Letztens, da sollten die witzigsten Menschen Deutschlands gewürdigt werden, und zwar beim Deutschen Comedypreis. Allerdings, das stellte sich dann leider heraus, sind Frauen grundsätzlich weniger witzig als Männer. Zumindest ergab sich dieser Eindruck beim Blick auf die Liste der Nominierten für den besten Comedy-Podcast – eine rein männliche Liste.
Am Katzentisch
Dafür gab es zu Recht Kritik von Ariana Baborie und Laura Larsson, die seit Jahren mit ihrem Podcast Herrengedeck erfolgreich sind. Und so besserten die Organisator*innen nach: mit einer Umbenennung der Kategorie in „Bester Comedy-Podcaster“, einer flugs eingeführten neuen Kategorie für „Beste Comedy-Podcasterin“ und der Nominierung von Baborie und Larsson in eben dieser. Was ebenfalls nicht gut ankam. Larsson kritisierte:
„Uns geht es nicht darum, etwas geschenkt zu bekommen. Unser Eindruck war, dass der Comedypreis noch schnell ein paar Frauen an Bord geholt hat, damit sich alles beruhigt.” |
Bei der Preisverleihung selbst gewannen Baborie und Larsson dann tatsächlich den Preis für die „Beste Comedy-Podcasterin“ – und machten auf der Bühne noch einmal deutlich, was sie an dem ganzen Hin und Her um die Nominierung so stört: „Das ist so wie früher bei Erwachsenenpartys mit dem Katzentisch, an dem die Kinder sitzen durften”, sagte Larsson. Anders gesagt: Frauen dürfen mitmachen, aber so richtig ernst nimmt man(n) sie nicht.
Mit nach Geschlechtern getrennten Preiskategorien ist das so eine Sache. Einerseits machen es nahezu alle großen Preisverleihungen so, darunter die Oscars. Andererseits setzt sich mittlerweile dann doch langsam die Erkenntnis durch, dass Geschlecht mehr ist als nur die binäre Aufteilung in „männlich“ und „weiblich“. So soll es auf der Berlinale ab nächstem Jahr genderneutrale Preise fürs Schauspiel geben, einen für die beste Haupt-, und einen für die beste Nebenrolle – bisher gab es jeweils einen Preis für die beste Schauspielerin und den besten Schauspieler. Die Leitung der Berlinale, Carlo Chatrian und Mariette Rissenbeek, wollen das als „Signal für ein gendergerechtes Bewusstsein in der Filmbranche“ verstanden wissen. Das sieht die Organisation Pro Quote Film ganz anders. Zwar scheine der neue Preis „ein Versuch zu sein, der geschlechtlichen Vielfalt Rechnung zu tragen.
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Die beiden Kategorien Schauspielerin* und Schauspieler* sprechen ausschließlich Cisgender Menschen an.“ Aber sei es „fraglich, ob der neue genderneutrale Preis, die Sichtbarkeit der geschlechtlichen Diversität fördert.“ Pro Quote fordert stattdessen verbindliche Maßnahmen für die Gleichstellung von Frauen vor und hinter der Kamera.
Fundamental ungleichberechtigt
Es ist kompliziert. Denn es stimmt ja, dass die Gesellschaft im Allgemeinen und bestimmte Branchen im Speziellen – darunter auch die Filmbranche – fundamental ungleichberechtigt sind. Es herrscht keine Chancengleichheit. Da kann es sinnvoll sein, Preise in festgelegten Geschlechterkategorien zu verleihen, weil sonst die reale Gefahr besteht, dass Frauen seltener nominiert werden als Männer und für ihre Leistungen weniger Anerkennung erfahren (siehe Comedypreis). In Großbritannien beispielsweise gibt es mit dem Women’s Prize for Fiction seit vielen Jahren einen eigenen Preis für Schriftstellerinnen – eben weil diese bei anderen literarischen Auszeichnungen oft nicht genug berücksichtigt wurden. Doch das bringt wiederum eine Fixierung auf das Geschlecht mit sich: Akwaeke Emezi, 2019 als erste nicht-binäre und trans Person für den Preis nominiert, kritisierte die Anforderung, das „gesetzliche“ Geschlecht angeben zu müssen, um vorgeschlagen werden zu können.
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Tatsache ist aber auch, dass binäre Geschlechterkategorien bei Preisverleihungen nicht-binäre und trans Menschen ausschließen. Wie gesagt, es ist kompliziert. Denn natürlich sollen die Leistungen von Frauen gewürdigt werden, gerade in Bereichen, in denen Frauen aufgrund ihres Geschlechts benachteiligt sind. Aber das darf eben nicht auf Kosten von trans Menschen geschehen oder solcher, die sich nicht in dem binären Geschlechtermodell wiederfinden.
Für mehr Vielfalt
Vielleicht liegt die Krux ja gar nicht in den Preiskategorien an sich, sondern in dem, was vorher passiert: dem Nominierungsprozess. Es ist eben nicht nur wichtig, wer die Preise bekommt – sondern auch, wer darüber entscheidet. Beim Comedypreis mag das Publikum über die Gewinner*innen abstimmen, aber nicht über die Nominierungen. Die Berlinale immerhin bemüht sich, die Jury,
die den Goldenen und die Silbernen Bären vergibt, annähernd paritätisch zu besetzen und regelmäßig Frauen den Vorsitz zu verleihen (darunter Juliette Binoche und Meryl Streep). Natürlich gibt es auch hier Verbesserungspotenzial: mehr people of colour wären wünschenswert, genauso wie mehr nicht-binäre und trans Menschen. Denn je vielfältiger die Jury, desto größer das Potenzial, dass die Preise nicht nur an weiße Männer gehen – und dass genderneutrale Preiskategorien somit tatsächlich funktionieren.