Wenn die Corona-Pandemie einen positiven Effekt hat, dann den, dass viele Dinge, die auch vorher schon schief liefen, jetzt so richtig in den Fokus rücken. Anders gesagt: Viele Probleme werden durch das Virus nicht geschaffen, sondern verstärkt. So zeigt eine repräsentative Umfrage im Auftrag der Bertelsmann Stiftung, dass es überwiegend Frauen sind, die in diesen Krisenzeiten den Großteil der Hausarbeit erledigen – und natürlich auch häufiger als Männer das euphemistisch umschriebene „Homeschooling“ des Nachwuchses übernehmen sowie sich um die Essenszubereitung kümmern. Das sollte nun wirklich niemanden überraschen. Außer vielleicht – nun ja, die Männer, die das alles nämlich ganz anders wahrnehmen: Laut Umfrage finden die meisten von ihnen (66 Prozent), Kinderbetreuung und Hausarbeit seien gerecht verteilt. Auch das sollte eigentlich niemanden überraschen, nehmen Männer doch auch eine Frauenquote von 30 Prozent in Führungsgremien als Beweis für Gleichberechtigung wahr.
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Dauerproblem Doppelbelastung
Gerne wird im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie von einem drohenden „Rollback“ gesprochen, von einem Rückfall in eine traditionelle Rollenverteilung zwischen Mann und Frau. Stattdessen zeigt sich: Diese Rollenverteilung war auch vor der Pandemie nicht so progressiv und modern, wie man es im Jahr 2020 erwarten könnte. Die Doppelbelastung war für Frauen bereits vor Corona ein Problem, und dieses Problem hat sich in den letzten Monaten „nur“ noch verschärft – unter anderem, weil Kitas und Schulen schließen mussten und auch die Großeltern dank Infektionsgefahr nicht mehr unbedingt für die Kinderbetreuung zur Verfügung stehen.
Wäre es nicht so traurig, die Bertelsmann-Umfrage würde mir eine große Befriedigung verschaffen. Schließlich blöken mich seit Jahren Menschen (in 99 Prozent der Fälle: Männer) an, dieses ganze Feminismus-Gedöns sei doch total überflüssig und unsere Gesellschaft ja schon so weit gekommen. Welcher Mann würde denn heute noch von seiner Partnerin erwarten, dass sie die Hauptzuständige für Kinder und Haushalt ist? Auch Männer würden doch Elternzeit nehmen, kochen und den Müll rausbringen! All diesen Menschen möchte ich mit den Studienergebnissen vor der Nase herumwedeln und sagen: Genau, alles total super.
Männer machen Karriere, Frauen den Haushalt
Was nicht heißen soll, dass es sie nicht gibt – die modernen Männer und Väter, die sich Hausarbeit und Kinderbetreuung selbstverständlich mit ihren Partnerinnen teilen. Aber bei den meisten Paaren, das zeigt sich jetzt (mal wieder), sind die Zuständigkeiten klar und zu Lasten der Frauen verteilt. Eine Freundin von mir erzählte mal, dass sie einer Bekannten gegenüber gesagt hätte, ihr Freund würde ihr im Haushalt „schon sehr viel helfen“ – danach, so meine Freundin, hätte sie sich selbst am liebsten am Schlafittchen gepackt, denn bereits die Formulierung sei ein Problem: „Mein Freund hilft mir nicht, wir teilen uns die Hausarbeit! Es ist ja nicht so, dass das alles meine Zuständigkeit ist.“ Recht hat sie. Meine Mutter berichtete mir letztens am Telefon, sie könne gleich endlich das Wohnzimmer saugen, denn mein Vater sei nicht da – den würde das Saugen sonst nämlich stören, weil er beim Fernsehgucken auf dem Sofa seine Ruhe haben wolle. Ich war sprachlos. Nicht nur ist meine Mutter voll berufstätig und kümmert sich um meine Großeltern (Arztbesuche, Einkauf, etc. etc.), sie ist auch noch für den gesamten Haushalt zuständig. Mein Vater hingegen ist einfach Rentner.
Das Problem ist, dass der Begriff „Hausarbeit“ so niedlich und harmlos klingt. Zwar steckt das Wort „Arbeit“ drin, aber (so die männliche Wahrnehmung) richtig Arbeit ist das eben nicht. Letztendlich geht es aber eben auch um diese „richtige“ Arbeit. Denn während Frauen kochen, putzen, homeschoolen und so weiter, basteln die Männer fleißig an ihrer Karriere. In einer aktuellen amerikanischen Umfrage gaben ganze 77 Prozent der befragten Männer mit Kindern zu Hause an, sie seien im Home Office produktiver – im Vergleich zu nur 46 Prozent der befragten Frauen. Woran das wohl liegt? Mal kurz überlegen… Im Juni verkündete The Bookseller, ein britisches Buchbranchen-Magazin, auf Twitter, dank Corona hätten Autor*innen mehr Zeit zum Schreiben gehabt und so Bücher früher als geplant fertigstellen können. Eine Userin kommentierte: „Vermutlich bezieht sich das auf männliche Autoren? Die Hauptlast der Hausarbeit, der Kinderbetreuung und des Homeschoolings wird während des Lockdowns noch mehr als sonst von Frauen getragen, also kann ich mir nicht vorstellen, dass viele Autorinnen plötzlich mehr Zeit zum Schreiben haben.“ Andere User*innen posteten erstaunte Gifs oder schrieben: „Warum habe ich das Gefühl, das trifft nur auf männliche Autoren zu?“. Ja, warum nur?
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Das bisschen Haushalt
Es geht also mitnichten um „das bisschen Haushalt“ – sondern darum, wie die Covid-19-Pandemie die Karrieren von Frauen nachhaltig schädigt. Frauen sind es, die ihre Arbeitszeit reduzieren oder sich komplett freistellen lassen, um ihre diversen Aufgaben in der Familie irgendwie erledigen zu können. Aber vielleicht ist das alles nur ein Wahrnehmungsproblem. Vielleicht müssten Frauen einfach mal genauer hinschauen, was Männer haushaltstechnisch so alles leisten, denn das scheint ja eine ganze Menge zu sein. Also, den Männern zufolge.