Erst im März haben wir über Zoom Calls gesprochen, als hätten nicht 2005 schon alle Menschen mit Webcam aufgeregt ihre Freund*innen via Skype angeklingelt. Es gab Online-Spiele, Online-Parties und Online-Binge-Parties, die die getrennte Gemeinschaft zelebrieren wollten und uns dabei jede Sekunde daran erinnerten, dass virtueller Kontakt und reale Nähe nicht das Gleiche sein können. Auch wenn die Memes über missglückte Online-Meetings abnehmen und sich zwischendurch sogar die eine oder andere Umarmung eingeschlichen hat, bin ich vielleicht nicht die einzige, deren Freundschaften über die vergangenen Monate mehr als eine Macke einbüßen mussten.
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an
Zu viele Faktoren sitzen mit im Boot. Wenn es nicht die Regeln sind, an die wir uns alle halten sollten, dann ist es ein regelrechtes Kontakt-Gap, das sich aufzutun scheint. Diese wenigen Personen, die man nie alleine trifft, aber trotzdem immer wieder gerne sieht. Dieser Freund, mit dem man nicht telefoniert, der aber stets diese super Dinnerparties geschmissen hat. Diese Runde, in der die Bar nur funktioniert, weil eben alle mit dabei sein können, aber nicht müssen. Jetzt reihen sich Wochen aneinander, zugepflastert mit Nachmittagen voller Spaziergänge und Coffee To Go’s. Nicht nur ein schwacher Trost, sondern auch anstrengend, wenn zu merken ist, dass man früher dann doch irgendwie alles besser unter einen Hut bekommen hat, als es noch die Option gab, die Gruppe zusammenzutrommeln.
Was hinzukommt, ist die Kollision von Mehrarbeit und Rückzug. Dieses Kontakthalten, sich melden und um den Block gehen, kostet Zeit und ein gutes Gedächtnis. Wie viele unbeantwortete Whatsappnachrichten bleiben am Abend eigentlich übrig, wenn man doch immer nur denen zurückschreibt, bei denen doch klar ist, dass es sich eher um Bestie-Smalltalk als um riesenlange Lebens-Updates handelt. Nicht nur gehen entferntere Kontakte da unter, nein, sie verschwinden gar völlig, weil zu merken ist, dass auch für die fünf schönsten Spaziergänge durch den Kiez nicht jede Woche gleich viel Zeit zur Verfügung steht. Und dann ist da diese Lethargie. Sei es der Herbst oder die Sorge vor Ansteckung: So oft sind es diese wichtigen Momente zum Auftanken, zum Alleinsein, die man ganz dringend braucht, wenn der Weltschmerz kickt oder die Arbeit unter all den äußeren Umständen zu viel geworden ist.
Nicht zu vergessen: der Konflikt um die Überzeugungen. Die Kontakte, die darunter leiden, dass zwei unterschiedliche Maßnahmen gefahren werden. Eine Person viel vorsichtiger ist als die andere, eine Person leichtsinniger handelt oder sich gar zurückgesetzt fühlt, weil sich andere Freund*innen mit dem Übermut und dem Regelbruch, was Abstand und Sicherheitsmaßnahmen betrifft, nicht wohlfühlen. Die Handhabe der Coronamaßnahmen ist viel eindeutiger zu bewerten, als der Umgang mit Konsum, Politik oder dem eigenen ökologischen Fußabdruck. Ohne Transparenz wird man nicht nur Gefährder*in, sondern unsolidarisch, doch wie erklärt man der guten Freundin, dass der Urlaub, den sie macht, nicht zu rechtfertigen ist oder man sie nicht treffen will, weil sie in der Bubble schon heimlich Superspreader genannt wird? Abstand nehmen. Aber auch das womöglich nicht ohne Repressalien und tatsächlichen Kummer.
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an
Es gab Momente mit Gedanken an ein großes, versöhnliches Wiedersehen mit allen, wie ein Fest, weil es dann wieder geht und sicher ist und all’ das wettmacht, was wir in den vergangen Monaten an Umarmungen und Nähe eingebüßt haben. Und dann das Gefühl, dass ein bleibender Schaden nicht auszuschließen ist. Dass einige Dynamiken nicht mehr wiederherzustellen sind, dass manche enttäuscht wurden und sich entfernt haben, die Essenz des Zusammenseins erst wieder hergestellt werden muss und nicht in der Lage war, beinahe ein Jahr zu überdauern. Und auch, wenn das Wechselspiel bedeutet, dass einige ganz eng zusammengerückt sind, während sich andere entfernen, komme ich nicht umhin, mir um die Zukunft Sorgen zu machen. Ob die Arbeit, die dieses Zusammenflicken im kommenden Jahr (oder später) erfordert, jede*r einzelne leisten kann und will, ist dann aber eine andere Frage.