Letzte Woche war es mal wieder so weit: Eine Bekannte gab auf Instagram offiziell ihren Abschied von der Plattform bekannt. Tschüß, Ciao, Bye bye, das war’s. Es sei ein Schritt, so schrieb sie, über den sie schon länger nachgedacht habe – und die vieldiskutierte Netflix-Doku The Social Dilemma habe sie nun dazu gebracht, ihn endlich zu tun.
Stupides Scrollen
Ach, wie gut konnte ich diese Bekannte verstehen! Mittlerweile vergeht keine Woche, in der ich nicht darüber nachdenke, mich aus den sozialen Medien zurückzuziehen. Meine Profile auf Instagram, Facebook und Twitter zu löschen. Mich frei zu machen von den endlosen Bildern, Status-Updates, Nachrichten und, natürlich, dem stupiden Scrollen. Ohne die sozialen Medien, so das Fantasie-Szenario in meinem Kopf, wäre ich freier und glücklicher, würde Zeit gewinnen und zu einem zufriedeneren Menschen werden.
Doch sofort sind da die Ängste. Wie Gewitterwolken ziehen sie am Himmel meiner regenbogenbunten Fantasie auf:
Momente menschlicher Nähe
Geht es um Instagram, Facebook und Co, lautet mein Beziehungsstatus also: „Es ist kompliziert“. Denn einerseits geben mir diese Plattformen sehr viel. Ich kann beispielsweise mit Menschen in Kontakt bleiben, die ich selten sehe. Wie oft habe ich einer Freundin eine spontane Nachricht geschrieben, nachdem sie ein Foto hochgeladen hatte; eine kurze Nachricht nur, aber eine, die sagt: Ich denke an dich. Hinzu kommt der Austausch mit Menschen, die ich eigentlich gar nicht kenne – und die sich trotzdem die Zeit nehmen, mir eine Nachricht zu schreiben, oder einen Kommentar. Es sind diese kleinen Momente spontaner menschlicher Nähe, die mich trotz allem an die guten Seiten der sozialen Medien glauben lassen.
Aber da sind eben auch die anderen Seiten. Dieses ständige Gefühl des „zu viel“: zu viele Bilder, Kommentare, Nachrichten, Informationen, Werbung. Zu viele Möglichkeiten, sich mit anderen zu vergleichen. Zu viel Zeit, die ich auf Instagram verbringe, und die meinen Kopf schwindelig und meinen Blick verschwommen werden lässt.
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Keine klaren Antworten
Das Dilemma bleibt. Wie The Clash frage ich mich: „Should I stay or should I go?“ Mein übliches Argument, um vor mir selbst meine Anwesenheit in den sozialen Medien zu rechtfertigen, war bisher immer mein Beruf: Als Freelancerin kann ich es mir schlicht nicht leisten, diese Kanäle nicht zu nutzen. Aber stimmt das? Wie wichtig sind die sozialen Medien tatsächlich für meinen beruflichen Erfolg oder Nicht-Erfolg? Schwer zu sagen. Fest steht, dass ich nicht tausende von Followern habe, die ungeduldig auf jedes Update von mir warten. Im Gegenteil: Wäre ich ein paar Wochen oder sogar Monate mal nicht auf Instagram aktiv, würde es vermutlich niemandem auffallen.
Um eine klare Antwort auf meine Frage – gehen oder bleiben – zu bekommen, erwog ich, mir die bereits erwähnte Doku The Social Dilemma anzuschauen: Darin sprechen Expert*innen und Insider*innen kritisch über die sozialen Medien, unsere Abhängigkeit von ihnen und die negativen Auswirkungen auf die Gesellschaft. Doch letztendlich weiß ich das ja längst. Ich weiß, wie problematisch und laissez-faire Facebook & Cos Verhältnis zum Datenschutz ist und auf welch vielfältige Weisen wir User*innen manipuliert werden. Ich weiß, dass ich ein Opfer von Algorithmen bin: Apps wie Instagram sind so programmiert, dass sie süchtig machen und man nicht aufhören kann zu scrollen. Jeder Kommentar, jedes Like fühlt sich wie eine Belohnung an, wie eine Bestätigung, dass man irgendetwas richtig macht, liebenswert, cool, oder einfach nur existent ist. Und davon möchte man mehr. All das weiß ich – und bin trotzdem weiter den sozialen Medien unterwegs.
Kleine Schutzmechanismen
Wie übrigens auch die Bekannte, die so dramatisch ihren Abschied von Instagram verkündet hatte – sie nutzt weiterhin Facebook. Was ich erst inkonsequent und ja, auch ein bisschen heuchlerisch fand. Bis mir klar wurde, dass das eben das ist, was für sie funktioniert. Und genauso sollte ich es machen.
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Denn wenn ich ehrlich bin, sind nicht die sozialen Medien generell mein Problem – sondern Instagram. Zu Facebook und Twitter hingegen habe ich ein entspanntes Verhältnis: Ich schaue ab und an mal vorbei, like, kommentiere, teile. Und verschwende ansonsten keine Gedanken daran.
Vielleicht besteht die Lösung – meine Lösung – schlicht darin, meine ambivalenten Gefühle gegenüber den sozialen Medien zu akzeptieren. Und mich dazu zu zwingen, kleine Schutzmechanismen zu schaffen. Den Flugzeugmodus auf meinem Handy ab dem frühen Abend zu aktivieren zum Beispiel. Oder am Wochenende nur einmal täglich auf Instagram vorbeizuschauen. Oder bestimmte Accounts zu entfolgen. Denn auch wenn ich keinen Einfluss auf die Algorithmen habe: Einfluss darauf, wann und wie ich die sozialen Medien konsumiere und wie viel Raum ich ihnen in meinem Leben gebe, habe ich sehr wohl. Und das ist nicht nichts. |
Bye bye
Aber wer weiß: Vielleicht mache ich es eines Tages wie eine andere Bekannte von mir, die von einem auf den anderen Tag aus den sozialen Medien verschwand. Ohne große Ankündigung, ohne Abschiedsgruß. Ich merkte es erst, als ich ihr eine Nachricht schreiben wollte und mir nur noch ein leeres Profil angezeigt wurde. Ja, eines Tages vielleicht, bin ich plötzlich weg. Von jetzt auf gleich. Ihr werdet’s gar nicht merken.