In unserem Format „5 Frauen“ lassen wir regelmäßig unterschiedliche Stimmen zu Wort kommen. Jetzt wollen wir auch eure Meinungen, Gedanken und Erfahrungen zu verschiedenen Themen hören, um Diskussionen und einen Austausch zu fördern. In „JW Community“ stellen wir euch deshalb künftig Fragen, die uns beschäftigen und über die wir mit euch sprechen wollen. Wir geben zwar auch unseren Senf dazu, aber hier geht es aber vor allem um EURE Meinung – ihr seid also herzlich dazu eingeladen, eure Ansichten und Überlegungen fleißig in den Kommentaren zu teilen. Diesmal lautet die Frage:
Wie gut tut euch Weihnachten? Seid ihr wirklich entspannt oder auch ein bisschen gestresst von den Feiertagen? Was habt ihr gelernt, was macht ihr inzwischen anders oder gar besser? |
Fabienne:
Meine Familie ist klein, aber die wenigen Traditionen, die wir haben, halten wir ein und so kommen wir jedes Jahr in unseren kleinen Gesamtheit zusammen und feiern die Weihnachtsfeiertage ohne tatsächlich christlich, gläubig oder spirituell zu sein. Ich genieße das sehr und doch habe ich mich in den vergangenen Jahren mit dem Fest der Feste, der Liebe, der Familie, des Geldausgebens, der Völlerei, des Vollsuffs auseinandergesetzt, um zu keinem Schluss zu kommen. Erinnerungen an einstige Familienstrukturen oder die Personen, die inzwischen fehlen, auch der Druck einer makellosen Familienzusammenführung wiederholt sich jedes Jahr aufs Neue. Lübeck ist zum Winter ein wirklich feiner Ort und voll mit alten Freundinnen, guten Erinnerungen und wohlig-Glühwein trunkener Stimmung. Bevor es aber in die Heimat geht,
ist die Zeit zwischen Weihnachtsfeiern und Wichtelabenden geprägt von Überforderung und der Hoffnung auf baldige Erlösung durch den Zwangsurlaub. Versteht mich nicht falsch: Das Fest abschaffen ist nicht der Punkt, abgesehen davon, dass längst nicht alle Menschen Weihnachten feiern geschweige denn mit ihrer Familie verbringen können oder wollen. Wie aber bekommen wir es hin, diese Zeit im Jahr, sprich den ganzen letzten Jahresmonat samt Endzeitstimmung, auf der Arbeit, bei sozialen Verpflichtungen und auch finanziellen Belastungen so zu gestalten, dass mentaler und monetärer Druck sich anders verteilen oder im besten Fall sogar in Luft auflösen? Ich versuche mir in dieser Zeit des Jahres immer die Wochenenden ohne Termine und Stress freizuhalten und etwas Ruhe zu gönnen. Mehr Plätzchen auf dem Sofa und weniger planen ist die Devise.
Julia:
Weihnachten löst in mir ganz merkwürdige Emotionen aus. Als ich klein war, stritten sich meine Eltern ständig und als sie sich dann trennten, war zwar Ruhe, aber so ohne meine Mutter war es einfach nicht mehr das Gleiche, weil Weihnachten für mich nunmal ein Familienfest war. Weil auch noch mein Vater zu jenen Menschen gehört, die ab dem zweiten Weihnachtsfeiertag wieder arbeiten gehen müssen, verloren die Feiertage für mich jeglichen Glanz und vor allem das Gemütliche, das ich früher so liebte. Seither stimmt mich Weihnachten oft ein wenig traurig, weil es mich an die frühere Zeit erinnert, in der meine Familie noch eine ganze Einheit war und ich glaubte, dass sich daran niemals etwas ändern könnte. Aus diesem Grund schiebe ich den Gedanken an die festlichen Tage stets vor mir her, am liebsten so weit wie möglich, was natürlich schade ist, weil ich zumindest die Vorweihnachtszeit mit all ihrem Kitsch ziemlich gerne mag. Vor etwa drei Jahren wollte ich dann aber zum ersten Mal etwas daran ändern, weil es ja auch doof ist, jedes Mal traurig zu sein. Deshalb versuche ich, die Tage künftig auch für mich zu nutzen und mir nebst Besuchen eine schöne Zeit mit Filmen, Serien und Büchern zu machen, um so nicht die stressigen oder traurigen Aspekte, sondern vor allem meine eigene Entspannung in den Vordergrund zu stellen. Ich glaube nämlich, dass es furchtbar wichtig ist, sich in solchen Situationen auch ein wenig Zeit für sich zu nehmen, um nicht in ein Loch zu fallen. Auch, wenn es noch nicht so ganz klappen will, mit mir und der fröhlichen Weihnachtszeit, arbeite ich jedes Mal ein Stückchen mehr daran, die Tage für etwas Schönes zu nutzen, um mich künftig vielleicht sogar auf sie zu freuen. Meine Top-Tipps (auch, um sich vielleicht vom Post-Weihnachtsstress zu erholen): Lieblingsfilme zum Wohlfühlen anschauen (zum Beispiel Ladybird), Kerzen anzünden, eine Wärmflasche machen, ein Hörbuch hören und dabei in Magazinen stöbern (zum Beispiel Odda oder Apartamento).
Nike:
Weihnachten und ich, das ist eine einzige Hassliebe, ein Wechselbad der Gefühle, ein wahnsinniger Zeitmanagement-Marathon und noch dazu ein teures Vergnügen. Und trotzdem freue ich mich jedes Jahr wie verrückt auf das alles. Auf die wenige richtig freie Zeit, die ich im Jahr habe. Auf meine Familie, auf das „Wieder-Kind-Sein“ und „Wieder-Teenager-Sein-Am-Lagerfeuer-Mit-Alten-Schulfreunden“, auf meine Schwestern, die noch mehr erzählen und schneller sprechen können als ich, auf die Omas, die Gänse, meine Liebsten und den großen, prächtig geschmückten Baum, ach, auf alles.
Was manchmal jedoch blöderweise zu Tränen führte, in der Vergangenheit meine ich, denn meine Erwartungen an dieses Fest, das sich ob der Feierlichkeit selbst so gern mag, sind jedes Mal so unendlich groß und von Hollywood versaut, dass mich schon der kleinste Anflug von gestörter Harmonie regelrecht aus der Bahn zu werfen vermag. Ich weiß nicht, wieso. Aber dieses Dorf, aus dem ich stamme, schafft es außerdem, mich mit seinen Erinnerungen und Eigenheiten so dermaßen aufzuwühlen, dass ich mich manchmal selbst etwas komisch benehme, so, als hätte ich sie nicht mehr alle beisammen. Ich bin dann genervt oder gemein und manchmal sogar hochnäsig. Zu meinen Schwestern oder meiner Mama, bloß, weil jemand eine andere Meinung vertritt als ich, weil der falsche Käse im Kühlschrank steht oder wieder wie der Teufel gewischt, statt locker rumgesessen und Tee getrunken wird. Das ist es vielleicht, was mich am meisten an Weinachten verwirrt: Diese miteinander kollidierenden Gefühle.
Dieses Gefühl, sich emanzipiert zu haben und endlich erwachsen sein, das plötzlich auf die seltsame Erkenntnis trifft, dass man Zuhause vermutlich doch ewig Kind bleiben wird. Dieser innere Konflikt zwischen der Verantwortung, die ich inzwischen selbst als Mutter trage und dem gleichzeitigen Bedürfnis danach, ausnahmsweise auch mal wieder ganz klein sein zu dürfen und überhaupt nichts erledigen zu müssen.
Mir fällt es zudem seit jeher schwer, alle anderen gleich glücklich zu machen und zu funktionieren, mich aufzuteilen zwischen meinen Familien, zwischen meiner Mutter und meinem Vater. Zwischen meinem Sohn und meinen Freund*innen. Ich vermisse an diesen Tagen eigentlich immer das, was gerade nicht da ist. Manchmal sogar Berlin und immer meinen Partner, der weit, weit weg mit seiner eigenen Familie Zeit verbringt. Selten habe ich mir so sehr ein Refugium herbei gewünscht, an dem Platz für jede*n von uns wäre. Eine Hütte im Schnee, in der wir alle, Lios Papa, mein Mann, alle Omas und Opas, meine Eltern mit ihren neuen Partner*innen und deren Kindern, meine Tanten, Cousins und Geschwister zusammen kämen, um sich überhaupt keine Geschenke zu machen. In meinen kühnsten Träumen, säßen wir einfach alle ganz gemütlich da, erzählten uns wilde Geschichten, hätten leicht einen sitzen, spielten Spiele und tanzten am Kamin vorbei, während die Familienpasta im Riesentopf köchelte.
In Wahrheit düse ich aber quasi jeden Tag woanders hin. Was spannend ist, aber nicht immer erholsam. Und dann ist da ja noch der Druck, passende Geschenke parat zu haben. Es ist nicht so, als würde ich es nicht lieben, Schönes zu verschenken, aber sobald aus dem Kann ein Muss wird, sobald ich auf dem Schirm habe, dass ich ungefähr 15 Geschenke brauche, und seien sie noch so klein oder selbstgebastelt, für meine riesengroße Patchworkfamilie, wird mir ganz übel. Auch, weil mir Geschenke selbst so schnurzpiepegal sind.
Deshalb haben wir Erwachsenen längst eingeführt, untereinander nur zu wichteln. Ansonsten bekommen nur die Kleinen Geschenke, eigentlich. Ich werde nämlich immer wieder schwach, beim Gedanken daran, wie sehr sich die anderen doch über Aufmerksamkeiten freuen, wie sehr da die Augen leuchte, wenn man einen richtig guten und im besten Fall schweinewitzigen Einfall hatte. Vielleicht sollte ich dieses Jahr aber einfach mal streng sein, zu mir selbst. Und mich an meine eigene Regel halten: Keine Geschenke für Leute über 14 Jahren. Ich werde mich außerdem zügeln und tief einatmen, sobald mich irgendetwas stört. Mich selbst viel mehr zurücknehmen, dafür aber viel mehr geben, und vielleicht gerade dadurch zur Ruhe finden und lernen, eins mit der wilden Familienmasse zu werden, um endlich ganz gelassen durch die Feiertage zu gleiten. Dieses Jahr habe ich ohnehin ein Ass im Ärmel: Ich verlasse das Nest noch vor Silvester – um zusammen mit Lio gen Allgäu zu düsen. Zu meinem Freund und seiner wunderbaren Familie. Das ist am Ende nämlich wahrscheinlich sowieso schönste Erkenntnis: Der Stress ist es wert.
So sehr mir dieses ganze Patchwork-Gedöns in alle Richtungen manchmal auf die Nüsse geht – am Ende bin ich vor allem dankbar, genau dafür, für dieses große, wunderbare Chaos. Und unendlich reich an neuen und alten Menschen in meinem Leben, ohne die kein Fest der Welt überhaupt Sinn ergeben würde.