Das Leid der anderen, der Tod der anderen, die Sorge der anderen. Jahrelanges Othering hat dazu geführt, dass die meisten mit dem „Wir“ ihre weiße „Possy“, ihr direktes Umfeld und eben die meinen, die in greifbarer Nähe co-existieren. „Wir“ meint die Arbeitskollegin, die Mitbewohnerin, die beste Freundin und die Partner*in. „Wir“ meint nicht wir alle. Wir meint „Du und deine weißen Freunde“.
Othering, das meint, dass es Teile der Gesellschaft gibt, die anders betrachtet, gelesen und behandelt werden, weil sie auf Anhieb und aufgrund äußerlicher Merkmale nicht zugehörig erscheinen. Sie werden von der weißen Mehrheitsgesellschaft, von der Masse kognitiv ausgesondert und als fremd gelesen. Anders behandelt. Anders verstanden. Othering ist der Beginn von Zuschreibungen, Unterstellungen, Klischees und Stereotypen. Was anfängt mit „Im globalen Süden haben sie immer gute Laune“ endet da im „Die haben einfach ein anderes Gemüt“. Es entfernt Menschen nicht nur als das „Wir“, von dem alle anderen reden, sondern macht sie weniger zum Menschen, mehr zu einer verrückten Spezies, die der Mehrheitsgesellschaft ähnlich, aber eben nicht gleicht. Irgendwie exotisch, aber doch nah genug, um sich ein eigenes Bild gemacht zu haben.
Ich habe so viele weiße Menschen fragen hören, wie es so weit kommen konnte, dass immer und immer wieder Schwarze Menschen und POC von verschiedenen Teilen der Welt verschwinden. Wie schrecklich unsere Gesellschaft ist, in der wir heute leben und dass sie sich kaum vorstellen können, Kinder in eine Welt zu setzen, für die die Zukunftsaussicht so trübe erscheint. Merkwürdig, dass so viele Betroffene es haben kommen sehen, immer wieder gewarnt haben, und dabei zusahen, dass ihre Ratschläge, ihr Bitten und Flehen seit etlichen Jahren überhört wurde.
Seit etlichen Jahren fühlt es sich so an, als hätte das „Wir“ vom Anfang nicht im Blick, dass echte Menschen sterben. Dass ein Kern einer rassistischen Gesellschaftsstruktur ist, dass nicht weiße Menschen einer permanenten Gefahr ausgesetzt sind, die damit beginnen kann, nicht die Wohnung zu bekommen, die man sich wünscht und damit endet, körperliche Gewalt zu erfahren. Das seiner Liebsten, seiner Freunde, seiner Kinder. Solange nicht jeder verstanden hat, dass die Leben von echten Menschen gefährdet sind, weil sie so aussehen, wie sie aussehen, also die Grundform von Diskriminierung, werden wir weiter gegen Wände laufen.
Die Bedrohung ist und bleibt nicht teilbar. Denn: So sehr sich meine weiße Familie auch anstrengt zu verstehen, was mir Angst und Sorge bereitet, so wenig wird ihnen dasselbe bis zum Ende ihres Lebens Sorge bereiten. Doch wenn mich momentan nur die Teilhabe des Problems dazu veranlasst, immer und immer wieder aufzustehen und gegen Rassismus zu kämpfen, wie soll es möglich sein, ohne kollektives Verständnis von Solidarität auch die zum Mitziehen zu bewegen, die für sich noch immer behaupten, keinen Unterschied zu machen, ob nun jemand Schwarz, of Colour oder weiß ist.
Ich fühle mich diese Woche so schwach und leer wie noch nie. Ich schaffe es nicht, andere Dinge außer trockene Brezeln und Cola zu konsumieren, und sitze vor mich hinrauchend auf dem Balkon. Dass das ok ist, weiß ich schon lange. Nur ob das aufhört, weiß ich nicht mehr.
Gestern Abend im Gespräch mit Aminata Belli:
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