Erst gestern postete das Instagram Kollektiv Diet Prada, das regelmäßig kritisch und konstruktiv der Modebranche auf den Zahn fühlt, ein Feature aus dem deutschen Elle Magazin. Zu sehen ist eine Seite aus der Novemberausgabe mit dem Motto „Back To Black“, die sich dem angeblichen Trend hin zu Schwarzen Models widmet und 6 Protagonistinnen aufzeigt. Nicht nur die Deklarierung der Hautfarbe als aktueller Laufstegtrend ist hier verwerflich: Die verantwortliche Redakteurin verwechselte unaufmerksam eines der Models und versah ein Bild von Naomi Chin Wing mit Namen und Steckbrief ihrer Kollegin Janaye Furman. Nach der Verbreitung zählt das neueste der sonst eher wenig beachteten Instagram Postings von Elle Germany über 500 Kommentare – in Form von Cancelling, Appellen an die Chefredaktion oder eindeutig verwendete Smileys. Erneut werden etliche, kritische Stimmen in der Modebranche mobilisiert.
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„Not a good look, @ellegermany . For their November 2019 issue, the presumably white-led publication declares that “black is back”. Ironic when they, along with much of the fashion industry, have been complicit in denying visibility to black models until relatively recently. Oh, and apparently they can’t actually tell models apart. In the bottom middle, a picture of @naomichinwing is used in place of @iam_janaye . And @joansmalls has been around for a minute/hasn’t gone anywhere lmao. The issue, titled “Back to Black”, also features a white model on the cover. You can’t make this stuff up!“ |
Schlechte Kopien, kulturelle Aneignung oder rassistisches Marketing: Kaum ein anderes Outlet steht so sehr für branchenbasierte Outcalls und das Darlegen kleinerer und größerer Skandale wie Diet Prada. Tony Liu und Lindsey Schuyler sind das Duo hinter der ebenso beliebten wie unerschrockenen „Modepolizei“, die heute über 1,6 Millionen Follower verzeichnet. Ihre Veröffentlichungen verbreiten sich rasant, werden in den Kommentarspalten diskutiert und sorgen häufig für einen derart großen Backlash, dass sich Firmen und Designer*innen nicht selten dazu gezwungen fühlen, auch öffentlich zu ihren Fehlern Stellung zu beziehen und sich zu entschuldigen. Instagram fungiert hier als Multiplikator – der Account ist unter Szene- und Branchenkenner*innen zu einem validen Medium von Relevanz avanciert. Auch gestern stürmten gleich mehrere Post sämtliche Instagram Stories von Menschen aus der ganzen Welt, die sich einerseits auf das Fehlverhalten der Elle Chefredakteurin Sabine Nedelchev, aber auch auf die mangelnde Repräsentation auf den jüngst veröffentlichen Covern, beziehen. Eine Community, die sich nicht nur empört, sondern solidarisch hinter Betroffenen wie Dogukan Nesanir oder Naomi Chin Wing steht, die Druck macht und Haltung zeigt.
Die Elle Redaktion hat sich mit ihrer Ausgabe als rassistisch enttarnt. Gemeint ist jene Art von „rassistisch“, die wir Menschen mit westlicher Sozialisierung allesamt in uns tragen. Die so funktioniert, dass erstmal völlig klar zu sein scheint, dass weiße Models die Norm sind, während Schwarze eine temporäre Modeerscheinung darstellen.
Die klare Deklarierung von Hautfarbe als „Trend“ ist höchstproblematisch.
Ganz zu schweigen von der peinlichen und unaufmerksamen Verwechslung, die für Schwarze Models keine Seltenheit mehr darstellt, ist die Tatsache, dass eine derart rassistische redaktionelle Gestaltung inklusive Fehlerhafter Recherche es über den Schreibtisch der Chefredaktion geschafft hat, ein Skandal. Ein Skandal, weil niemandem (Heft intern) die Problematik aufgefallen ist. Ein Skandal wegen des Mangels an entsprechender Kompetenz. Ein Skandal wegen der Abwesenheit von nicht weißen und geschulten Perspektiven in einer etablierten deutschen Redaktion.
Die Inszenierung von diversen Kampagnen ist, sofern sie nicht mit ausreichenden Kompetenzen und Perspektiven gedacht ist, nicht nachhaltig. Das bedeutet, dass sich Unternehmen oder Publikationen für glaubhafte Arbeit in Kontexten wie Diversität und Inklusion auch Team-strukturell an entsprechende Prozesse anpassen müssen. Die Rede ist nicht nur von Kampagnen, die sich auf die Abbildung von Hautfarben beziehen. Auch Themen wie nonbinäre Genderidentität, Körpernormen, unable-bodied Personen oder Sexualität sind betroffen. Momente in denen vergleichbare Fehler unterlaufen, Fehler wie „Coolest Monkey in the Jungle“ von H&M, der Gucci Blackface Pullover oder die Fetischisierung asiatisch gelesener Frauen durch Dolce & Gabbana, werden sich exakt so lange zutragen, wie eine weiß geprägte Branche nicht ganzheitlich die Türen öffnet für Menschen mit Rassismus- und Marginalisierungserfahrungen.
Diet Prada hat mit dem Posting zahllose Menschen mobilisiert und für Reichweite gesorgt. Scrollt man durch die 4.200 Kommentare, fühlt man sich fast an die Kommentarmassen erinnert die, in der Regel von AFD-lern und Internet-Trollen verfasst werden. Diese abgeschwächte Form einer „Moral Panik“, ein Phänomen in Gruppenströmungen, welche sich kollektiv gegen ein verwerfliches Thema oder eine Tat ausspricht und sich blitzschnell unter Gleichgesinnten verbreitet, lässt mich an Tagen wie gestern aber am Ende für einen kurzen Augenblick aufatmen: Es ist in gewissen Szenen oder Kreisen zu einem woken Grundprinzip avanciert, ebendiese Inhalte zu konsumieren. Sie schaffen unglaubliche Aufmerksamkeit für das problematische Verhalten der weißen Strippenzieher*innen einer Branche. Könnte ich nun auch noch bei Missetaten abseits der Modebranche damit rechnen, dass die Leute in selbem Maße aufstehen, outcallen, Anprangern, Einsehen und DIskutieren würden, müsste ich mich für Deutschland fast ein bisschen weniger schämen.
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Mittlerweile hat die Elle übrigens den Versuch einer Entschuldigung veröffentlich. Nur: Wie damit umgehen?
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