Für jemanden, der von sich selbst sagen würde, dass die britischen Royals ihn eher peripher interessieren, muss ich mir nun selbst eingestehen: Nicht nur habe ich, trotz meines laut bekundeten Desinteresses, nicht nur einen, sondern bereits zwei Texte über Harry, Kate & Co geschrieben – nein, das Drama um den drohenden Abschied der Sussex Royals© vom Königshaus hat mich letzte Woche so beschäftigt wie kaum etwas anderes. Was meine Prioritäten zugegebenerweise in zweifelhaftem Licht erscheinen lässt, schließlich brennt gerade ganz Australien.
Aber nun gut, die Royals also. Kurz zur Erinnerung: Harry und Meghan wollen nicht mehr Teil der britischen Königsfamilie sein, sich künftig von repräsentativen Pflichten zurückziehen, sowohl in England als auch in Nordamerika leben und finanziell unabhängig werden. Die Queen war, so scheint es, nicht darüber informiert, dass diese Entscheidung dermaßen schnell und dann auch noch per Instagram-Post der Öffentlichkeit verkündet wird. So gab es denn aus dem Buckingham Palace ein eher verschnupftes Statement und ab dem heutigen Montag tagt ein Krisengipfel, den Queen Elizabeth auf ihrem Landsitz Sandringham einberufen hat (die zu Sohn Archie nach Kanada abgereiste Meghan soll zugeschaltet werden). Wie und wann der #Megxit stattfinden soll, ist weiterhin unklar.
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Wie einst Yoko Ono
Wer hätte das gedacht: Royals können einfach beschließen, dass sie nicht mehr Royals sein wollen. Fehlt nur noch, dass ein Papst beschließt, nicht mehr Papst sein zu wollen! Die Schuldige in dem ganzen Szenario ist natürlich klar: Meghan. Angeblich gibt es schon lange Streit zwischen ihr und ihrer Schwägerin Kate, ist sie aufmüpfig und anstrengend (Feministin halt), steht auf teure Klamotten und hat außerdem einen Keil zwischen die beiden sonst immer so vertrauten Brüder Harry und William getrieben. Wie eine junge Yoko Ono, die einst, so behauptet mann, die Trennung der Beatles verantwortete, hat Meghan ihrerseits die royalen Fab Four gesprengt, indem sie sich und Harry von William und Kate separierte – noch nicht mal mehr einen gemeinsamen Twitter-Account haben die vier!
In der Sendung Brisant, der ich aufgrund einer fiebrigen Erkältung hilflos ausgeliefert war, schaffte man es letzte Woche, fast kein negatives Wort über Meghan zu sagen und dennoch klar zu machen, wer hier die böse Hexe des Westens und wer die gute Hexe Glinda ist: Ein Geburtstagsbeitrag über Kate (sie ist am 9. Januar geboren) stellte ausgiebig dar, wie gut und perfekt sie ist. Alles macht sie richtig, immer ist sie pflichtbewusst – anders als, das wurde nicht gesagt, Meghan. Der Beitrag endete mit dem Wunsch „Keep calm and carry on, Kate!“. Übersetzt: Danke, Kate, dass du nicht wie Meghan bist, diese unkultivierte und bereits einmal geschiedene Amerikanerin – noch dazu mit einer afroamerikanischen Mutter –, die sich als größere Bedrohung für das britische Königshaus entpuppte als Prinz Andrew und sein pädophiler Kumpel.
Schwache Männer
Bei Brisant und anderswo werden Kate und Meghan präsentiert wie zwei Prototypen royaler Ehefrauen: Hier ist die pflichtbewusste Dreifachmutter, die sich an alle Regeln hält. Dort ist die undankbare Aufsteigerin, die sich einen Prinzen gekrallt hat, ihre Traumhochzeit bekam und nun keine Lust mehr hat, das Spiel mitzuspielen. Kate ist das Golden Girl, Meghan das Rebel Girl. Eine Charakterisierung, die nicht nur (offensichtlich) beleidigend für Meghan ist, sondern ebenso für Kate. Denn wo Meghan alles falsch macht, macht Kate alles zu richtig. So bezeichnete die britische Schriftstellerin Hilary Mantel sie als „Plastik-Prinzessin“, als „charakterlos“. Kate wird für ihre Disziplin und ihre Bereitschaft, sich den Erfordernissen des royalen Daseins klaglos anzupassen, bewundert. Gleichzeitig schwingt da aber immer das Urteil mit: langweilig. Puppenhaft. Über Meghan mag man sich aufregen – aber dass sie langweilig ist oder angepasst, würde ihr wohl niemand vorwerfen.
Und was ist eigentlich mit Harry und William? Wenn man es nicht besser wüsste könnte man meinen, die beiden Herren hätten überhaupt kein Mitspracherecht und seien bloße Zuschauer beim Dauerstreit ihrer Xanthippen, äh, Ehefrauen. Gerne wird jetzt so getan, als seien die Brüder immer ein Herz und eine Seele gewesen, was schwer vorstellbar ist, wenn man sich an Harrys jahrelange Party-Phase inklusive Nazi-Kostümierung erinnert. Dass William nun öffentlich davon spricht, er und Harry seinen „keine Einheit mehr“, ist, glaubt man den Boulevard-Medien, einzig und allein Meghans Verdienst.
Harry erscheint so als Opfer, als Mann, der von einer dominanten Frau kontrolliert wird. Als passiv. Als jemand, der über keine eigene Handlungsmacht verfügt. Puh, armer Harry. Und armer William, der indirekt ja nun auch zum Opfer von Harrys Frau wird. Und sowieso: Arme Kate, deren Geburtstag durch die Sussex Royals© gründlich verdorben wurde. So gründlich, dass ihr selbst ihr Barbielächeln vergangen sein durfte.
Frauen sind unterschiedlich
Spaß beiseite: Das Problem bei dem Ganzen ist letztendlich, dass Kate und Meghan Menschen sind, Frauen aus Fleisch und Blut, und keine abstrakten Ideen oder perfekten Prototypen. Vielleicht ist Kate ja tatsächlich einfach so, wie sie rüberkommt: eine gewissenhafte, gefällige Person, die wusste, was sie als Mitglied des britischen Königshauses erwarten würde und die bereit ist, die ihr zugeschriebene Rolle zu erfüllen. Und vielleicht ist Meghan eben nicht so. Aber ist es nicht legitim, sowohl wie Kate als auch wie Meghan zu sein? Das nämlich kann selbst mein erkältungsbedingt geschwächtes Hirn begreifen: Menschen sind unterschiedlich. Frauen sind unterschiedlich. Sie gegeneinander auszuspielen, indem ihr Charakter und Lebensmodell abgewogen und in „gut“ oder „schlecht“ eingeteilt werden, ist schwachsinnig. Mindestens genauso schwachsinnig wie Prince Andrew unbeaufsichtigt vor eine Kamera treten zu lassen.