Ich bin keine Psychologin, das wisst ihr, nur Mensch, oder besser: Frau*, was auch immer das bedeuten mag. Es ist also sehr gut möglich, dass sämtliche Erfahrungen, die ich im Folgenden kurz schildern und womöglich verallgemeinern werde, nichts als läppische Individualphänomene sind oder eben höchstens sehr subjektive Beobachtungen, die aber immerhin recht präzise auf mein eigenes soziales Umfeld anzuwenden sind und sich im Grunde genommen sogar in einem einzigen Satz zusammenfassen lassen:
Frauen* wollen alles immer ein bisschen früher und manchmal auch viel mehr mehr als Männer*.
Da könnte ich ja persönlich erstmal kotzen. Über diese steile These drüber meine ich, im Schwall von oben bis unten, weil da gleich so eine schreckliche „Frauen-sind-von-derVenus-und-Männer-vom-Mars“ Assoziationskette losgetreten wird, von der ich mich rein intellektuell betrachtet und außerdem aus Gründen der zwingend zu überwindenden Geschlechter-Klischees gerne ausnahmslos distanzieren würde; nur grätscht mir dann immer wieder die Praxis, ergo das Leben, dazwischen, weshalb ich am Ende des Tages nicht selten zu dem Schluss komme: Ist so – Typen haben wirklich nicht mehr alle Tassen im Schrank, noch nicht einmal die besten, emphatischsten, kommunikationsfähigsten von allen. Vielleicht stimmt das sogar, nur müssten wir dann im Umkehrschluss wohl oder übel auch den eigenen Sprung in der Schüssel anerkennen, der ja automatisch mit unserer Sozialisierung (Hollywood, Gender-Marketing, pipapo) und der permanenten (unterbewussten) Auseinandersetzung mit fortwährenden patriarchalen (Gesellschafts-)Strukturen mitgeliefert wird. Kein Problem, bloß geht es darum gerade nicht. Oder etwa doch?
Ich halte nochmal kurz fest: Egal, ob es nun um den mutigen Sprung in Richtung echte, feste Beziehung und das dazugehörige Commitment, um das Aussprechen von Gefühlen, das miteinander Abhängen oder Zusammenziehen geht – es scheint fast so, als würden die meisten von uns stets zuerst „Hier! Ich! Wir! Jetzt!“ brüllen, woraufhin etliche Partner* schließlich reihenweise in Ohnmacht fallen, sich kurz mal zurückziehen und sammeln müssen, alles infrage stellen, Panik bekommen, mehr Zeit einfordern, „Ruhig Blut!“ antworten und Däumchen drehend darauf warten, dass sich irgendwo im eigenen Bewusstsein der Alles-oder-Nichts-Schalter umlegt, auf dass die Zukunft ihren Schrecken verliere. Als gebe es sowas überhaupt, eine Partnerschaft ohne den leiseten Zweifel oder Bammel, einen „perfekten“ Zeitpunk ohne Ecken und Kanten. Ich frage mich, wann immer ich solche Geschichten höre, natürlich zwangsläufig, woran das liegt. Dass Männer es tendenziell eher, sagen wir mal „schleppend“ mögen. Und dass Frauen bis heute Sorge davor haben (müssen), entweder zu viel oder zu wenig zu sein, für das Gegenüber. Ist das verrostete Märchen des ewigen Gefängnisses etwa Schuld? Liegt es daran, dass Männer* noch immer Sorge haben, an den Eiern gepackt und qualvoll in ihrem Leben festgenagelt zu werden? An der Torschlusspanik, von der so einige berichten? Oder sind „wir“ in Wahrheit echt ein bisschen zu schnell unterwegs, vor lauter Angst in diesen unsicheren Zeiten zu verlieren, was wir doch gerade so lieb gewonnen haben? Ist dieses tief verwurzelte Bedürfnis nach Sicherheit größer als gesund wäre?
Wir, ihr, die – Ich weiß. Fick die Pauschalisierung. Bei vielen meiner Freundinnen läuft der Hase ganz woanders lang. Bei mir sehr häufig auch (ein Hoch auf die Mauer des Selbstschutzes!). Aber dennoch entdecke ich mich wieder, in all den Geschichten, die wir hören, wenn ich anderen Frauen wirklich zuhöre. Ich fluche dann laut und schimpfe und fühle mit und frage mich wieder: Was läuft denn da schief? Bei uns allen. Und warum um alles in der Welt ist es so verdammt schwer, gleichzeitig das Gleiche zu wollen, und zwar gleich doll. Ehrlich? Keine Ahnung. Aber ich fürchte, dass dieser Umstand in erster Linie nervig, aber überhaupt nicht so tragisch ist, wie wir gern annehmen. Möglicherweise sind wir es ja nur nicht mehr gewohnt, nicht alles immer und überall auf Knopfdruck zu bekommen, sofort. Außerdem ist der Mensch kein Roboterwesen, was beruhigend ist. Denn das eint uns in der Uneinigkeit. So verschieden sind wir nämlich nicht. Wenn wir ehrlich sind, haben wir doch alle: Angst. Also endlich mal was gemeinsam. Und wenn man schon etwas gemeinsam hat, dann kann man zumindest: Miteinander reden. Über Erziehung, Traumata, immer wiederkehrende Muster, verquere Prägung durch Medien, Verletzungen, unsere Kindheit, unsere Eltern, beschissene Erfahrungen und Erinnerungen, die uns bis ins Jetzt verfolgen.
Es könnte nämlich sein, dass wir unser Gegenüber dann plötzlich verstehen. Und uns selbst noch ein bisschen mehr. Und dass wir dann endlich mal etwas genau gleichzeitig und gleich doll wollen: Es zusammen auf die Kette kriegen.