Ich weiß, ein ewig leidiges Thema: Kinder, keine Kinder, nie oder vielleicht, bald aber noch nicht jetzt, sofort, auf keinen Fall, nur eins oder gleich fünf hintereinander. Kinder sind gelegentlich richtig scheiße, da braucht man sich nicht lumpen lassen, das stimmt und was stimmt, darf man sagen, Kinder sind jedoch gleichsam unverschämt süß, Kinder sind sogar alles, aber nicht unsichtbar, nein, sie verändern wirklich viel oder jedenfalls das Meiste, deshalb: Augen auf beim Eierkauf, oder, um es in Schillers Worten zu sagen:
Drum prüfe, wer sich ewig bindet
Ob sich das Herz zum Herzen findet.
Der Wahn ist kurz, die Reu‘ ist lang.
Oder auch, in meinem Fall: Drum Prüfe, wer sich (nochmals) vermehren will.
Ich weiß, ihr seid nicht doof, und in Zeiten von immerhin mittelmäßig vorhandenen Reproduktionsrechten sind wir im Grunde genommen doch wirklich Frau der Lage. Außer, und hier appeliere ich jetzt vor allem an mich selbst: die Hormone kommen uns in die Quere. Ich weiß ja nicht wie es euch geht, aber ich dachte stets, ich sei erhaben über die Legende der „biologischen Uhr“, ich war vollkommen sicher, dass meine Ratio stets stärker sein würde als jede Form der Sozialisierung, ich war ganz bei Sarah Diel, die einst sagte:
Hieße im Klartext also: Die biologische Uhr ist nichts als ein Märchen.
Dachte ich auch immer. Ich sagte außerdem lange: Bevor bei mir überhaupt irgendwas anfangen konnte zu ticken, bin ich vermutlich schon (ungeplant) Mutter geworden. Selbst wenn es „so etwas“ geben würde, was ich für unwahrscheinlich hielt, weil ich gerne an mein Gehirn glaube, war ich ziemlich sicher, diesen Mechanismus längst ausgetrickst zu haben. Jedenfalls regte sich beim Gedanken an weitere Kinder mindestens fünf Jahre lang nicht die kleinste Wärme in mir, ganz im Gegenteil: Eine weitere Schwangerschaft galt für mich bis vor Kurzem als ausgeschlossen. Auch, weil mir der Ist-Zustand genau richtig vorkam. Perfekt und vollkommen. Ich hatte nie das Gefühl, jemand würde da noch fehlen. Oder dass da überhaupt noch Platz sei in meinem Herzen, weil es ja längst bis obenhin mit meinem ersten Sohn vollgestopft ist. Ich wurde sogar sauer. Auf meine Freundinnen. Ehrlich wahr. Gerne würde ich mich dafür schämen, aber das tue ich nicht, weil ich die gestellten Fragen in meinem Kopf bis heute für durchaus logisch halte. Die Antworten hingegen reichten mir nur selten aus.
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Manchmal traute ich mich nämlich, nachzuhaken: Warum möchtest du ein Baby? Oder eben: Noch eins? Ich weiß es nicht, hieß es dann zum Beispiel, vielleicht, weil ich das Gefühl habe, dass es an der Zeit für eine Veränderung ist. Keine Ahnung, es ist eben einfach ein Gefühl! Weil ich denke, dass was fehlt.
Ja, seid ihr denn alle verrückt geworden, wollte ich da gelegentlich rufen. Was ist mit eurer Selbstbestimmung? Eurer Zukunft? Eurer Ausbildung? Eurem Verstand? Versteht ihr denn nicht, dass das alles eine Erfindung der Gesellschaft ist, dieses Konzept des Kindes als Zeichen der Liebe und pipapo. Da muss man sich doch sicher sein, dachte ich. Also jedenfalls wenn man sich bewusst dafür entscheidet, dass „Unglücke“ zum größten Glück werden können, weiß ich ja aus allererster Hand. Nur, was ist das denn eine Entscheidung, die man nicht richtig oder nur schwammig erklären kann, wütete ich. Bis ich irgendwann begriff, dass ich nur so schlimm sauer wurde, weil ich dieses Warum eigentlich gar nicht meinem Umfeld, sondern mir selbst galt. Bis ich verstand, dass mir womöglich nur deshalb keine Antwort genügte, weil ich selbst so sehr nach einer Erklärung für dieses sich in mir verändernde, wachsende Gefühl suchte. Aber keine fand, die sich mit meiner Vorstellung von Vernunft vereinbaren ließ. Mit meinem Selbstbild.
Und auch jetzt noch frage ich mich, ob ich irgendwann ganz einfach angefangen habe, zu spinnen. Als ich von einem Tag auf an den anderen beim Anblick von Babies anfing, Geräusche zu machen wie diese Quietschtiere für Hundewelpen, als ich eines Morgens aus Versehen, aber wie selbstverständlich zu meinem Freund sagte „wenn wir ein Baby kriegen, bestehe ich übrigens auf Ausgleichszahlungen“, als ich mich zum ersten Mal fragte, wo ich eigentlich all die einvakuumierten Strampler gebunkert habe, nur für den Fall der Fälle, als auch ich plötzlich dachte: In unserer Familie, da fehlt noch jemand. Als ich realisierte, dass aus dem „ob“ längst ein „wann“ geworden war.
Jetzt sitze ich also hier, ohne Kolumnen-Ende, aber am Anfang einer großen Entscheidung, im vollen Bewusstsein darüber, dass es durchaus möglich ist, dass ich dem ganz großen Brain Wash auf den Leim gegangen bin. Vielleicht liebe ich aber auch nur. Den Menschen, der an meiner Seite ist, Veränderung, das Ungewisse, die Zukunft und das Leben – das sowieso macht, was es will und vieles, ohne mich vorher zu fragen.