Eine Anleitung zum Alleinsein

21.12.2020 box1, Leben

Um alleinzusein braucht es, anders als bei anderen Dingen, gar nicht viel. Eigentlich nämlich braucht es bloß die eigene Person. In der Theorie ist es also ganz einfach, dieses Alleinsein. Und dennoch musste ich mich erst einmal herantasten, an jenes Gefühl, das ich oftmals vielmehr mit einer öden, manchmal gar mit einer melancholischen Einsamkeit verband. Vielleicht, weil es in diesen Momenten tatsächlich so war, vielleicht aber auch, weil ich — komme, was wolle — keine Zeit mit mir alleine verbringen wollte. Denn in dieser Zeit, so weiß ich es heute, beginnt mein Gehirn zu kreisen, beschäftigt sich mit längst vergessenen Konflikten, denkt sich neue aus oder verwickelt mich in Gespräche, die ich nie führen wollte. Manchmal ist es aber auch bloß die pure Langeweile, die mich umgibt. Da kommt es schon mal vor, dass ich vier Stunden auf dem Sofa sitze, lustlos durch mein Handy scrolle, während die Serie, die ich eigentlich mal schauen wollte, ungeduldig darauf wartet, endlich starten zu dürfen — und letztlich doch links liegen gelassen wird, weil ich mir einrede, zu zweit würde sie noch ein bisschen mehr Spaß machen. Dabei war es eigentlich mal ganz anders. Ja, ich würde sogar behaupten, dass ich mal verdammt gut darin war, alleine zu sein. Bloß in den vergangenen zwei Jahren, da musste ich es neu erlernen und das geschah in diesen vier Schritten:

Anmerkung: Dieser Text bezieht sich nicht auf Ausnahmesituationen wie etwa die derzeitigen Corona-Maßnahmen und Kontaktbeschränkungen, die in bestimmten Lebensumständen zu Einsamkeit führen können und sich nicht mit diesen Tipps bewältigen lassen. Ich hoffe dennoch, dass sie der*m ein oder anderen zumindest ein wenig helfen können.

 
 
 
 
 
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1. Know your Enemies

Der erste Punkt ist zwar nicht der spaßigste, dafür aber eigentlich recht einfach umzusetzen: Trigger können nämlich jeden noch so schönen Abend verderben, um so wichtiger also, sie alle miteinander genauestens zu kennen und letztlich möglichst fernzuhalten, sobald man alleine ist. Heißt: Filme, Bücher, Podcastfolgen und Serien, die mich in ein schlechtes Mindset versetzen, sind an jenen Abenden tabu, ebenso wie die gedankliche Auseinandersetzung mit früheren Streitgesprächen, Konflikten und Dramen — die führten in der Vergangenheit nämlich vielmehr dazu, dass ich mich in eine unausstehliche Griesgrämigkeit hineinsteigerte, was letztlich natürlich weder mir noch irgendwem anders half.

2. Spontanität ist gut, Planung ist besser

Spontanes Alleinsein wirft mich zuweilen aus der Bahn, weil ich ganz plötzlich so gar nichts mehr mit mir anzufangen weiß. Ja, in der Vergangenheit ertappte ich mich sogar schon dabei, die Zeit einfach abzusitzen und auf meinen Freund zu warten, was mich oftmals peinlich berührte, glaubte ich doch eigentlich, ich sei vollkommen selbstständig und unabhängig. Mittlerweile habe ich verstanden, wie wichtig es ist, meine eigenen Freizeitpläne nach mir selbst und nicht ständig nach anderen Personen zu richten, was mich auch schon zum eigentlichen Punkt bringt: das Planen. Das nämlich sorgt, ebenso wie die berühmt-berüchtigte Notfallkiste, dafür, dass ich stets weiß, welch großartige Hobbies und Interessen ich künftig schamlos zelebrieren kann, ganz gleich, ob es das Candle Light Dinner mit mir selbst, malen, ein Serien-Marathon, Journaling oder Tisch-Minigolf ist. Wichtig ist eben bloß, dass man Dinge tut, die Spaß machen, damit man sich auch wirklich darauf freuen kann.

 

 
 
 
 
 
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3. Goodbye my love, Goodbye

Der Gegenstand, der hier so dramatisch in schönster Demis Roussos Manier besungen wird, ist natürlich das Handy, das so manch eine*n von uns der treuste Begleiter ist und beim Alleinsein genau deshalb möglichst am anderen Ende der Wohnung liegen sollte, denn: Messengerdienste, soziale Medien und Co sind natürlich ebenso Kontakte wie der / die Freund*in auf dem Sofa. Wer sich beim Alleinsein stets dabei ertappt, in Windeseile zum Telefon zu greifen, um mit Freund*innen oder Fremden zu chatten, weil die plötzliche Ruhe in Langeweile oder Nervosität endet, dürfte hierin also eine wunderbare Übung (oder Herausforderung) finden. Wenn man das erst einmal geschafft hat, kann es auch verdammt schön sein, mal nichts vom Leben anderer Menschen mitzubekommen (die einzige schamlose Ausnahme: Real Housewives of Beverly Hills) und sich ganz auf sich selbst zu konzentrieren. Weil ich persönlich ein ganz besonders harter Fall von „hat ihr Handy ständig in der Nähe“ bin, brauchte ich einige Anläufe, wurde aber schließlich durch eine überfordernde Nachrichtenflut in Gruppenchats in die Flucht geschlagen und verfrachtete das Handy kurzerhand im Nebenzimmer und stellte fest: Der ständige Druck, erreichbar zu sein, keine Neuigkeit zu verpassen oder stets kurze Nachrichten an Freund*innen zu schicken, war plötzlich weg und das, so muss ich es doch zugeben, fühlte sich durchaus ganz schön erleichternd an.

4. Lass dich auf deine*n neue Gesprächspartner*in ein: Du selbst

Nur weil soziale Kontakte nicht erlaubt sind, heißt das noch lange nicht, dass man keine Gespräche mehr führen darf. Wer weder Pflanze noch Fisch besitzt, darf sich fortan also darauf freuen, mit sich selbst zu reden. Dass Selbstgespräche (zumindest bei den richtigen Gesprächsthemen) nämlich nicht nur ganz fantastisch, sondern obendrein auch noch gesund sind, sagte einst sogar der Psychologe Thomas Brinthaupt, der sie in gleich vier Kategorien einteilt. So helfen sie etwa dabei, sich ab und an mal selbst zu loben (keine Scheu und erst recht kein sparsamer Umgang!) oder sich durch kluge Fragen selbst zu ergründen — ganz besonders dann, wenn man sich beim eigenen Namen nennt, also in der dritten Person von sich spricht, denn ebendiese vermeintliche Merkwürdigkeit schafft Distanz und erleichtert damit auch das Gespräch. Einzig und allein nett solltet ihr immer zu euch sein, Unmut gibt es schließlich an anderen Stellen bereits genug. 

Zusammengefasst: Vermeidet Trigger und zelebriert stattdessen eure neuen (und alten) Hobbies sowie Leidenschaften, versteckt das Handy und führt ab und zu mal gute Gespräche mit euch selbst. Dann nämlich fällt das Alleinsein zuweilen weniger schwer, versprochen.

Eine Anleitung zum Alleinsein

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