11 Bücher, von damals bis heute, die Frauenfreundschaften in ihrer ganzen Komplexität zeigen.

15.09.2020 box1

Freundschaften faszinieren mich seit jeher, vor allem Freundschaften zwischen Frauen. Kein Wunder, dass ich alles zu diesem Thema verschlinge. Vor ein paar Wochen las ich also Big Friendship. How we keep each other close von zwei meiner Lieblings-Podcasterinnen, Ann Friedman und Aminatou Sow. Ein nettes Buch, von dem ich aber irgendwie mehr erwartet hatte (für meinen Geschmack blieb es zu sehr an der Oberfläche) – und das mir trotzdem Lust machte, mal wieder nach einigen der Bücher über Freundinnen zu greifen, die sich in meinem Regal angesammelt haben. Bücher über komplizierte Freundschaften, über Hasslieben, über dramatischen Verrat und stilles Auseinanderdriften. Elf Bücher, von damals bis heute, die Frauenfreundschaften in ihrer ganzen Komplexität zeigen.

Mary McCarthy: Die Clique (1962)

Mary McCarthys Die Clique ist ein Klassiker. Im Mittelpunkt stehen dort acht junge Frauen, die 1933 am New Yorker Vassar College aufeinandertreffen. McCarthy zeichnet ihre Lebenswege nach und spricht dabei Themen wie Sexualität, Liebe und Emanzipation an. Jede der Frauen muss Kompromisse machen, keine kann ihre Version eines erfüllten Lebens hundertprozentig verwirklichen. Das Porträt einer Gruppe von Frauen, die sich selbst auf sehr unterschiedliche Weisen verwirklichen wollen, wirkt heute noch genauso frisch wie vor 58 Jahren.

Toni Morrison: Sula (1973)

Wie unfair, dass Toni Morrison letztes Jahr gestorben ist. Wie traurig: Man hätte doch so gerne noch viel viel mehr von ihr gehört und gelesen. Gut nur, dass Morrison ein so wunderbares, vielfältiges Erbe hinterlassen hat: Darunter auch ihr Roman Sula, über eine Freundschaft zwischen zwei afroamerikanischen Mädchen aus ärmlichen Verhältnissen. Die beiden teilen alles, ihre Sehnsüchte und Geheimnisse. Doch dann läuft die rebellische Sula davon, um ihre Träume zu verwirklichen. Die fügsame Nel bleibt und heiratet. Zehn Jahre später kehrt Sula zurück – und niemand, am allerwenigsten Nel, vertraut ihr noch.

Margaret Atwood: Katzenauge (1988)

Ich habe viel von Margaret Atwood gelesen – los ging’s im Englisch-LK mit dem Report der Magd – und Katzenauge rangiert für mich ganz oben in den Top 3 des atwoodschen Œuvres. Wahrscheinlich auch deshalb, weil ich weiß, wie es ist, als Kind und Teenager von sogenannten Freundinnen plötzlich ausgeschlossen zu werden. Die Malerin Elaine Risley kehrt aus beruflichen Gründen in ihre Heimat Toronto zurück und wird dort von Erinnerungen an ihre Vergangenheit überwältigt. Vor allem von denen an Cordelia – ihre ehemals beste Freundin und größte Peinigerin, die seit vierzig Jahren in Elaines Kopf herumspukt.

Rebecca Wells: Die göttlichen Geheimnisse der Ya-Ya-Schwestern (1996)

Die Verfilmung von Die göttlichen Geheimnisse der Ya-Ya-Schwestern mit Sandra Bullock sah ich damals, 2002, im Kino. Ich war 14 und die Geschichte um die vier Freundinnen Vivi, Teensy, Caro und Necie hinterließ keinen bleibenden Eindruck – bis meine Mutter mir Rebecca Wells‘ Buch schenkte, die literarische Vorlage des Films. Die göttlichen Geheimnisse der Ya-Ya-Schwestern erzählt nicht nur ganz wunderbar von jahrzehntelangen Frauenfreundschaften, sondern auch von Mutter-Tochter-Konflikten. Es geht um die Lust am Leben, um psychische Krankheiten und darum, was es heißt, zu vergeben.

Judy Blume: Sommerschwestern (1998)

Sommerschwestern ist eines meiner absoluten Lieblingsbücher – als Teenager stibitzte ich es meiner Mutter während eines Urlaubs und habe es nie wirklich zurückgegeben. Judy Blume, die mit Büchern für Kinder und Jugendliche berühmt wurde, erzählt in Sommerschwestern die Geschichte von Victoria und Caitlin, die seit ihrem zwölften Lebensjahr befreundet sind. Seit dem Sommer, als Caitlin Victoria einlud, ihre Ferien mit ihr im Haus ihres Vaters auf Martha’s Vineyard zu verbringen. Victoria, die aus einfachen Verhältnissen stammt, ist verzaubert von der hübschen, wilden und furchtlosen Caitlin, deren Leben so anders ist als ihres. Sommer für Sommer kehrt Victoria nach Martha’s Vineyard zurück. Die Jahre vergehen und die beiden Freundinnen driften auseinander, ihre außergewöhnlichen Sommer nur noch eine ferne Erinnerung. Bis Caitlin sich plötzlich wieder bei Victoria meldet.

Elena Ferrante: Die Neapolitanische Saga (2011-2014)

Wie könnte eine Liste von Büchern über Frauenfreundschaften ohne Elena Ferrante auskommen? Aus ihrer Feder (oder eher: Tastatur) stammt eine der unvergesslichsten Frauenfreundschaften der letzten Jahre: Die selbstbewusste, draufgängerische Lina und die schüchterne, fleißige Elena wachsen in einem armen Viertel in Neapel auf, umgeben von Gewalt und organisierter Kriminalität. Episch, in vier Büchern und über mehrere Jahrzehnte erzählt Ferrante von ihrer Freundschaft, die nie einfach ist – aber essentiell sowohl für Elena als auch für Lila. Aus den beiden Mädchen werden Frauen, deren Leben in ganz unterschiedliche Richtungen führen, und dabei doch immer zurück in ihr altes Viertel.

Emma Straub: Modern Lovers (2016)

Emma Straubs Bücher sind wie eine warme Umarmung oder wie eine Prise Sonnenschein: mit viel Sympathie für die Charaktere und all ihre Schrullen geschrieben, und dabei weise und gutgelaunt. In Modern Lovers geht es, wie so oft in Straubs Geschichten, um Erwachsene, die nicht erwachsen sein wollen, und Kinder, die erwachsener sind als ihrem Alter angemessen. Auf dem College waren Zoe, Elizabeth und Andrew in einer Band, heute leben sie in New York nur wenige Meter voneinander entfernt. Elizabeth und Andrew sind miteinander verheiratet und haben einen Sohn, Zoe lebt mit ihrer Partnerin und Teenager-Tochter zusammen. Es ist Sommer, und während ihre Kinder erwachsen werden, müssen die Eltern sich mit ihrer Vergangenheit auseinandersetzen – und sich Fragen zu ihrer eigenen Beziehung und Freundschaft stellen.

Zadie Smith: Swing Time (2016)

Ich muss ehrlich gestehen, dass ich Zadie Smiths Kurzgeschichten und Essays lieber mag als ihre Romane. Swing Time aber hat mich begeistert: Im Londoner Nordwesten träumen zwei Freundinnen davon, Tänzerinnen zu werden. Doch nur eine von ihnen hat das dafür benötigte Talent, die andere dafür kreative Ideen, Vorstellungen davon, was es heißt, dazuzugehören – mit diesem Körper und dieser Hautfarbe. Was es heißt, frei zu sein. Die Wege der beiden Freundinnen trennen sich, als sie beruflich durchstarten – die eine als Tänzerin, die andere als Assistentin einer berühmten Sängerin. Mitreißend schreibt Smith über Freundschaft, Identität, und Zugehörigkeit.

Elif Shafak: Der Geruch des Paradieses (2016)

Letztes Jahr hat mich Elif Shafaks Unerhörte Stimmen umgehauen, so sehr, dass ich begann, alles von ihr zu lesen, das ich in die Finger bekam. Unter anderem Der Geruch des Paradieses: Die Freundinnen Peri, Shirin und Mona studieren gemeinsam in Oxford und könnten unterschiedlicher nicht sein. Als sie ein umstrittenes Seminar bei einem charismatischen Professor belegen, ändert sich ihr Leben für immer. Jahre später denkt Peri, nun eine reiche Hausfrau, an diese Zeit zurück, an die Diskussionen und Streits über den Islam, Weiblichkeit und Glauben. An das, was sie und ihre besten Freundinnen verband. Und an das, was sie auseinanderbrachte. Shafak erzählt von Glaubenskonflikten, der Suche nach einem eigenen Weltbild und gescheiterten Freundschaften.

Jacqueline Woodson: Ein anderes Brooklyn (2016)

Jacqueline Woodson war mir bisher nur als Kinder- und Jugendbuchautorin bekannt. Umso entzückter war ich, als ich ihren ersten Erwachsenenroman Ein anderes Brooklyn entdeckte (allerding erst Jahre, nachdem er erschienen war). Darin geht es um die junge Anthropologin August, die zurückkehrt in ihre Heimat Brooklyn, New York. Damals, als Kinder in den 1970ern, waren sie und ihre drei Freundinnen Angela, Gigi und Sylvia unzertrennlich. Sie beobachteten, wie die Weißen aus dem Viertel wegzogen, sie lebten inmitten von Drogendealern und traumatisierten Vietnamveteranen. Angst hatten die Mädchen keine, denn sie hatten ja sich. Zusammen war alles möglich. Oder?

Candice Carty-Williams: Queenie (2019)

Über Candice Carty-Williams beeindruckendes Debüt Queenie habe ich hier schon geschrieben (die deutsche Übersetzung ist übrigens gerade erschienen). Einer der vielen Gründe, dieses Buch zu lesen, ist auch die Art und Weise, wie Carty-Williams über Freundschaften schreibt. Queenie hat drei beste Freundinnen, die alle unterschiedliche Hintergründe und Hautfarben haben – die „Corgies“. Doch nach und nach zeigt sich, dass nicht alle dieser Freundinnen Queenie auf ihrem Weg unterstützen. Dass nicht alle Freundschaften es wert sind, am Leben gehalten zu werden.

4 Kommentare

  1. Fritzi

    Toll, vielen Dank für diese Liste. Ich würde noch von Sadie Smith „London North West“ hinzufügen wollen.

    Antworten
  2. Fine

    Yeah, Habe gerade über Urlaubslektüre nachgedacht. Merci! Hast du alle gelesen? Und was ist dein Favorit?

    Antworten
  3. Sandra

    Vielen Dank für diese tolle Liste. Ich habe bei fast allen Büchern Lust bekommen, sie zu lesen 🙂 Die Ya-Ya-Schwestern habe ich vor einigen Jahren verschlungen und war begeistert! Vielleicht ist es Zeit, das Buch nochmals hervorzuholen 🙂

    Antworten

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Mehr von

Related