Von Konsultationen mit ihrer Astrologin bis zum Aufspüren engster Vertrauter der verstorbenen Royal scheute die britische Schauspielerin keine Mühen, um den Geist von Prinzessin Margaret einzufangen und sie in der Netflix-Serie zum Leben zu erwecken.
Auch für die vierte Staffel von „The Crown“ kehrt Helena Bonham Carter als Prinzessin Margaret zurück, die, bereits auf der Suche nach einem Sinn im Leben, nun auch noch ein dunkles Familiengeheimnis ausgräbt. Durch ihre Therapeutin erfährt sie zum ersten Mal von ihren Cousinen Katherine und Nerissa Bowes-Lyon – zwei Schwestern, die im Alter von 15 bzw. 22 Jahren von ihren Eltern in einer Nervenheilanstalt ausgesetzt wurden. Noch erschreckender ist, dass Margaret und ihre Schwester, die Queen (Olivia Colman), nach weiteren Nachforschungen aus der Palastbibliothek ein Buch hervorholen, vermutlich eine Ausgabe von „Burke’s Peerage“, worin behauptet wird, beide Frauen seien 1961 gestorben. Tatsächlich waren diese aber noch am Leben.
Entsetzt konfrontiert Margaret die Queen Mother, gespielt von Marion Bailey, während sie in ihrer eigenen Geschichte eine Parallele zu der von Katherine und Nerissa zu erkennen scheint. Schließlich war Margaret als junges Mädchen so gesellig und selbstbewusst, dass sie selbst nach dem Zugeständnis ihrer Schwester für die Rolle der Queen besser geeignet wäre. Aber im Laufe der Serie war sie gezwungen, ihre Liebe zu dem verheirateten RAF-Offizier Peter Townsend zu opfern, um die von der Abdankung geschwächte Monarchie zu schützen. Sie hat eine stürmische Ehe mit dem Fotografen Antony Armstrong-Jones begonnen, die in einer Scheidung endete, in der sich ihre Familie auf die Seite ihres Ex-Mannes stellte. Jetzt, da sie akzeptiert, dass es vielleicht keinen „richtigen Mann“ für sie gibt, ist sie bereit, sich in königliche Pflichten zu vertiefen, nur um zum 21. Geburtstag von Prinz Edward gezwungen zu werden, ihre Rolle als Staatsrätin aufzugeben. In Margarets Augen wurde sie in eine rücksichtslose Familie geboren, die jeden „ausspucken“ wird, der einen individuellen Charakter oder individuelle Bedürfnisse hat.
Dies sind natürlich eher Drehbuchautor Peter Morgans Interpretationen von Geschehnissen als historische Fakten. Obwohl Margaret zweifellos über Katherine (ca. 1927 bis 2014) und Nerissa (1919 bis 1986) Bescheid wusste, wie auch der Rest der Welt, als ihre Geschichte 1987 in den Zeitungen abgedruckt wurde, ist es unwahrscheinlich, dass wir jemals erfahren werden, wie sie wirklich darüber fühlte, dass sie den Großteil ihres Lebens in Institutionen verbracht haben.
Um das Wesen der Prinzessin zu erfassen, begab sich Bonham Carter auf eine Recherche-Reise, um sie besser zu verstehen. Auch wenn sie die Windsors nach ihrer Oscar-nominierten Rolle als Queen Mother in „The King’s Speech“ (2010) gut kennen mag, war die Rolle kein leichtes Unterfangen, wie auch Morgan zu ihr meinte: „Du könntest Margaret auf zehn verschiedene Arten spielen und es wäre immer sie.“
Die 54-jährige Schauspielerin hat mit den engsten Vertrauten der verstorbenen Royal gesprochen, wie Colin und Anne Tennant, mit denen Margaret Feste feierte und sich später auf die Karibikinsel Mustique zurückzog; sie hat sich in Dutzende von Biografien vertieft und sogar ihre Astrologin konsultiert, was in mehreren Boxen voll Recherche resultierte. Hier erzählt sie in eigenen Worten und Bildern die Geschichte, wie sie zu Prinzessin Margaret wurde.
Helena Bonham Carter im Interview über Prinzessin Margaret, “The Crown” und mentale Gesundheit
Wofür steht Prinzessin Margaret für Sie, nachdem Sie sie nun zwei Staffeln lang gespielt haben?
In vielerlei Hinsicht steht Margaret für Einsamkeit. Sie ist geschieden, das habe ich selbst durchgemacht, und ich weiß, dass man große Anpassungen an seiner eigenen Identität vornehmen muss, man muss sich selbst neu aufbauen, weil man nicht mehr Teil eines Ehepaars ist. Margaret war trotzdem niemand, den man bemitleiden sollte, und sie war es wahrscheinlich leid, als tragisch betrachtet zu werden. Sie war überaus intelligent – nach Angaben ihres Friseurs Josef Braunschweig konnte sie ein Kreuzworträtsel in etwa elf Minuten lösen – und sie hatte eine enorme Spaßbereitschaft. Ich habe mit ihrem Freund Derek Deane gesprochen, einem ehemaligen Solotänzer des Royal Ballet (Margaret war die erste Präsidentin des Ensembles). Er erinnerte sich, dass sie sich irgendwann am Abend zu ihm umdrehte und fragte: „Kann ich nach oben?“, und das war ein Stichwort, um sie auf seine Schultern zu nehmen, wie in einer Ballettbewegung. Einmal verschwand sie über den Rücken!
Auf Ermutigung von Prinzessin Anne und Prinz Charles geht Margaret in der vierten Staffel zu einer Therapeutin. Hoffen Sie, dass eine erhöhte Sichtbarkeit durch Serien wie „The Crown“ dazu beitragen kann, einen konsequenteren Dialog über mentale Gesundheit zu eröffnen?
Wenn man einen echten Menschen spielt, gibt es eine Respektgrenze, die es zu beachten gilt. „The Crown“ behauptet nie, eine Dokumentation zu sein, sondern ein Drama, das von realen Personen inspiriert ist. Man kann mit Sicherheit sagen, dass Margaret an Depressionen gelitten hat, die sie vielleicht von ihrem Vater geerbt hatte. Sie war sehr stark die Tochter ihres Vaters und hat sich nie wirklich von seinem Verlust erholt.
Jeder, der lebt, kann irgendeine Art von psychischer Krankheit erleiden. Das Gehirn ist so kompliziert, dass es nicht verwunderlich ist, dass es krank wird, genau wie jedes andere Organ. Meine Mutter hat als Psychotherapeutin gearbeitet, und ich wurde erzogen, darüber zu sprechen – und das ist der Schlüssel. Viele Menschen wenden sich ab, weil es nichts Sichtbares ist, vielleicht denken sie, wenn man nicht darüber spricht, würde es nicht existieren, oder wenn man seine Verletzlichkeit zugibt, ist man schwach, obwohl in Wirklichkeit das Gegenteil der Fall ist. Zu Margarets Leidwesen lebte sie in einer Zeit, in der Depressionen tabu waren – so vieles in ihrem Leben wäre einfacher gewesen, wäre sie später geboren worden.
Hat die Ausbildung Ihrer Mutter als Psychotherapeutin die Art und Weise, wie Sie Ihre Charaktere entwickeln, in irgendeiner Weise beeinflusst?
Meine Mutter hat ihre Ausbildung gemacht, als ich jung war, sodass ihre (Aus-)Bildung parallel zu meiner eigenen verlief. Ich habe immer einen psychoanalytischen Ansatz verfolgt; Bellatrix [Lestrange], die ich in den Harry-Potter-Filmen gespielt habe, ist eine Soziopathin, und auch wenn es sich um ein Werk der Fantasie handelt, muss man sie so weit verstehen, dass das, was man sagt, unvermeidlich wird. Man erfindet eine Hintergrundgeschichte – normalerweise ein Kindheitsprofil, um das daraus resultierende Verhalten zu erklären.
Ich habe sowohl mit meiner Mutter als auch mit meinem/r eigenen TherapeutIn über Margaret diskutiert. Sie war bekanntermaßen unhöflich, und Peter Morgan gab Vanessa [Kirby] einen großartigen Tipp, als sie sie spielte: „Tu so, als ob dir der Schuh drückt.“ Wenn eine Person Schmerzen hat, wenn sie sich verletzlich fühlt, dann ist es am wahrscheinlichsten, dass sie jemanden angreift.
Unsere Gefühlslage manifestiert sich manchmal in der Art und Weise, wie wir uns kleiden. Was sagten die modischen Entscheidungen von Prinzessin Margaret über sie aus?
Im Rahmen meiner Recherche habe ich mit Anne Tennant und Jane Stevens gesprochen, beides Hofdamen von Margaret. Sie trug die ganze Zeit über ein Korsett, lange nachdem es in Mode war, sie ließ sogar eines in ihren Badeanzug nähen. Anne sagte ihr, sie brauche es nicht, aber Margaret nannte ihr Korsett „meine Rüstung“ – es schützte ihr Herz. Verletzlich zu sein und die ganze Zeit in der Öffentlichkeit zu stehen, ist keine gute Kombination. Ich finde, sie war sehr mutig.
Margaret hatte außerdem einen Komplex, weil sie klein war. Sie war etwa 1,50 Meter groß und holte aus jedem Zentimeter das Maximum raus; vom Styling ihrer Haare zu lächerlichen Höhen bis hin zu der [10 Zentimeter hohen „Poltimore“]-Tiara, die sie für ihre Hochzeit [mit Armstrong-Jones 1960] gekauft hat; ihre klobigen Heels und ihre kerzengerade Haltung. Sie ließ sogar ihren Autositz anheben, damit die Öffentlichkeit sie sehen konnte.
Werden Sie irgendwelche Prinzessin-Margaret-Looks in Ihre eigene Garderobe kopieren?
Sie haben „The Crown“ sehr gut besetzt, weil der Queen egal ist, was sie trägt, und ich glaube, Olivia [Colman] ist es das auch. Aber ich liebe Kleider, und ich liebe, dass Margaret sie liebt. Es gibt so viele königliche Regeln darüber, was man anziehen darf und was nicht, aber sie hat trotzdem Wege gefunden, sich auszudrücken, sei es durch ihren Schmuck oder Nagellack oder lange Zigarettenspitzen.
Mir gefällt, was ich privat trage – das lange fließende Seidennegligé –, aber die Outfits für die Öffentlichkeit sind sehr konservativ; alles reicht bis zum Knie und man kann kein Dekolleté zeigen. Dafür ist mein Hals zu kurz.
Wie haben Sie all die königlichen Regeln gelernt?
Wir bekamen Unterricht zum königlichen Protokoll. Die wichtigste Lektion, die ich gelernt habe und der ich immer noch im wirklichen Leben folge, ist, dass man um nichts bitten darf. Wenn wir zum Beispiel beim Abendessen sitzen, kann ich nicht sagen: „Kann ich bitte die Butter haben?“ Stattdessen würde ich die Person, die der Butter am nächsten sitzt, fragen: „Möchten Sie etwas Butter?“ und hoffen, dass sie den Wink versteht.
Margaret hat es genauso genossen, Regeln durchzusetzen, wie sie zu brechen. Es war ihre einzige Möglichkeit, der Monarchie zu dienen – sie war jemand, die keine Kontrolle hatte, und versuchte, Kontrolle auszuüben.
„The Crown“ Staffel 4 ist jetzt auf Netflix verfügbar.
VOGUE COMMUNITY– Dieses Interview von Liam Freeman wurde zuerst bei der deutschen Vogue veröffentlicht, wo ihr den Beitrag weiterlesen könnt – |