das Fass derzeit zum Überlaufen bringt. Das Schöne aber ist: Auch dieser Gefühlszustand ist nur eine Phase und morgen sieht die Welt ganz sicher schon wieder ganz anders aus. Und wisst ihr was: Ich freu mich drauf. Und ich weiß, dass ich es selbst in der Hand haben kann, mein Gemüt um 180 Grad zu drehen und meine Schwangerschaft auch für mich ganz oben zu platzieren.
Wird schon noch, sage ich mir immer und immer wieder. Und so ein klein wenig Positives kann ich dem ganzen sogar abgewinnen:
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Ohne diese kleinen Talbesuche, in denen wir uns reflektieren und vieles überdenken, lernen wir schließlich nicht, wie wir auf unvorstellbare Weise wieder den Berg hinaufklettern können, um wieder die schönste Aussicht zu genießen.