Ich sitze mit ausgestreckten Beinen auf dem Sofa, während mein Laptop laut vor sich hin schnauft und mir die Oberschenkel zu versenken droht. Früher, da habe ich manchmal noch ein Magazin dazwischengesteckt, heute aber ist es mir egal, denn draußen liegt die Temperatur unter zehn Grad, was sich in schlecht bis gar nicht isolierten Altbauwohnungen nun eben auch sehr schnell bemerkbar macht. So ein bisschen zusätzliche Wärme ist also ganz praktisch und außerdem spüre ich den glühenden Laptop auch schon gar nicht mehr so richtig, was nicht etwa an abgestorbenen Nervensystemen, sondern vielmehr an meinem Wochenhoroskop, das sich da gerade in all seiner Herrlichkeit vor mir ausbreitet, liegt. Ja, ganz recht, ich stehe mächtig auf Horoskope.
Einer meiner absoluten Favoriten erscheint wöchentlich bei The Cut und ist gleichzeitig der Grund für meinen schnellen Verbrauch von kostenfreien Artikeln. Manchmal nämlich, da klicke ich den Artikel mehrmals in der Woche an, weil ich mich dank Gedankenstrudel und Sieb-Gedächtnis weder mittwochs, noch freitags daran erinnern kann, wozu Madame Clairevoyant mir am Montag noch geraten hatte — was in Anbetracht der kurzen Texte zugegeben ein wenig bedenklich ist. Nichtsdestotrotz freue ich mich auch beim wiederholten Male auf die Worte, denn: Claire Comstock-Gay verbreitet nicht etwa mystisch, rauchige Vorhersagen, sondern vielmehr kleine Kosmos-Erläuterungen inklusive Ratschläge. Und weil ich Ratschläge zwar nicht immer annehme, dafür aber besonders gerne höre, widme ich mich ihnen auch gerne zwei oder drei Mal innerhalb einer Woche.
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Für meinen monatlichen Astro-Input ist natürlich auch gesorgt, den hole ich mir nämlich stets bei Man Repeller, weil es hier neben hilfreich erscheinenden Tipps auch amüsante und persönliche Zeilen der Autorin Sarah Panlibuton Barnes gratis obendrauf gibt. In den meisten Fällen versorgen mich also bereits ihre Worte ganz gut mit zwischenmenschlichen Interaktionen, sodass ich mich wieder beruhigt anderen Dingen widmen kann, statt mir Gedanken um soziale Kontakte machen zu müssen.
Natürlich könnte man jetzt behaupten, dass zwei Horoskope für eine einzelne Person nun doch wirklich ausreichend seien, alles andere sei ja doch auch ein wenig fanatisch, und — vielleicht — sogar ein bisschen peinlich? Mag sein, mag sein, aber das hat mich natürlich dennoch nicht davon abgehalten, mir jüngst die in den Himmel gelobte App „Co-Star“ herunterzuladen, mein Geburtsdatum samt Uhrzeit einzutragen und mich nun täglich (ich bereue nichts!) auf ein kleines, nett geschriebenes Sterne-Update zu freuen. So erfuhr ich heute nicht bloß, dass ich meine Impulse kontrollieren sollte (den vierten Kaffee ließ ich ausfallen), sondern auch, dass ich neue Inspirationen nutzen kann, um Neues zu lernen. Jaja, das klingt sehr vage und ein wenig nach Blabla, aber eben auch wie die wohlwollenden Worte einer Person, die mir fünf Stunden lang geduldig zuhörte, während ich mein Gedanken- und Gefühlschaos schilderte. Kurz gesagt: So eine Nachricht tut auf eine merkwürdige Art und Weise richtig gut. Dass Horoskope mittlerweile nicht mehr bloß nach ausgedachtem Quatsch, sondern vielmehr nach dem Rat einer guten Freundin klingen, ist natürlich kein Zufall, sondern ein Konzept, das Horoskope vom verstaubten Image der 70er Jahre befreit und somit Millennial-tauglich macht. Millennials sind laut Julie Beck, Autorin bei The Atlantic, ohnehin wie gemacht für Astrokram, weil sie angeblich die gestressteste Generation ist. Und Stress, das können wir uns alle denken, ist nun einmal eine hilfreiche Voraussetzung, um einen Blick in die Zukunft wagen zu wollen. Obendrein ist da auch noch diese Nostalgie klassischer 90s Kids, die The Craft schauten und mit Ouja Boards in Berührung kamen und somit ohnehin schon einen Fimmel für Kristalle und Astro-Apps in sich trugen — ich zumindest kann mich darin so sehr wiedererkennen, dass ich beim Gedanken an all die Klischees ein wenig erschaudere. Da ich ja aber gelernt habe, dass Vorurteile doof sind, werfe ich auch diese über Bord und nutze die Zeit lieber, um euch meine vielleicht liebste Ausdrucksform der Astrologie zu präsentieren: Zodiac Memes.
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In den vergangenen Monaten hat sich auf meinem Handy ein ganzes Sammelsurium an Zodiac Memes angehäuft, das ich hüte wie einen Schatz und selbst dann nicht lösche, wenn sich mein Speicherplatz mal wieder lauthals beschwert. Meist antworte ich einfach mit einer neuen Ladung, die ich zuvor auf Instagram ausfindig gemacht habe. Gewöhnlich läuft der Prozess wie folgt ab: Ich suche mein Sternzeichen (Wassermann), lese den dazugehörigen Text und nicke anschließend ähnlich euphorisch wie ein Wackel-Dackel, um meiner Zustimmung Ausdruck zu verleihen. Danach kichere ich noch ein wenig, leite das Meme an alle meine Freundinnen weiter, teile es, wenn es besonders gut war, in meinen Instagram Stories und lese es schließlich ein weiteres Mal, bevor ich einen Screenshot mache und mich für die kommenden fünf Stunden auf die Suche nach ähnlich guten Exemplaren begebe. Dass jene Memes einen solchen Erfolg haben, liegt Maura Judkins, Autorin bei Washington Post, zufolge übrigens daran, dass sie uns nicht etwa sagen, wer oder wie wir werden, sondern wer wir bereits sind — ein Punkt, der zumindest in meinem Fall dafür sorgte, dass mir Horoskope und Astrologie so richtig viel Freude bringen, denn: Statt anderen Menschen meine Psyche, Einstellung und Werte ellenlang und umständlich zu erklären, teile ich nun einfach eine Menge Memes (meine Favoriten: Co-Star und TheZodiacsTea).
Zugegeben, meine Vorliebe für Astrokram war natürlich nicht einfach so von jetzt auf gleich da, vielmehr brauchte es zahlreiche wirre Identitätskrisen, unzählige hoffnungslose Momente und mindestens ebenso viele, unangenehme Fragen, auf die ich ganz unbedingt und auf der Stelle eine Antwort brauchte. Kurzum: Den Grundstein legte ich als pubertierende 12-Jährige. Weil die wirklich spannenden Horoskope über Liebeskram und Gefühlsduseleien zur damaligen Zeit meist in den Magazinen meiner älteren Schwester abgedruckt wurden, schlich ich mich regelmäßig in ihr Zimmer, um mich an all den Glamours, Jolies und Instyles dieser Welt zu vergreifen, bevor ich mich heimlich in eine Ecke verzog und sie genüsslich verschlang. Während ich da so saß, mit angezogenen Beinen und einem dicken Grinsen auf den Lippen, weil ich gerade erfahren hatte, dass ich noch in diesem Monat meinen neuen Schwarm treffen könnte, fühlte ich mich plötzlich weise und, zugegeben, ein wenig erhaben. Immerhin, davon war ich in diesem Moment fest überzeugt, wusste ich jetzt nicht nur ein bisschen mehr über meine eigene Zukunft, sondern hatte es auch noch vom Universum höchstpersönlich erfahren — ein Aspekt, der in Menschen, die schon immer ein Faible für Übernatürliches hegten, eine regelrechte Euphorie auslösen kann. Mein 12-jähriges Ich jedenfalls war hellauf begeistert.
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In den kommenden Jahren teilte ich nicht mehr nur meine merkwürdigen Coke Float Gelüste (wir schauten es uns bei Now & Then ab), sondern auch meine Vorliebe für Horoskope mit meinen Freundinnen. Anfangs machten wir uns natürlich noch ein wenig über das neue Ritual, unsere Horoskope laut vorzulesen, lustig, weil man als verwirrter Teenager eben alles irgendwie doof und bloß ironisch cool findet, doch schon bald schwang dabei nicht einmal mehr ein Funken Ironie mit. Sowas passiert manchmal. Dinge zunächst ironisch tun oder sagen, bevor sie sich dann plötzlich in den Alltag einschleichen, meine ich. Eine meiner gravierendsten Angewohnheiten war etwa die plötzliche Verwendung von „Alter!“ — an schlechten Tagen sage ich es noch heute, um meinen Unglauben oder Frust kundzutun. Jedenfalls war ich damals heilfroh, dass ich nicht mehr die Einzige in meinem Freundeskreis war, die als unsichere 15-Jährige die Sterne zur großen Liebe oder dem nächsten, unerwarteten, nie eintreffenden Geldregen befragte. Auch, wenn ich nie eine eindeutige Antwort erhielt, war ich dankbar für die kleinen Ratschläge, die da so abgedruckt waren. Besonders schön fand ich es ja, wenn dort Dinge wie „Du solltest heute eine Pause einlegen“ oder „Mit deiner strahlenden Aura ziehst du heute neue, spannende Menschen an“ standen, obwohl ich da natürlich schon längst begriffen hatte, dass mich neue Menschen meist stressten und die Horoskope allgemeiner Quatsch waren, der sich auf sämtliche Menschen in allen Gefühls- und Lebenslagen anwenden ließ.
Barnum-Effekt nennt man das dann. Der Begriff beschreibt also das Phänomen, dass Astrologiker*innen oder Handleser*innen Aussagen treffen, die auf viele Menschen zutreffen. Das Schöne daran: Positive Worte bringen Hoffnung und gute Laune, während negative Worte im besten Fall für ein paar Lacher oder aber einen Sündenbock (das Universum!) sorgen. Und wenn man das begriffen hat, gibt es doch auch rein gar nichts gegen Horoskope einzuwenden — es sei denn, man ist von Sternzeichen Widder, aber das ist eine ganze andere Geschichte.