Editor’s Letter & Themen-Monat: „Passt auf euch auf.“

05.11.2019 Wir, Leben

Ihr lieben Leser*innen,

vielleicht habt ihr es schon bemerkt: Der einzige Mensch, den je als meine bessere Hälfte bezeichnen würde (weil ich schließlich auch so schon ein Ganzes bin), hat sich vorerst in die wohlverdiente Elternzeit verabschiedet. Richtig reinschieben mussten wir sie in diese Auszeit, und raus aus dem Büro, so fest klebte sie samt Babybauch an ihrem Schreibtisch dran, bis zuletzt. Und ich bewundere sie dafür – hatten wir uns nach unseren ersten Schwangerschaften doch eigentlich geschworen, es beim nächsten Mal etwas anders und vor allem ruhiger angehen zu lassen. Zack – hier kommen wir also schon gleich zum Thema. Denn natürlich tendiert Mensch in einem solchen Fall zunächst dazu, viel Lob auszusprechen, ich ja auch, für so viel Fleiß und Durchhaltevermögen, Respekt regnet es logischerweise und anerkennende Blicke. Zu recht, sowieso, weil wow – aber all das birgt eben auch Gefahren, wie ich neulich dank der Erklärung einer lieben Freundin dazu lernen durfte. Sie schlägt vor, dass wir in Zukunft womöglich etwas genauer darüber nachdenken sollten, wie wir unser Lob formulieren oder nach außen tragen. Um etwa jene zukünftigen Mütter nicht zu verletzen, die mehr Ruhe benötigen. Die nicht weitermachen können, als wachse dort kein zweites Gehirn im Unterleib. Aber auch, um jenen Schwangeren, deren Leben sich nur wenig neuer Einschränkungen erfreut, dennoch immerzu die Freiheit zu bewahren, alles stehen und liegen zu lassen, sollte es irgendwann trotzdem nicht mehr gehen – ohne vermeintlich zu scheitern. Unterstützen ohne zu bewerten – vielleicht ist das die Antwort. Denn auch umgekehrt wird allzu häufig be-, bzw. verurteilt: „Sie joggt am Ende noch in den Kreissaal, kann gar nicht los lassen, Arbeit ist ihr wohl wichtiger.“ – alles schon erlebt, auch persönlich, in meiner eigenen Schwangerschaft, damals vor über fünf Jahren. Seither hat sich viel getan. Und trotzdem wenig verändert.

Wie oft habe ich mir etwa selbst versprochen, tiefer durchzuatmen, längere Auszeiten zu nehmen, unabhängiger von der Meinung anderer zu werden, sämtlichem Druck standzuhalten, das Stresslevel runter zu schrauben oder endlich weniger Ängste vor der Zukunft zuzulassen. Und wie oft bin ich genau daran gescheitert. Musste mir eingestehen: Schon wieder nix dazu gelernt. Obwohl ich es doch längst hätte besser wissen müssen. Aber so einfach ist es nicht. Nicht nur die eigenen Mechanismen müssen am Ende ja durchbrochen, auch auch gelernte, anerzogene Denkmuster, die einer verrückten Welt, der wirtschaftlichen Entwicklung, strukturellen Erneuerungen in der Berufswelt und steigenden Arbeitsanforderungen geschuldet sind, sollten hinterfragt werden, wenn sich irgendetwas ändern soll. Zum Besseren, Gelasseneren. Uns selbst zuliebe. Wir müssen nämlich nicht alles schaffen. Und alles gleichzeitig? Das ist ohnehin ein Märchen, das nur selten in Erfüllung geht. Wieso fällt es uns trotzdem so schwer, zu entspannen? Loszulassen? Nach Hilfe zu fragen? An uns selbst zu denken? Ist es Social Media? Unsere Erziehung? Oder einfach nur das Leben?

Genau das gilt es, im neuen Monat zu erforschen. Und darum, uns daran zu erinnern, dass wir nicht allein sind. Mit unseren Sorgen, mit Angst, Panik und Zweifeln, mit großen Stürmen und kleinen Stolpersteinen. Gefühle dürfen kein Tabu sein. Aber wir manchmal schwach. Das Gute ist nämlich: Zusammen sind wir viel stärker als gedacht. 

Passt gut auf euch auf.
Eure Janes.

 

7 Kommentare

  1. Line

    Danke für deine Gedanken zum Druck auf werdende Mütter. Habe auch deine Kritik am Begriff „Working Mum“ gelesen. Es ist so wichtig, dass wir uns gegenseitig nicht herabsetzen. ❤️

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  2. Annika

    Kannst du dann auch darüber schreiben, wie ihr/du das alles schafft mit Kind? Und einen Firma? Den Mitarbeiterinnen? Ich sitze hier oft von außen und staune. Kriege aber auch Selbstzweifel, weil ich nicht glaube, dass ich das könnte. Habt ihr schwache Momente? Würde mich freuen, etwas darüber zu erfahren.

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    1. Claudine

      Bitte mehr solche Gedanken! Nebst uns selbst sind es gleichaltrige Frauen, die uns am meisten auf die Finger schauen. Eigene Firma, genügend Sport und gesundes Essen: Ich erledige gerade nur das Nötigste, will jeden Tag Pasta essen und 15 Stunden am Stück schlafen – Mittagsschlaf ausgeschlossen.

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  3. Rosa

    Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass das Einzige das WIRKLICH etwas an dieser ganzen Misere ändern würde, wäre … dass Frauen die ein Kind bekommen haben (oder deren Gesundheit es nicht zulässt, dass sie schwanger wie gewohnt weiterarbeiten/ weiterleben) für die ersten 1-2 Jahre eine ausreichende (!) Sicherung vom Staat erhalten. Meiner Meinung können sie nur so wirklich unabhängig bleiben, erfahren eine angemessene gesellschaftliche Wertschätzung und können auf dieser Basis Kind und Job vereinbaren …

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  4. Ulrike

    Danke, ganz toll und wichtige Gedanken! Ich denke da an die Anticapitalist Loveletters: „You are worth so much more than your productivity“ … ehrlich gesagt habe ich den Gedanken lange Zeit nicht kapiert, und für ein schönes Märchen gehalten, denn der Oton in unserer Gesellschaft ist aus meiner Erfahrung ein anderer. Alles Gute Dir Sarah! Und dem restlichen Jane Wayne Team 🙂

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  5. Tülay

    Claudine hat Recht… Ich kriege von meinen Kolleginnen immer mitgeteilt, doch etwas kürzer zu treten, mal ruhiger zu machen usw. Wenn ich es dann wirklich mal tue, kriege ich Wochen danach Vorwürfe, schön pauschalisiert, ich sei ja nie da, es sei ja so oft etwas nicht erledigt… letztlich arbeiten wir uns doch alle nur für ein, zwei Lobs kaputt, die aber in meinem Fall nie kommen.

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