Ich weiß schon. Über Wichtiges sollten wir uns nicht lustig machen, aber ich musste doch ein wenig schmunzeln, als ich gestern im Spiegel davon las, wie Horst erneut rumgeseehofert hatte, Mensch kann ja beinahe die Uhr danach stellen. Grund für seinen Unmut war und ist ein aus dem Haus von kick ass Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) verfasster Gesetzentwurf, der erstmals das generische Femininum verwendet:
„Der angemessenen Beteiligung einer Gruppe von Gläubigerinnen steht es in Abweichung von Absatz 2 Nummer 2 nicht entgegen, wenn die Schuldnerin oder eine Inhaberin von Anteils- oder Mitgliedschaftsrechten wirtschaftliche Werte behält.“, heißt es da laut Spiegel.
Bedenken wir nun, dass das Generische Maskulinum uns bereits seit Jahrhunderten an der Ferse klebt wie ein alter Kaugummi, hätte ich mir als Reaktion im Grunde nur etwas ebenso Einleuchtendes wie Simples ersehnt:
Dass sämtliche LesER beim Betrachten dieser Sensation im Rechts-Sprech nur kurz aufgeschaut (wahrscheinlich wäre selbst Eldar Rjasanow im Angesicht dieser tatsächlichen Ironie des Schicksals für einen Moment irritiert gewesen) und rasch festgestellt hätten, dass das konsequente Verwenden der weiblichen Form zwar irgendwie ungewohnt, ja eher progressiv und rebellisch, vor allem aber fair enough ist. Ich hätte unterm Strich also gehofft, dass ratzfatz weitergelesen worden wäre, ohne zu murren.
Dem war nicht so. Im Gegenteil. Besonders Herr Seehofer war not amused, ich stelle mir ihn sogar bis ins Mark erschüttert vor. Denn schon bald ließ das Innenministerium des 1949 in Ingolstadt geborenen Ministers verkünden:
„Während das generische Maskulinum Frauen mit einschließt, ist ein generisches Femininum […] im vorliegenden Zusammenhang nicht anerkannt. Die Richtigkeit der Sprache muss insbesondere bei Gesetzestexten, auch im Hinblick auf die Rechtsförmlichkeit, gewährleistet sein.“
Unprofessionell aber sinngemäß ließe sich dieses Gezeter auch so zusammenfassen: „Meine Homeboys und ich, wir fühlen uns voll ausgegrenzt vom generischen Femininum und überhaupt nicht angesprochen, mimimimi.“ Süß.
Aber, Entschuldigung: Wie soll ich das jetzt verstehen? Kriegen die werten Herren da etwa die Transferleitung nicht hin, die sie andersherum als völlig gesetzt betrachten? Eine spannende Wende. Zwischen den Zeilen sehe ich da aber vor allem Weiße, männliche Tränen fließen und große Jungs, die Angst davor haben, dass irgendwann nicht mehr alles so ist, wie es einmal war. Sondern besser. Oh Schreck.
Aber nochmal kurz zurück zur geforderten „Richtigkeit der Sprache“. Die Bedeutung des Begriffs „richtig“ will mir in diesem Fall einfach nicht einleuchten, außer er ist – ähnlich wie auch die Moral des Seehofers – sehr dehnbar.
Mit der „Richtigkeit der Sprache“ kann ja wirklich nicht die bewiesenermaßen notwendige „Gendergerechtigkeit unserer Sprache“ gemeint sein. Aber was denn sonst? Ach, klar:
Es geht, schon wieder, um den Erhalt einer einzigen Sprache, nämlich jener der patriarchalen Gesellschaftsordnung, in der es ohnehin nie eine Rolle gespielt hat, ob da jetzt irgendwas gegendert ist. Weil ein Schmied war nunmal ein Schmied. Kommt mir jetzt also irgendein ein Kerl mit windigen Argumenten daher, der noch dazu so großzügig ist, uns gedanklich in sein Geschlecht mit einzurechnen, dann muss ich leider sagen: Mach deine Hausaufgaben, Junge.
Frauen* wurden schon damals nicht „mitgedacht“. Warum auch? Die Gesellschaft schrieb (uns) Frauen sowieso weder Status noch Beruf zu. Wir durften nämlich höchstens Ehefrauen, aber sicher keine SchmidINNEN sein.
Dass wir diese Zeiten zu großen Teilen hinter uns gelassen, dass unsere Großmütter und Mütter für diesen Fortschritt gekämpft haben und wir diesen Kampf, vor allem mit Blick auf die Welt, noch immer weiterführen müssen, ist den werten Herren auf den obersten Rängen natürlich herzlich egal. Nein, Moment. Stimmt ja gar nicht. Sie raffen es einfach nicht.
Obwohl längst klar sein müsste, dass wir dem tatsächlich diskriminierenden generischen Maskulinum als gesamte Gesellschaft längst entwachsen sind. Und dass Fortschritt, ja tiefe Veränderung unumgänglich und noch dazu sehr wunderbar ist. Es könnte wirklich relativ leicht sein, vorerst: Das Maskuline und Feminine könnten sich etwa abwechseln, für ein erstes Gefühl von ausgleichender Gerechtigkeit. Aber dazu müssten die ewigen BremsblöckER unserer Politik erst einmal ihre Eier zwischen die Beine klemmen und zugeben, dass dieses permanente DER DER DER, ARZT, GLÄUBIGER, KUNDE, RICHTER, BÜRGER, TISCHLER eben nicht stellvertretend für Menschen jedes Geschlechts steht. Auf dem (uralten) Papier vielleicht, aber nicht im echten Leben. Nicht in den Köpfen der Menschen, für die ein kleiner Unterschied von großer Bedeutung sein kann.
Wer ist dein Lieblingsschauspieler? Jürgen Vogel? Charly Hunnam? „Mein Lieblingsschauspieler ist Jennifer Aniston“ werden wohl die wenigsten von uns antworten, Punkt. Was dieses schlichte Beispiel des Nicht-Genderns mit den Träumen junger Mädchen* aber auch Jungen* anzurichten vermag, haben wir zu genüge besprochen. Wovor also haben diese Leute, die bis heute so sehr auf das Unsichtbarmachen eines ganzen Geschlechts pochen, denn nur so große Angst?
Schon wieder vor dem Untergang des Abendlandes? Vor dem Machtverlust? Davor, dass wir eines Tages nicht nur mitgemeint, sondern mitgesprochen werden? Und warum?
Mir kommt kaum ein anderes Motiv als fragile Männlichkeit in den Sinn. Und fehlendes Hirn. Pardon, aber: Die alten Weißen Männer fühlen sich nicht mit gemeint? ACH WAS. Kann ich, als „Lieber RedaktEUR“ kein Stück nachvollziehen. Will heißen: Hätte man sich hier am Ende vielleicht doch noch die Hand reichen und endlich wie Erwachsene über alles reden können? Auf der Basis von Empathie? Natürlich nicht.
Die Seehofers der Republik bekommen wieder Recht, bevor überhaupt ein Diskurs stattfinden konnte: Der @BMI_Bund bestätige noch gestern, dass der Gesetzentwurf zum Insolvenzrecht bereits zurückgewiesen wurde, weil das generisches Femininum verwendet wurde – „wegen Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit“. Aber auch, weil bis heute viel zu wenige Frauen* auf den oberen Posten sitzen.
Es ist allerhöchste Eisenbahn. Jetzt, wo wir schon Ruth Bader Ginsburg verloren haben, hoffe ich auf noch mehr wütende, laute und präsente Juristinnen, auch in diesem Land. Wie etwa Christine Lambrecht. Das wäre doch mal ein prima Präzedenzfall. Go for it.