Fotocredit: Søren Jepsen (The Locals) für Vogue
Als Street Style vor einigen Jahren populär wurde, klickte ich mich durch die Bildergalerien der Modemagazine und saugte diese schnellstmöglich auf, speicherte mir ganze Looks in Inspirationsordnern ab und versuchte, sie mit dem, was mein Kleiderschrank hergab, nachzustylen. Dass die Frauen, die mir entgegenblickten, zum größten Teil weiß und dünn waren, nahm ich damals noch gar nicht richtig wahr, wohl, weil mein Kosmos zu dieser Zeit noch reichlich begrenzt war. Mittlerweile sind die besagten Galerien auf über hundert Slides gewachsen — und bilden meist noch immer die gleichen, zumindest aber ähnlichen, Gesichter ab. Dass die Street Style Fotografie ein Problem mit fehlender Diversität hat, wurde mir jedoch zum ersten Mal während der Kopenhagener Modewoche klar. Bis dahin hatte ich erst eine weitere, internationale Fashion Week besucht und glaubte, — da ich selbst ja nur das beurteilen konnte, was ich in den Medien sah — dass Schwarze Frauen, People of Color, Menschen mit einer Kleidergröße über 38 und Personen, die älter als 35 sind, auf jenen Veranstaltungen schlicht und ergreifend nicht wirklich vertreten sind — was zwar ein ganz anderes Problem mit sich bringt, zumindest aber eine Erklärung für die Unterrepräsentation im Street Style gewesen wäre.
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Genau diesen Ansatz verfolgt auch Fotografin Christina Fragkou, die das Problem etwa bei den PR Agenturen sieht, die meist „weiße, dünne Frauen“ auf die Gästeliste setzen und sich die Chance, Street Style diverser zu gestalten, somit gar nicht erst ergeben würde — mit Sicherheit ist dieser Punkt ein Teil der Problematik, was aber, wenn die Schauen tatsächlich von Schwarzen Frauen, People of Color, Frauen über 35 und Personen mit einer Kleidergröße über 38 besucht werden und sie dennoch nicht abgebildet werden? Dass sie nämlich sehr wohl Teil der Modewochen sind, jedoch schlicht und ergreifend nicht wahrgenommen werden, schilderte auch Shammara Lawrence in ihrem Artikel für Teenvogue. Ein ähnliches Bild ergab sich für mich auch in der vergangenen Woche in Kopenhagen, als ich das Treiben vor den Schauen beobachtete und feststellte, wie schnell die Kameras der Fotograf*innen nach unten sanken, sobald sich eine weniger bekannte oder weniger „weiße, schlanke“ Frau dem Eingang näherte. Auch der Blick durch die Bildergalerien nach den Schauen spiegelte nicht das, was auf den Straßen passierte, wider: Dort nämlich dominierten all jene Personen, die das stereotypische, westliche Schönheitsideal repräsentieren. Eine der wenigen Ausnahmen bildet etwa Abisola Omole, die von Søren Jepsen für verschiedene Vogue Plattformen abgelichtet wurde und anschließend ebenjenes Problem auf ihrem Instagram Account thematisierte.
In ihrer Bildunterschrift kritisierte die Kreativdirektorin etwa, dass es bei der Street Style Fotografie nicht einmal mehr darauf ankäme, was die Personen tragen würden, solange sie „schlank, blond und kaukasisch“ seien und bestimmten Kriterien entsprächen. Für ihre Aussage erhielt sie — berechtigterweise — großen Zuspruch, was gleichzeitig beweist, dass sich bis heute nicht sonderlich viel geändert hat. Während zumindest die Laufstege zunehmend diverser werden, scheinen im Street Style die alten Regeln zu gelten, dabei wurde die Problematik bereits im Herbst 2018 thematisiert: Für The Cut schreibt etwa Lindsey Peoples über ihre Beobachtungen verschiedener Szenarien, die sich ihr vor Modenschauen darboten und schildert, dass „Schwarze Frauen, kurvige Frauen und jene über 35, die einwandfrei gekleidet waren“ von den Fotograf*innen ignoriert wurden. Ein Aspekt, der fälschlicherweise vermitteln könne, dass Plus Size und nicht-weiße Frauen nicht „stylish“ seien, wie Jessica Andrews, Fashion Features Editor bei Teen Vogue, anmerkt und damit impliziert, dass Street Style keineswegs „inclusive“ ist, sondern vielmehr ausschließt — und zwar nicht nur all die Personen, die nicht fotografiert werden, sondern auch jene, die durch die Street Style Fotos nicht repräsentiert werden.
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Klar ist, dass sich etwas ändern muss, was mich zur Frage führt, an welchen Stellen angesetzt werden muss. Tyler McCall, Chefredakteurin von Fashionista, schlägt in einem Artikel etwa vor, dass Magazine Fotograf*innen „pushen müssen, es besser zu machen“, während Fotograf*innen selbst nach neuen, anderen Details schauen müssen, statt sich auf die immer gleichen Personen zu konzentrieren. Zusätzlich merkt sie an, dass auch Marken beginnen sollten, Frauen und Influencer*innen verschiedener Körperformen zu kleiden, da von Labels ausgestattete Personen bewusst häufiger fotografiert werden (müssen). Durchaus wird die fehlende Diversität von verschiedenen Seiten beeinflusst, zu denen natürlich auch PR Agenturen, Magazine als Auftraggeber, jedoch auch Fotograf*innen als ausführende Kraft zählen. Letztere würden oftmals Personen fotografieren, die sie persönlich als „hübsch“ empfänden, statt auf Diversität und Mode zu achten, kritisierte Rachel Wang, Stylistin und Brand Constultant in einem Statement und fügte hinzu, dass diese Standards nicht nur einheitlich, sondern meist auch rassistisch und „seize-ist“ seien.
Und dennoch ist Street Style Fotografie längst ein großes Business und „PR Game“ geworden, das an eine Runway Show erinnert, in der Influencer*innen die neusten Kollektionen verschiedener Brands präsentieren, wie Fotografin Bryndis Thorsteinsdottir sagt. Sie sieht es als ihren Job, weiß aber auch, dass wir uns alle bemühen müssen, alle Körperformen, Hautfarben und jede Altersklassen abzubilden. Einen Aspekt, den auch Street Style Fotograf Søren Jepsen auf seinem Instagram Account anspricht und seine Kolleg*innen dazu aufruft, inklusiver zu werden. In einem kurzen Gespräch fügt er hinzu, dass es letztlich zwar die Redakteur*innen seien, welche die finale Auswahl für die Galerien treffen, sich ein diverseres Abbild aber auch nur ergeben könne, wenn Fotograf*innen beginnen, alle Hautfarben, Altersgruppen und Kleidergrößen zu fotografieren. Dass der Großteil der Personen, welche die Modewochen besuchen, dünne, weiße Cis-Frauen sind und die Branche selbst keineswegs divers sei, sei ein weiteres Problem. Statt jedoch die Schuld stets bei anderen zu suchen, gelte es vielmehr, die eigenen Privilegien zu nutzen, um an der Problematik zu arbeiten, so der Fotograf.
Teil des Problems sind aber natürlich auch wir selbst: Indem ich hauptsächlich weiße, dünne Frauen als Stilinspiration teile, fördere ich ausschließlich jene Personen, die ohnehin ständig zu sehen sind. Auch mein Blick muss also weitläufiger und einschließender werden, statt sich auf die kleine Blase zu beschränken, die mich umgibt. Auch meine Kamera muss ich, wenn ich während der Modewochen Eindrücke mit euch auf Instagram teile, noch häufiger auf People of Color, Personen, die eine Kleidergröße über 38 tragen und Menschen über 35, richten und sie sichtbarer machen, denn sie sind nicht minder Teil des Ganzen, als alle anderen. Für einen inklusiven Street Style, der tatsächlich inspiriert und nicht bloß jene Personen, Kleidungsstücke und Marken abbildet, die auch auf anderen Plattformen ständig zu sehen sind, braucht es also viele Veränderungen verschiedenster Personen, die vermutlich nicht von jetzt auf gleich geschehen werden, aber eben auch nicht so still stehen dürfen, wie sie es in den vergangenen Jahren getan haben.