Wir haben zwei Singles gefragt: Wie geht es euch in der Isolation?

30.04.2020 Menschen, Leben

Was macht die Isolation mit Partnerschaften? Das haben wir vor wenigen Wochen gefragt. Heute soll es darum gehen, wie es Singles in der aktuellen Situation ergeht.

Verrückt, wie normal sich inzwischen schon all das anfühlt, was ich bei der Erhebung dieser ersten Umfrage noch als vollkommen absurd eingestuft habe. Es ist doch irre, wie schnell man in der Lage dazu ist, sich zu arrangieren und zurechtzufinden – wenn es keine wirklichen Alternativen gibt. Wie aber ergeht es gerade Menschen, die nicht in einer festen Partner*innenschaft leben und mit all den Lebensfragen, der Zeit zum Grübeln und unterschiedlichsten Bedürfnissen etwas mehr auf sich alleingestellt sind, als Menschen in Beziehungen? Um das herauszufinden, habe ich zwei Frauen danach gefragt, was sie derzeit über Wasser hält und mit welchen Konzepten die beiden das Beste aus der Selbstisolation herausholen, ohne den Kopf zu verlieren. 

Josefine

Du hast mir schon verraten, dass du total Lust auf eine Sommer-Verliebtheit hast. Warum glaubst du, dass dieses Bedürfnis gerade besonders stark ist?

Meine Vorstellung davon beinhaltet auf jeden Fall den sozialen Austausch und das Kennenlernen von neuen Menschen. Eine Situation eben, in der ich jemand neues kennenlerne, den ich aufregend und interessant finde. Eben diese Sommerabende, an denen man sich, unter normalen Umständen, immer näher kommt, zusammensitzt und laue Nächte gemeinsam genießt. Es ist ja auch ein kollektives Gefühl, wenn man merkt, dass alle draußen unterwegs sind, beglückt von eben dieser Verliebtheit, die in der Luft liegt. Die Wahrscheinlichkeit, dass das jetzt passiert, ist extrem gering. Es fühlt sich für mich so an, als wäre das nahezu ausgeschlossen. Out of the Window quasi.

Macht dich diese Vorstellung mürbe und könntest du dir vorstellen, die aktuellen Auflagen zu umgehen, um eben diesem Bedürfnis dennoch nachzugehen?

Das würde ich nicht machen. Sich zu verleben, so eine Person kennenzulernen, ist ja ohnehin schon ein großes Glück. Wenn ich Risiko und Potenzial abwäge, ist mir die Wahrscheinlichkeit auf jemanden zu treffen, bei dem es funkt, nicht groß genug. Es ist frustrierend, definitiv, weil ich das Gefühl habe, stecken geblieben zu sein. Es bewegt sich nichts.

Du bist auch auf Dating-Apps aktiv (gewesen). Herrscht dort jetzt eine andere Stimmung?

Witzigerweise ist die Stimmung hier nicht beeinflusst auf Corona. Es geht extrem viel. Profile wurden abgeändert auf Aussagen wie „Wir können uns auch mit Mundschutz treffen“ oder „Ich bin nicht infiziert“. Das Lustige ist, dass natürlich sehr viel mehr als vorher geschrieben wird. Sich direkt treffen geht ja nicht. Ich habe es noch nie erlebt, dass ich so lange Texte bekommen habe. Von „Da habe ich studiert“ bis „Corona macht mit mir Angst“ ist da alles dabei. Ich bin mittlerweile raus aus dem Game. Das hat aber andere Gründe.

 
 
 
 
 
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Du hast dich zuvor trotzdem ein Mal auf ein Treffen eingelassen. Wie ist das abgelaufen?

Das stimmt. Dieser Mann hat mir nach ein paar Tagen des Schreibens gesteckt, dass er aus zwei Wochen Quarantäne nach der Covid Infektion herauskam und Antikörper gebildet hatte. Er fragte mich, ob wir uns treffen wollen, weil wir gegenseitig keine Gefahr aufeinander ausüben würden. Um mich in Sicherheit zu wiegen, hatte er sogar eine ärztliche Bescheinigung in petto, in der Erkrankung und Genesung vermerkt war (lacht). Ein absoluter Lichtblick für mich und ich hatte natürlich große Hoffnung auf die gewünschte Romanze. Wir trafen uns auf Weinschorle To Go an der Spree, was sehr nett war, doch gefunkt hat es leider nicht, auch wenn ich über gewisse Dinge temporär hinweggesehen hätte. Einfach um wieder zu flirten und jemanden kennenzulernen, zu knutschen und Sex zu haben.

 

 
 
 
 
 
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Talking Sex: Wie sehr oder wenig frustriert dich dein sexueller Status Quo gerade?

Ich würde mich als sehr sexuellen Menschen beschrieben, der auch viel Sex braucht. Ich habe eine guten Freund, mit dem ich aktuell schlafe. Mir ist es sehr wichtig, diese Bedürfnisse befriedigen zu können. Richtige körperliche Nähe nicht zu haben, und das über eine so lange Zeit, wär für mich sehr schlimm gewesen. Außerdem habe ich mir kürzlich die App OMGYes heruntergeladen, die für mich eine Erleuchtung war, auch wenn ich der Meinung war, im Bereich Masturbation und Self-Love ganz gut aufgestellt zu sein. Ich lege fast täglich eine OMGYes Session ein und habe sehr viel Spaß mit mir selber. Es hat mir noch einmal gezeigt, wie wenig ich grundsätzlich auf eine*n Partner*in angewiesen bin, um diese Art von Spaß zu haben oder Neues über mich zu erfahren.

Warum ist es so wichtig, sich dieser Tage mit Devices wie OMGYes und anderen Dingen mental über Wasser zu halten und um sich selbst zu kümmern?

Es geht ja auch um das Erfüllen der tatsächlichen Bedürfnissen. Was ist mir wirklich wichtig? Worauf habe ich wirklich lust? Mir hat es geholfen, mit dem Meditieren anzufangen, um meine Gedanken zu ordnen und ein bisschen runter zu kommen, gerade jetzt wo im Kopf so unfassbar viel los ist. Aktuell mache ich 21 Days of Abundance. Ich musste mich kurz reinfinden aber kann es jetzt sehr weiterempfehlen. Das ist auf jeden Fall ein guter Weg, mit eigenen Ängsten und Gedanken klarzukommen, wenn sie einen übermannen, weil man jetzt einfach viel mehr Zeit für sie hat.

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Corona-Babys VS. Corona-Scheidung. Was machen diese Perspektiven, die medial gerade besprochen werden, mit dir?

Ich habe von zwei Freundinnen unabhängig voneinander die Aussage gehört, dass sie sich darauf freuen, wenn am Ende der Krise viele neue Leute auf dem Markt sind (lacht). Ich muss aber auch sagen, dass ich mir total gut vorstellen kann, wie unglaublich nahe sich Paare in diesen Zeiten kommen können und ich bewundere, wie auch Menschen in meinem engsten Umkreis mit diesen Gefühlen und neuen Hindernissen umgehen.

Du wohnst in einer WG. Bist du dankbar dafür, aktuell nicht direkt mit Einsamkeit konfrontiert zu sein oder hättest du gerne mehr Zeit ganz alleine?

Ich habe sowohl in WGs, mit einem Partner und alleine gewohnt. Die Vorstellung, alleine in der aktuellen Lage leben zu müssen, ist für mich furchtbar. Dauerhaft Zeit mit mir selber zu verbringen, ist für mich nicht leicht. Ich mache viel Sport und es tut gut draußen unter Leuten zu sein, ohne direkt in Kontakt zu treten. Das hätte mir sicherlich geholfen. Ganz alleine in einer Wohnung zu sein während der Selbstisolation, hätte mich wirklich fertig gemacht.

Wie nimmst du die Stimmung unter den Singles in deinem Freund*innenkreis wahr?

Ich merke, dass es mehr und mehr zu einer Frustration kommt. Eine Freundin von mir lässt sich zum Beispiel immer wieder auf eine toxische Beziehung ein. Sie fühlt sich mit dem Alleinsein nicht wohl und ist auf der Suche nach Nähe und kommt deshalb, auf der Suche nach einer festen Partnerschaft, aus diesem alten Beziehungskonstrukt nicht heraus, weil es eben die einzige Nähe ist, die ihr aktuell bleibt. Ich merke, dass vor allem weibliche Freundinnen sich nach einer festen Partnerschaft sehnen aber meine männlichen Freunde gerade auch mit casual Sex ok wären.

Fühlst du dich manchmal dieser Jahreszeit beraubt, die dafür prädestiniert ist, neue Bekanntschaften zu knüpfen?

Klar. Aber ich muss sagen, dass ich grundsätzlich ein positiver Mensch bin und mich ganz gut damit über Wasser halten kann, die aktuelle Zeit mit Self-Sex und eben allen Sachen, die nur ich will, zu verbringen und mich auf meine eigenen Bedürfnisse, abseits von der Suche nach einem Liebens- oder Sexualpartner, zu konzentrieren. Es wäre doch noch beschissener, das alles im tiefsten Winter erleben zu müssen. Irgendwie ist es im Frühling doch fast ein bisschen besser auszuhalten. Diese Energie setze ich einfach in bessere Orgasmen mit mir selber um, experimentiere und probiere Neues aus. Und in meinem Traum gibt es auch ein Ende von alldem mit einem richtigen Fest, auf dem sich kaum noch einer halten kann weil sich alle so richtig freuen, wieder unter Leute zu kommen. Ich kann das kaum abwarten.

 

Luise

Kannst du beschreiben, was Social Distancing und Selbstisolation mit dir als alleinlebende Person in den letzten Wochen gemacht hat? 

Ich lebe schon fast zwei Jahre alleine, was für mich einen unglaublich wichtigen Freiraum bedeutet. Ich habe eine Freundin, die in unmittelbarer Nähe alleine wohnt und ihren Partner aktuell nicht sehen kann. Wir haben entschieden, in der Isolation eine Art Bündnis einzugehen, welches mir die vergangenen Wochen total erleichtert hat. Wir haben uns zu zweit den Alltag gestaltet, gemeinsam den Einkauf geplant, Serien geguckt und zusammen gegessen und das konnte ich sehr genießen. Der Mangel an potenziellen neuen Kontakten hat mich nach den ersten drei Wochen getroffen. Da habe ich zum ersten Mal richtig gefühlt, wie es ist, längere Zeit alleine in der Wohnung zu sein – auch, weil es keine Aussicht auf eine Veränderung der Situation gab.

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Hat es eine Rolle gespielt, dass das „Kennenlernen“ erst einmal auf Eis gelegt ist?

Total. Dieser erweitere Freund*innenkreis, durch den man immer mal wieder potenzielle Love Interests kennenlernen konnte oder sich Aufmerksamkeit abholen konnte, fällt schlichtweg weg. Die Chancen vorher jemanden kennenzulernen sind mit Ende 20 ja schon relativ gering, wenn man mich fragt. Alles so eingeschränkt zu sehen, lässt dich das Single sein richtig spüren, weil auch Online Dating aktuell keine Option ist.

Du sagst, dass du es gerade jetzt als schwierig einstufst, als Single jemanden kennenzulernen. Magst du noch ein bisschen mehr darüber sprechen?

Für mich lief das Kennenlernen in der Vergangenheit oft über Kontakte oder über Freunde von Freunden ab. Unterwegs sein, auf Hauspartys jemanden kennenlernen, das ist mehr mein Ding als jemanden direkt anzuquatschen. Das hier jemand Potenzielles dabei ist, empfinde ich grundsätzlich als eher selten. Freundeskreise erweitern sich ja nicht so unheimlich schnell. All das fällt jetzt trotzdem komplett weg. Jetzt ist es gefühlt überhaupt keine Option mehr. Außerdem sind schlichtweg viele Menschen vergeben. Ein ganz simpler aber genau so hinderlicher Faktor. Andere wiederum wollen sich gar nicht binden. Also ja. Ich habe auf jeden Fall das Gefühl, dass der Markt stark begrenzt ist (lacht).

Hast du das Gefühl, dass du in Zeiten wie diesen noch mehr unter die Nase gerieben bekommst, nicht in einer Beziehung zu sein?

Alle meine Freund*innen sind in einer Beziehung. Mein Umfeld besteht fast ausschließlich aus Paaren, mit denen ich eine gemeinsame Freundschaft teile. Hier gab es oft Situationen, in denen man schon früher gemerkt hat, dass man alleine zurückbleibt. Wenn um zwei Uhr alle meine Küche verlassen, bin ich eben nicht im Team. Ich habe gemerkt, wie schwer das sein kann. Meine Isolationspartnerin und ich waren uns unheimlich nah, aber zu wissen, dass da für sie immer noch eine Person mehr ist, die für sie Priorität hat, jemand, mit dem sie Telefon-Verabredungen einhält, die ich schlichtweg nicht führe, ist ein komisches Gefühl. Mir wird dann bewusst, dass es für sie, aber auch für viele andere, eben noch eine krassere Bezugsperson gibt, eine Ebene drüber quasi. Das habe ich aktuell deutlicher denn je gespürt. Alle meine Freund*innen sind total für mich da – aber deren höchste Priorität bleibt eben der Partner/ die Partnerin.

Wie kompensierst du diese Gefühle aktuell?

Indem ich offen und ehrlich über diese Gefühle und Ängste spreche, mich aber gleichzeitig nicht komplett in das Leiden hereinfallen lasse. Ich kann dann sowohl meine Situation besser akzeptieren, als auch über mich lachen – zum Beispiel, wenn ich bei Celine Dion mit Wein und Zigarette auf meiner Fensterbank sitze. Mein Optimismus hilft natürlich auch. 

Als es gerade angefangen hat, habe ich außerdem wieder Dating-Apps heruntergeladen, was für mich auch immer ein Auf und Ab ist. Die haben mich dann auch relativ schnell genervt, zumal ich nicht so der Typ fürs Schreiben bin und Nähe hier virtuell als allerletztes erzeugt wird. Klar bin ich auch innerlich meine Liste durchgegangen, habe ausgeheckt, wer in der Vergangenheit da war, wer von ehemaligen Affären vielleicht verfügbar wäre, so nach dem Motto „Scheiß drauf, die Welt geht eh unter, dann wenigstens noch das Körperliche“, um eine Person zu reaktivieren und die Quarantäne ein bisschen zu versüßen. Anfangs habe ich schon die ein oder andere Person kontaktiert – mich am Ende aber doch dagegen entscheiden.

 

 
 
 
 
 
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Wenn es eine Gelegenheit gäbe, eine neue Person kennenzulernen, würdest du das Risiko eingehen?

Ich würde den körperlichen Kontakt mit einem Verflossenen eingehen, mich aber nicht auf eine ganz neue Person einlassen.

Hast du darüber nachgedacht, was Corona mit dem „Single-Markt“ macht, wenn sich die Lage etwas entspannt?

Ich bin ziemlich überzeugt davon, dass sich nach dieser Zeit vor allem viele Menschen binden wollen, weil sie schlichtweg gemerkt haben, wie ätzend sich das Alleinsein anfühlen kann, aber kann mir auch vorstellen, dass es viele neue Singles geben könnte. Menschen, die Lust auf etwas Neues haben, sodass wir uns quasi auf einen Sommer der Liebe einstellen können. Da glaube ich wirklich dran. Ich habe meine Freiheit in den letzten Jahren selber gelebt und genossen, fände es aber schön, wenn sich dieses Berlin-Klischee in Zukunft ein bisschen auflöst. Auf dass die Menschen ihre Bindungs-Ängste oder Freiheits-Ideale ein Stück weit überwinden.

Welche Strategien hast du für dich selbst entwickelt, um dich aus einem Loch herauszuholen?

Es waren schon vorher Situationen da, in denen ich mich alleine gefühlt habe, aber ich merke auch, dass ich diese Gedanken am nächsten Tag immer recht gut beiseite schieben oder vergessen kann. Ich habe das Glück, auch mit meiner Isolationspartnerin so körperlich zu sein, zu kuscheln oder ein Bett zu teilen, dass ich aktuell nicht ganz auf Nähe verzichten muss. Das reicht ja manchmal auch schon. Das kann natürlich die sexuelle Ebene nicht vollends kompensieren, aber Masturbation hilft auf jeden Fall. Mir gehts in 90% der Fälle besser, wenn ich mir diese Zeit für mich genommen habe.

Hast du hier einen Holy Grail, wenn es um Solo-Sex geht?

Ich würde allen einen Vibrator empfehlen. Ich mag es auch mit der Hand aber eine schnelle Abhilfe, fast wie ein Ventil, ist auf jeden Fall mein Satisfyer.

 
 
 
 
 
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Wir haben vorhin schon über Apps geredet. Wie würdest dein Verhältnis zu diesen Tools beschreiben?

Eher schwierig. Mir ist es oft passiert, dass ich hier Menschen wiederentdeckt habe, die ich über Ecken oder von früher kannte, aber hier war dann auf jeden Fall schon eine potenzielle Richtung vorgegeben. Meine Erfahrung mit fremden Personen war ok, aber schon eindeutig Sex-driven. Hier ging es eben um Bedürfnisbefriedigung statt um ernsthaftes „Sich nahekommen“. Wie gesagt – ich hasse es, zu schreiben und mir ist es dann irgendwie auch zu viel Aufwand, sich auf diesem Wege anzunähern. In 80% der Fälle ging es ohnehin ums Flachlegen. Nicht um Liebe. 

Nimmst du manchmal auch eine Art „Dating-Müdigkeit wahr?

Ich finde es unheimlich anstrengend, vor allem, wenn man oft in einer Situation war, in der etwas länger ging und es sich in Richtung einer festen Beziehung hätte entwickeln können, es dann aber aus unterschiedlichen Gründen gescheitert ist. Das ist so anstrengend, wenn man merkt, dass man sich selbst auf einige Menschen eingelassen hat, den emotionalen Stress auf sich genommen hat, sich über einen neuen Sexualpartner freut und sich so etwas dann schnell wieder verliert und man diese Gefühlsachterbahn verlässt. Wenn dann immer wieder vergleichbare Achterbahnfahrten folgen, fängt man auf jeden Fall an an, sich zu zweifeln. Und hinterfragt das eigene Handeln oder die Person, die man ist. Ich mag diese ersten Dates nicht, in denen man sich anpreisen muss, und kenne Personen gerne vorher schon ein bisschen – eben durch die zuvor besagten zufälligen Kontakte, die nun aber wegfallen. Ein Freund sagte mal zu mir, dass ich mit Ungewissheit nicht umgehen könne und ja, das trifft auf jeden Fall zu. Ich kann schwer die Kontrolle über Situationen abgeben und habe grundsätzlich gerne schnell eine intime Ebene erreicht, die nicht mehr nur platonisch ist.

Inwieweit spielt es in Bezug auf den aufkommenden Druck und deine Ängste eine Rolle, dass du Ende 20 bist?

Wie gesagt, in meinem gesamten Umfeld stecken alle in einer Beziehung. Ich erfahre oft, mehr oder weniger unterschwellig, dass die Gesellschaft von mir nahezu fordert, mich demnächst fest zu binden. Ich hätte jetzt gerade in dieser Situation gerne eine feste Partnerschaft. Ok. Aber das heißt nicht, dass ich mich dafür rechtfertigen muss, dass es mir auch wirklich gut gehen kann oder dass ich zufrieden mit mir bin – auch allein. Sachen wie „Wir finden schon noch jemanden für dich“ sind nicht ok. Ich habe nicht um eine Einmischung gebeten und will nicht, dass mir jemand etwas unterstellt, was nur ich für mich entscheiden und fühlen kann, auch wenn es gut gemeint ist. Langsam merke ich, wie sich mein Umfeld settled, Menschen Familien gründen und ich mich trotzdem nicht von solchen Vergleichen freimachen kann. Ich mache mir ja auch Gedanken um die Zukunft.

 
 
 
 
 
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Setzt dich das unter Druck?

Eine Zeit lang war es mir oft unangenehm zuzugeben, dass ich noch nie in einer festen Beziehung war, aber mittlerweile kann ich gut damit umgehen. Ich weiß inzwischen, was ich möchte und fühle den Druck, kann aber auch nachvollziehen und reflektieren, warum es mir manchmal so geht. Nämlich nicht ausschließlich meinetwegen. Die Gesellschaft ist genau wie die Sozialisation daran beteiligt. Weil ich ja irgendwie nicht „der Norm“ entspreche.

Feminismus und das Verlangen nach einer festen Bindung. Nimmst du das als Konflikt war?

Ich habe schon oft darüber nachgedacht, dass ich alles habe. Einen guten Job, eine tolle Familie und einen tollen Freundeskreis. Aber es ist mir eben trotzdem wichtig, dass eine Liebesbeziehung diese Ebene eben noch überschreitet. Es geht nicht darum, dass ich ergänzt werden muss. Vielleicht eher um das Fördern durch jemanden, der mit mir im Team funktioniert und mich pusht. Für mich ist es total ok, dass ich das will. Ich weiß ja schon, dass ich alleine hervorragend klarkomme. Also nein: Feminismus und das Bedürfnis nach Nähe, gegen wunderbar zusammen.

Würdest du sagen, dass dir die aktuelle Situation in gewisser Weite „Zeit klaut“?

Tatsächlich nicht. Das wäre zu drastisch formuliert, obwohl es auf einige sicher zutrifft. Ich bin eher auf persönlicher Ebene ungeduldig, Ich will raus, jemanden kennenlernen und: endlich wieder Sex haben.

Wie geht es euch in der aktuellen Situation? Was vermisst ihr? Kommt ihr gut zurecht? Was hilft? Was frustriert? Und wie geht es weiter?

13 Kommentare

  1. sissi

    Ich hab mich erst gefreut, dass ihr das Thema beleuchtet, da mir selbst die Isolation grad unfassbar zu schaffen macht. Aber leider interviewt ihr eine Person in einer WG, die offenbar social distancing bricht und einen guten Freund hat, von dem sie körperliche Nähe erfährt und eine zweite Person, die ebenfalls eine „Ausnahme“ macht und mit einer Freundin kuschelt.
    Kann man machen, aber dann ist irgendwie am Ende auch nebensächlich, dass sie nicht in einer festen Beziehung sind. Alleine sind sie ja trotzdem nicht, obwohl ihr in der Einleitung von „Selbstisolation“ schreibt.

    Langsam frage ich mich, warum ich mich eigtl so streng an die Regeln halte.
    Ich habe seit 8 Wochen niemanden umarmt und bin inzwischen konplett in der Depression angekommen.

    PS: Das Layout verzieht sich auf meinem mobilen Endgerät, die Antworttexte sind zum Teil rechts abgeschnitten, nur fyi.

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    1. Marie

      Same Same. Niemanden umarmen ist tatsächlich das, was sich am schlimmsten anfühlt – und ein Loch, das man allein nicht gefüllt bekommt. Aber solltest Du tatsächlich tief in einem depressiven Loch gelandet sein ist es völlig ok, eine*n Freund*in zu treffen. Bei mir wechseln sich bessere und schlechtere Tage noch ganz gut ab, aber das ist mein Notnagel, wenn die schlechteren Tage Überhand gewinnen sollten.

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    2. Ana

      Mir ging es beim Lesen des Textes ähnlich. Ich hatte gehofft von allein lebenden Single-Menschen wie uns zu hören, die seit Wochen nicht einmal mehr eine Umarmung erleben dürfen/sie sich aus bekannten Gründen nicht erlauben. Ich habe vor zwei Tagen nach einem kleinen Zusammenbruch angesichts finanzieller Nöte und andauernden Einsamkeitsgefühlen mit einem ebenso allein wohnenden Single-Freund eine »Umarm-Beziehung« für diese Isolationszeit gestartet. Wir finden das legitim, solange wir zu keinen weiteren Menschen Kontakt unter der 1,5m-Grenze pflegen. Die erste Umarmung nach vielen Wochen war im wahrsten Sinne berührend.

      Antworten
    3. Svetlana

      Erstmal vorweg: Ich liebe eure Seite, immer super gute Beiträge 🙂
      Hab mich auch sehr auf diesen Artikel gefreut, fand’s nur etwas schade, dass die Perspektiven sich irgendwie ähnlich waren. Ich bin z.B. seit letztem Herbst Single und empfinde die Zeit „alleine“ grad auch als sehr angenehm im Dating-Sinne. Mal weg von Drama, Hin- und Her, Typen die sich daneben benehmen und den Stoff, den sie zum überdenken mitgeben. Einfach mal sich selbst wieder die Bestätigung geben, die ich mir sonst so gerne von Fremden oder Nicht-so-Fremden eingeholt hab. Und lieber keinen Sex als Sex mit Douchebags. Berlin speaking haha
      Ansonsten Danke dass es euch gibt, ist ein bisschen wie die große coole Schwester die ich nie hatte.

      Antworten
    4. Fabienne Sand Artikelautorin

      Halo Sissi! Danke für deinen Kommentar und die Kritik. Ich habe versucht Urlaub zu machen und komme jetzt erst zum Antworten aber bin dankbar für den Austausch und euer Feedback.
      Ich verstehe was du meinst und gebe zu, dass ich das Framing meiner Seite hier unpassend ist. Die beiden Perspektiven aber meiner Meinung nach ganz klar zeigen, ist dass sie einen Mechanismus gefunden haben mit der kompletten Isolation wie viele e hier beschreiben umzugehen und eine Regelung zu finden die sie „sane“ hält. Ich empfinde es bis heute als wenig fair einen Kontakt wie zum Beispiel mit einer anderen alleinlebenden, Isolierten Person zu verwehren, einfach weil man sich nicht als Liebespaar definiert. Deswegen vielleicht auch so wichtig zu porträtieren: Würde sie ihre feste Partnerin treffen, gehe ich mal davon aus, dass viele es als selbstverständlich ansehen würden, wenn sie sich in der Isolation regelmäßig treffen. Wer definiert was „überlebenswichtiger“ Kontakt ist, quasi.

      Ich werde mich das nächste Mal wieder bemühen, vielschichtigere Perspektiven einzubinden. Danke auch an alle anderen Kommentator*innen.

      Antworten
    5. Franziska

      Ich weiß ja nicht wo ihr gerade seid, aber ich bin in Berlin und mir ist sehr bewusst, dass wir nicht in New York hocken und dass es dort zu Recht viel strengere Regeln gibt, die einen bestimmt an die Grenzen des Ertragbaren bringen. Umso mehr schätze ich, was in Deutschland bzw. Berlin noch möglich ist. Meine psychische Gesundheit und die Anderer ist AUCH wichtig. Ich brauche doch Nähe und Umarmungen AUCH, um überleben zu können. Ich finde es mehr als legitim, im kleinen überschaubaren Rahmen Arrangements mit Freund*innen zu treffen. Das ist pures Überleben, Leute! Seid verantwortlich, aber macht es euch doch nicht zu schwer! Nur weil ich alleine lebe, dürfen doch nicht meine Bedürfnisse gegenüber Familien und zusammenlebenden Menschen untergeordnet sein.

      Antworten
  2. Mira

    Was soll denn dieser Text? Ich dachte ihr seid so ein feministisch-queerer Blog? Seit wann werden romantische Beziehungen höher gestellt als Freundschaften, sisterhood etc.? Bin gerade super enttäuscht. Was für eine bescheuerte Frage!

    Antworten
    1. Fabienne Sand Artikelautorin

      Hey Mira! Danke für deinen Kommentar. kannst du mir das noch einmal genauer erläutern? Wieso wäre es „unfeministisch“ hier Single Perspektiven einzubinden? Letztendlich geht es ja darum, Menschen abseits des Privilegs des als Beziehung angenommenen Kontakts zu fragen, wie sie damit klarkommen. Nicht weil Singles Loser sind sondern weil sie von den Regelungen der vergangenen Wochen quasi diskriminiert wurden.

      Antworten
      1. miri

        „Wie aber ergeht es gerade Menschen, die nicht in einer festen Partner*innenschaft leben und mit all den Lebensfragen, der Zeit zum Grübeln und unterschiedlichsten Bedürfnissen etwas mehr auf sich alleingestellt sind, als Menschen in Beziehungen?“ – wieso sind Menschen die nicht in einer Beziehung sind mehr auf sich alleingestellt mir ihren Bedürfnissen? und selbst wenn deine Intention nicht wahr dies zu behaupten (was du leider aber getan hast): Was ist mit Menschen in offenen Beziehungen, poly Menschen? Menschen in WGs? Sehr normativer Artikel mit unschönen impliziten Annahmen.

        Antworten
  3. Mira

    Anders gefragt: wie ist es denn so in einer Beziehung in c-times? Muss ziemlich schrecklich sein für manche!

    Antworten
  4. Franziska

    Also ich fand den Beitrag richtig gut und ich danke Fabienne vor allem für das Interview mit der tollen Luise, da sie ziemlich cool und radikal Dinge ausspricht, die in mir schon lange brodeln, und zwar über das Single-sein an sich und nicht nur in Corona-Zeiten. Das Gefühl wenn alle nach Hause gehen. Die Nähe mit einer richtig guten Freundin und die Realisierung, dass es für diese Freundin noch etwas höher gestelltes gibt. Die Wut und Verwirrung, die das mit sich bringt. Paare, Paare, Paare… überall. Wie WIRKLICH begrenzt der Markt ist. Dass es überhaupt ein Markt ist und der Widerstand gegen diesen Gedanken, denn natürlich ist mein Leben nicht weniger wert, spannend, liebevoll. Der Widerstand dagegen, dass irgendjemand das von mir denken könnte.
    Also mich hat das jetzt sehr berührt und so eine Position habe ich woanders auch noch nicht gehört oder gelesen.

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