Vor zwei Monaten begann ich mit meiner nunmehr zweiten Psychotherapie. Nicht nur der Weg dahin war steiniger und komplizierter als gedacht, auch vor der ersten Sitzung sträubte sich alles in mir bis ins Mark und ich musste mir auf dem Fahrrad sitzend mit der liebsten Musik im Ohr lange einreden, dass das, was mir bevorsteht, kein Test, keine Aufgabe, kein Scheitern, sondern Selbstfürsorge in Reinform bedeutet. Mehr, als mein Tagebuch jemals aufnehmen und verarbeiten könnte, erlebt nun meine Therapeutin mit mir unter der Zuhilfenahme von Notizen, Gedankenwolken und Pictogrammen. Ich achte mehr auf mich und höre mir mehr zu. Meinem Körper und auch meinen Gefühlen. Diese kennen und akzeptieren zu lernen klingt so viel leichter, als es für psychisch instabile Personen tatsächlich ist. Wie geht es euch damit? Was habt ihr in der Psychotherapie gelernt?
TRIGGERWARNUNG:
In diesem Text geht es um psychische Probleme und Krankheiten. Wenn ihr selber betroffen seid und euch gerne Hilfe suchen möchtet, schaut doch gerne bei diesem Artikel vorbei.
Ich gehe jetzt seit einem Jahr in die Gesprächstherapie bei einer Psychotherapeutin, bei der ich nach langem Warten einen Platz bekommen habe. Ich leide unter depressiven Episoden, die sich recht regelmäßig über das Jahr verteilen. Bis ich gemerkt habe, dass es wichtig wäre, mir professionelle Hilfe zu suchen, hat es lange gedauert. Ich war immer auf diesem „Hat man mal“ Zug und habe viel mit Freundi*nnen darüber gesprochen, wie sie mit solchen „Down Phasen“ umgehen und war schnell davon überzeugt, dass ich das schon hinbekomme. Drüber reden, Tagebuch führen, mich ablenken. Heute weiß ich, dass es für viele gut so funktioniert, aber eben nicht für alle und vor allem nicht für mich. Ich habe gelernt, dass es sehr wichtig ist, körperliche Schwingungen und Stimmungen wahr und ernst zu nehmen und nicht immer als Zipperlein oder PMS-Tief abzutun. Mit Freund*innen diese tiefen Gespräche führen, das kann so heilend und wohltuend sein. Doch für mich erregte es lange den Anschein, dass ich genau so sehr oder wenig ein Problem habe wie sie, dass ein paar Tagebuchseiten schon helfen werden. Hätte meine Freundin mir nicht irgendwann ans Herz gelegt, doch endlich mal mit jemandem zu sprechen, der wirklich etwas davon versteht, hätte ich bestimmt noch ewig gebraucht. Vielleicht ist es hier auch wichtig, seine Freund*innen regelmäßig zu scannen und auf dem Schirm zu behalten, um zu erkennen, wie stabil oder instabil sie sind. Dieser Hinweis war sehr sensibel und durchdacht und ich freue mich bis heute darüber, ihn so ernstgenommen zu haben.
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„Ich bin das erste Mal zur Therapie gegangen, als ich mich von meinem langjährigen Freund getrennt habe. Ich wollte den Bruch bewusst, wurde danach allerdings nicht mit dem Alleinsein fertig und habe keinen anderen Ausweg gesehen. Als ich begann, hatte ich zwei Sitzungen pro Woche und nahm auch oft den WhatsApp Bereitschaftsdienst des Therapeutinnen Kollektivs in Anspruch. Ich habe gelernt, dass es sein kann, eben in so einem psychischen Tief zu sein, ohne Angst davor zu haben, sein Leben lang darunter leiden zu müssen. Ich bin unglaublich privilegiert und hatte einen sehr stabilen Freund*innenkreis, der mir stets zur Seite Stand. Trotzdem habe ich davor nie glauben können, wie sehr das Ende einer Beziehung einen niederschmettern kann, dass man Hilfe braucht, wieder auf beiden Beinen zu stehen. Ich würde es immer wieder machen, wenn ich das Gefühl habe, alleine nicht weitergehen zu können und möchte es auch denen ans Herz legen, die sich selbst absprechen, therapeutische Unterstützung zu brauchen.“
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„Ich habe gelernt, dass es wichtig ist, Schmerz zuzulassen. Gelernt, dass es ok ist durch seine Vergangenheit negativ belastet zu sein. Gelernt, dass es ok ist zu struggleln, jeden Tag und immer wieder.“
„Ich habe gelernt, dass meine Beziehung toxisch ist und ich mich trennen muss.“
„Ich hätte nie gemerkt, wie problematisch meine Freundschaften sind, wenn ich aufgrund meiner Probleme nach dem Wochenbett nicht zur Therapie gegangen wäre. Ich habe immer eher beiläufig von engen Kontakten gesprochen bis mein Therapeut immer häufiger nachfragte und ich ihm von Situationen berichtete, die ich stets abtat und als Missverständnis eingestuft habe. Ich habe mir heute einen neuen Freund*innenkreis aufgebaut mit Menschen, die mir keine Vorwürfe machen für meine Mutterschaft, mein Familienleben. So absurd es auch klingt, hatte ich bis dahin den stetigen Drang, mit denen mithalten zu müssen, die eben noch keine Familie haben. Ich habe mich gezwungen gefühlt, etwas zu performen, das ich lange nicht war.“
„Ich habe vor allem gelernt, Raum einzunehmen. Mit meinen Gedanken, Gefühlen und Handlungen.“
„Ich habe in der Therapie gelernt, dass ich mich trennen muss, dass mein Partner das Problem ist, und dass ich all die Kraft habe, um diesen Schritt zu wagen.“
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„Meine Familie war immer ein rotes Tuch. Ich habe sie vor Freund*innen nie erwähnt, habe kaum etwas erzählt und war massiv getriggert, wenn Leute von der engen Bindung zu ihren Eltern erzählten. Ich habe mit der Zeit gemerkt, dass ich sowohl unter extremer Bindungs- als auch Verlustangst litt, die mich vor allem innerhalb von Liebesbeziehungen an meine Grenzen gebracht haben. Vor einem Jahr habe ich dann mit der Therapie angefangen, weil ich gemerkt habe, dass ich alleine mit vielen Gedanken nicht fertig werde. Ich kann heute Gedanken an meine Familie, Erinnerungen sowie akute Konflikte in meinem sozialen Umfeld miteinander verweben und verstehe die Zusammenhänge. Das war augenöffnend.“
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„Schwarz und Deutsch sein, hat mir lange Zeit Identitätskonflikte bereitet, die ich erst in der Therapie mit einer Schwarzen Therapeutin angehen und offen besprechen konnte.“
„Alleine zur Therapie zu gehen, hat mir die gedankliche Welt eröffnet, Hilfe annehmen zu können und Raum mit meinen Gefühlen und Gedanken einzunehmen. Lange Zeit habe ich mich mit meinen Gefühlen sehr bedeckt gehalten, bin davon ausgegangen, dass sie andere Menschen eher belasten und zermürben. Ich gebe mir heute sehr viel Mühe, Support einzufordern. Ich finde es wichtig, dass Menschen innerhalb von Freund*innen- oder Familienkreisen dafür sensibel sind und psychische Instabilität ernst- und wahrnehmen.“
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